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Zu spät?

Das Verbot russischer Sender

Die EU erteilt russischer Propaganda eine klare Absage, die nationalen Medienaufsichten der Länder prüfen die Einhaltung und Ihnen obliegt es – im Falle der Nichteinhaltung – Strafen zu verhängen. Dank der EU konnte die Gefahr, dass wir falschen und ungeprüften Informationen der russischen Führung ausgesetzt sind, abgewendet werden.

Aber: Kommt dieser Schritt zu spät? War der Kreml in diesem Punkt nicht viel schneller und effizienter – in diesem Sinne weitsichtiger – als wir in der EU? Wo alles derzeit auf dem Prüfstand steht, gibt es keinen Grund die Pressefreiheit davon auszunehmen. Ganz klar, nicht jede Meinung zählt, warum auch. Alternative Fakten fußen auch auf Tatsachen, sie unterscheiden sich nur in der Sichtweise.

Jeder Mensch hört gerne, was er denkt, das Selbstbewusstsein erhält Bestätigung – und wer stärkt nicht gerne sein Selbstbewusstsein? Diese ganz menschliche Eigenschaft macht uns zu gierigen Zombies, immer auf der Suche nach noch mehr Bestätigung für die eigene Meinung. Fakten werden gerne durch Alternativen ersetzt, alternative Fakten, die unser Weltbild formen. Und wir geraten in die größte Glückseligkeit, wenn uns niemand widerspricht.

Im Gegensatz zu früheren Zeiten ist es heute sehr einfach Störendes wegzuklicken oder noch besser zu “blockieren”. Wer nahm also Sputnik und RT zur Kenntnis? Die Glückseligen.

Andererseits: Mich persönlich hätte es schon noch interessiert, warum die so glückselig sind.

Über Christian Wolf:

Christian Wolf (M.A.) ist Autor, Filmschaffender, Medienberater, ext. Datenschutzbeauftragter. Geisteswissenschaftliches Studium (Publizistik, Kulturanthropologie, Geographie), freie Tätigkeiten Fernsehen (RTL, WDR etc.) mit Abstechern in Krisengebiete, Bundestag Bonn und Berlin, Dozent DW Berlin (FS), Industriefilme (Würth, Aral u.v.m), wissenschaftliche und künstlerische Filmprojekte, Projekte zur Netzwerksicherheit, Cloudlösungen. Keine Internetpräsenz, ein Bug? Nein, Feature. (Digtalpurist)

5 Kommentare

  1. Martin Böttger

    Ich wäre der EU und den um Aufgaben verlegenen deutschen Medienbehörden dankbar, wenn sie das wegklicken und blockieren mir überlassen. Schutz brauche ich vor evtl. totgeschossenwerden, oder dass mir der Himmel auf den Kopf fällt. Gelegentlich auch vor Extremwettern – mann nennt es Klimaschutz.

  2. Mars

    Streben nach Glückseligkeit ist auf jeden Fall ein Grundrecht, dazu gehört auch das Ausblenden oder Nicht-zur-Kenntnis-nehmen gegensätzlicher unangenehmer Fakten aller Art oder auch Wahrheiten. Aber in Kenntnis der potentiellen Möglichkeiten und Gefahren feindlicher Propaganda und Fake-News ist es schon die Pflicht verantwortungsvoller Regierungen, ihre Bürger davor zu schützen, oder?

  3. Der Maschinist

    Ich halte es für eine elementare Pflicht des sowohl schulischen als auch akademischen Bildungssystems eines Landes seinen Klienten soviel elementare Medienkompetenz zu vermitteln, das “Filter” oder “Sperren” ganz gleich welcher Natur aus “politischen” Gründen nicht notwendig sind. Falsch informieren kann man nur die, die es nicht besser wissen (wollen).

    Ich habe die Begrifflichkeiten oben deshalb in Anführungszeichen gesetzt, weil auch sie durchaus unterschiedlichen Deutungen unterliegen – über die auch an dieser Stelle schon ausführlich geschrieben und diskutiert wurde. Ua. schätze ich da zB. Julia Redas Erläuterungen zu den Sachverhalten an vielen Stellen im Extradienst.

    Einzig in Fällen von nach BGB oder StGB sanktionsfähigen Sachverhalten lasse ich mit mir reden, wenn es um technische Eingriffe zur Bekämpfung / Verhinderung von Straftaten geht. Propaganda und Schwurbelei sind nicht darunter. So schlecht sie auch sind.

    Das halten wir aus!

    Steffen Grimberg in der TAZ von heute: https://taz.de/Verbote-russischer-Sender-in-der-EU/!5839293/

    • Christian Wolf

      Medienkompetenz ist eine erlernbare Größe, was leider im Bildungssystem noch nicht angekommen ist. Trotzdem entfällt die Notwendigkeit zur Zensur, wenn wir einen mündigen Bürger voraussetzen. Damit das, was gerade in Russland geschieht, bei uns nicht eintreten kann, hatten wir – nach britischen Vorbild – hierzulande das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks etabliert. Und es gibt nach wir vor sehr gute Gründe daran auf Dauer festzuhalten. Etwas mehr Medienkompetenz des mündigen Bürgers wäre allerdings auch hilfreich, um die Vorzüge zu erkennen.

  4. Annette

    Die Sperrung von RT Deutsch, Sputnik etc kann man schlicht und einfach Zensur nennen. So was macht man eben in Kriegszeiten, auch wenn man angeblich nicht Partei ist und versucht, sich aus dem Konflikt, den man selbst mitangezettelt hat, rauszuziehen.

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