mit Update nachmittags

Werteleitung / Linker Wahlsieg / NRW und das ÖPNV-Ticket

Die “wertegeleitete” deutsche Aussenpolitik ist in diesem Blog schon hinreichend gewürdigt worden. Es hört nicht auf. Es gibt neuen Stoff. Hierzulande gibt es nicht viele, die davon wissen: aber in der islamischen und insbesondere der arabischen Welt gibt es eine ähnlich harte Konfrontation, wie zwischen “dem Westen” und Russland: auf der einen Seite die “neuen” Reaktionäre der Muslimbruderschaften mit den Sponsoren Erdogan und Qatar, auf der anderen Seite die “alten” Feudalverbrecher von den Saudis über die Vereinigten Arabischen Emirate bis zur ägyptischen Militärdiktatur. Sehr gut wird das Geschehen von Israel studiert; es ist für seine Aussenpolitik lebenswichtig. So wie der Ukrainekrieg ein Stellvertreterkrieg ist, hat auch dieser Konflikt einen: “die grösste humanitäre Katastrophe” im Jemen.

Der Trick der deutschen Aussenpolitik: zu beiden Seiten glänzende Beziehungen unterhalten für den immergleichen guten Zweck, glänzende Geschäfte zu machen. Die Wertleitung bemisst sich nach guter alter Tradition am Kapitalvolumen: hier mit Qatar, hier mit Ägypten. So ist doch wieder “an alle gedacht”.

Linke können wahlsiegen – in Kolumbien

Kolumbien ist ein von Gewalt traumatisiertes Land. Sowohl die Herrschenden als auch die Beherrschten können sich Interessenwahrung ohne Mord und Totschlag kaum noch vorstellen. Der bisherige Präsidentschaftswahlkampf schien das mehr zu bestätigen als zu dementieren. Und doch sieht er nach dem ersten Wahlgang einen klaren Sieger: es ist ein Linker. Gustavo Petro und seine politische und gesellschaftliche Basis haben nun den harten Job, das Abgleiten Kolumbiens in einen Trumpismus, wie er von Brasilien so katastrophal aufgeführt wird, zu verhindern. Etwa so, wie es in Chile gelungen ist.

Welches Euro-Ticket in NRW?

Die schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen in NRW hätten die Chance gehabt, Zeichen zu setzen. Wenn ich meinem hochgeschätzten Kollegen Andreas Wyputta/taz glaube, haben sie darauf fahrlässig verzichtet. Schade eigentlich. Gegenwärtig steigt die Spannung, welches Chaos von dem 9€T-ausgelöst wird. Und das Rätsel, welche Konsequenzen die deutsche Verkehrspolitik daraus zu ziehen gedenkt, bläst sich immer weiter auf. NRWs Schwarz-Grün hat offensichlich keine Nadel zur Hand.

Darum hier einige kleine Hilfsangebote. Auf ein 365 €-Tickt für ein ganzes Jahr würde ich, wenn es nur auf meine Kleinstadt begrenzt wäre, verzichten. Wenn es dagegen für den VRS-Raum gälte, würde ich sofort zugreifen, es sogar abonnieren wie meine Bahncard50. Hier dazu vergleichbare Erfahrungen in Österreich. Und hier zum dort schon lange geltenden Angebot, übrigens ebenfalls unter schwarz-grüner Regentschaft.

Denkbar wären weitere didaktische Tops. Z.B. könnte es das Ticket ein Jahr geschenkt geben für alle, die ihr Auto ersatzlos abschaffen. Oder soll das so bleiben? Sowieso geschenkt werden müsste es allen HartzIV-Empfänger*inne*n, vielleicht auch Alleinerziehenden und ihren Kindern (mindestens stark verbilligt). Einer sozialen Kreativität sollten da keine Grenzen gesetzt sein.

Warum solche Ideen beim “Sondieren” nicht zum Zuge kamen, weiss ich auch nicht. Jetzt folgen die richtigen Koalitionsverhandlungen. Also bitte!

Update nachmittags

Kriegsverweigerer

Wegen im Krieg obwaltender Zensur – Sie wissen schon: was “zuerst stirbt …” – ist es nicht möglich, dazu empirisch belastbare Erhebungen durchzuführen. Umso verdienstvoller ist es, dass überhaupt über Kriegsverweigerer berichtet wird, von Dmitri Kowalewitsch in der Jungen Welt über ukrainische Kriegsverweigerer, und von Bernhard Gulka/telepolis über russische.

Es versteht sich leider bislang nicht im geringsten von selbst, dass solche mutige Menschen als Flüchtlinge von unseren feinen Schreibtischkrieger*inne*n respektiert und freundlich oder gar solidarisch aufgenommen werden.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net