Als der Maschinist dieses Blogs unter der Überschrift “Ein guter Mensch” auf eine Mediathekperle hinwies, dachte ich im ersten Moment, es gehe um Freddie Mercury. Dem gedachte nämlich ARTE am Freitagabend: “Der letzte Akt” (2 Monate Mediathek). Gewöhnlich langweilen mich diese Revivals. Doch als ich in diesen Film von James Rogan reinzappte, wurde ich plötzlich gefesselt. Von der Politik dahinter.
Als Zeitgenosse Mercurys war ich ein Fan der Musik seiner Band Queen. Ihre ersten acht LPs habe ich alle, selbstverständlich Vinyl. Danach flaute mein Interesse ab. Da ich nicht schwul war oder bin, hat mich der ganze mediale Überbau um die Band nur geringfügig interessiert. Im Rückblick von heute auf damals geht es mir anders. Rogans Doku setzt mich kurz und knapp in Kenntnis, wie die politische Lage der Schwulen war, und wie sehr sie durch die Aids-Pandemie erschüttert wurde. Mercury, ein reicher privilegierter Mann, repräsentierte das Problem für alle sichtbar.
Während ich das heute mit angemessenem Bedauern sehe, gab es eine Mitteilung im Abspann dieses sehenswerten Films, die mir die Zornesadern anschwellen liess. Der Satz fehlt in der Mediathek, ist also vielleicht in der TV-Ausstrahlung von der ARTE-Redaktion ergänzt worden. Sinngemäss behandelt er den mangelhaften Zugang von Millionen Erkrankten zu den heute verfügbaren Medikamenten, und das langwierige Fehlen eines wirksamen Impfstoffes. Es ist der gleiche Skandal, wie bei den Corona-Impfstoffen. Die gibt es zwar. Ihre Patente werden aber nicht freigegeben, protegiert von der deutschen Bundesregierung.
Ebenfalls ein grosser Spass war “Italo Disco” (Mediathek bis 11.9.) von Alessandro Melazzini. Seine steilen musikalischen Thesen werden von Harald Keller/FR zurecht angezweifelt. Diese Überbau-Debatte ist was für Insider, stark selbstreferentiell. Der Spass ist ja die Musik.
Spassbremse
Der Spass kam mir am Wochenende abhanden, als ich diese Abhandlung von Glamrock bei DLF-Kultur fand. Die Beschreibung der Sachverhalte mag ok sein, ihre Bewertung durch den Autor ist abwegig. Bands wie Queen oder ELO mögen ihren Erfolgsweg gemacht haben. Ihre Chefs Brian May und Jeff Lynne liessen sich vom Business nicht zu Wurst machen. Die hier aufgezählten Bands dagegen sind grossenteils tot, und zwar in einem sehr vielfältigen Sinne. Viele haben sich totgesoffen oder gespritzt. Weil sie keine grossen Künstler waren, sondern Wurst des real existierenden angloamerikanisch beherrschten globalen Musikkapitalismus. Als sie “es” nicht mehr brachten, wurden sie von der Branche und ihren Bossen einfach ausgespuckt, wie eine Fliege, die sich verirrt hatte. Und danach mit anderer Besetzung wieder losgeschickt, um den Revival-Markt einer kaufkräftig gewordenen Generation noch mal kräftig abzuernten. Das, was die Rolling Stones bis heute praktizieren, aber jetzt in Eigenregie, nachdem sie sich zunächst über 10 Jahre hatten über den Tisch ziehen lassen.
Ausnahme in dem DLF-Text als Künstler: David Bowie (aber auch schon tot), und die als Mensch fabulöse Suzi Quatro, über die es vor einiger Zeit ebenfalls eine Top-Dokumentation gegeben hat (keine Mediathekverfügbarkeit).
Dieser Umgang des Business mit den meisten (!) seiner Künstler*innen ist schlicht widerlich und traurig, auch wenn die meisten von uns mit ihrer Musik bis heute schöne Lebenserinnerungen verbinden. Diese Tatsache sollte nicht vergessen werden, wenn wir uns an sie erinnern. Oder soll das alles etwa so bleiben?
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