Die wundersame Bahn CXII am Bahnhof Beuel
Ich war zeitig am Bahnhof, um mich auf den Weg nach Köln-Ehrenfeld zu machen. Denn als Ortskundiger weiss ich ja, wie weit der Weg nach Abstellen des Fahrrades noch ist. Ein kunstvolles in lichte Höhen ragendes Holzbauwerk ist zu begehen, um auf den Bahnsteg 2 zu gelangen. Das heisst: für zahlreicher werdende Mitmenschen ist er unbenutzbar, unerreichbar. Aber beeindruckt anzusehen.
In der gestrigen Nachmittags-Wetterlage bedeutet er ausserdem: Sonnenschutz 0. Für Menschen wie mich nicht nur wegen durchfahrender Güterzüge lebensgefährlich, sondern wegen der Sonne. Menschen, die das gleiche Problem hatten, hatten bereits die mobilen Absperrungen zum “Gleis 3”, das nur geistig existiert – die Gleise sind derzeit entfernt – so verrückt, dass Stehplätze hinter den hölzerne Unterständen zur Verfügung stehen, dort, wo der Schatten hinfällt.
Je näher die – gestern für einen Freitagnachmittag bemerkenswert pünktliche – Abfahrtszeit des Zuges rückte, umso mehr häufte sich ein Phänomen, das ich – gefühlt seit Jahrhunderten – schon aus dem Bahnhof Köln-Süd kenne, wo es bis heute von der Zülpicher Strasse ebenfalls nur einen Zugang zu einem der zwei Bahnsteige gibt. Menschen verzichten auf die mühselige Überquerung, sondern gehen viele Minuten Zeit sparend über die bisweilen befahrenen Gleise selbst. In Köln-Süd kann sich recht unvermutet und verhältnismässig leise ein ICE über ein meistens unbefahrenes Gleis nähern, wenn er über die Südbrücke aufs andere Rheinufer umgeleitet wird – über ebendieses Beuel!
Bis Ende 2023 soll diese Gefahrenlage und Unzugänglichkeit so bleiben? Eine Baustellen-Verkehrsführung, wie sie sonst nur Radfahrer*innen kennen und leidvoll “gewöhnt” sind. Bahnsteig2-Nutzer*innen seien “getröstet”: auch Bahnsteig 1, praktisch und ebenerdig gelegen, hat keine funktionierende Umsteigebeziehung zwischen Regiobahn und Stadtwerkelinie 62. Beide warten nicht aufeinander. Warum sollten sie? Für nur 9 Euro im Monat?
Als wenn es gestern gewesen wäre, kann ich mich daran erinnern, dass es eine Zeit gab, in der echte Menschen vor Bildschirmen hockend solches Geschehen beobachteten, und über Bahnsteiglautsprecher mit ihrer eigenen, nicht von Algorithmen programmierten, Stimme Ermahnungen aussprachen. Sassen sie im Bahnhofsgebäude? Oder im benachbarten lange noch von echten Menschen besetzten Stellwerksgebäude? Oder haben sie nicht nur Videokameras ihren Lauf laufen lassen, sondern die Bilder sogar betrachtet? Will sagen: wo echte Menschen noch wahrgenommen werden, verbessert sich unmittelbar und sofort das, was in unserer Sprache Sicherheit genannt wird.
Wo das fehlt, passiert dann sowas.
Noch ein Tipp für gelegentliche Köln-Pendler*innen: die Bahn um xx:47 fährt über den Flughafen. Sie wissen schon: da geht die deutsche Infrastrukturwelt unter. Nehmen Sie lieber die um xx:17 über Porz.
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