Das interessanteste Thema, ich nehme den Schluss vorweg, für mein Gefühl leider eher vergeigt: ein Auszug aus einem Suhrkamp-Buch von Bruno Latour (letztes Jahr verstorben) und Nikolaj Schultz: “Für die Bewohnbarkeit des Planeten: Wie die ökologische Klasse entsteht”. Von der Lektüre will ich keineswegs abraten, benenne aber die von mir gesehenen Defizite.
Der Text liest sich wie ein Gründungsprogramm für die von den Autoren imaginierte “ökologische Klasse”. Dafür, wer und wie sie sich sozial zusammensetzen und konstituieren soll, fehlt jedoch jeder Hinweis. Sicher, die Grünen in ihrer Gründungszeit hätte so viel materialistische Reflexion zweifellos geschmückt. Die sind aber erkennbar nicht gemeint, weil sie ja auch alleine gesellschaftlich keine ausreichende Kraft wären. Die Verteidigung materialistischer Analyse ehrt die Autoren. Dennoch lassen sie sie selbst vermissen.
Der Problemkern der aktuellen Klimapolitik ist das kapitalistische System. Es ist nur mit Wachstum überlebensfähig. Darum ist das System und die Notwendigkeit seiner Überwindung das Problem. Das wusste aber Karl Marx schon. Dafür ist ein Buch von Latour und Schultz nicht erforderlich. Weiss die Klimabewegung – weltweit! – schon, was Marx wusste? Nunja, wahrscheinlich nur geringe Teile von ihr. Am Ende muss ein politischer und sozialer Prozess solche Erkenntnisse voranbringen. Dazu ist dieser Text ein Beitrag.
Weitere Empfehlungen
Florian Rötzer/overton: “Auswärtiges Amt: Außer Russland kein Anlass für völkerrechtliche Einschätzungen von Kriegen – Bundesregierung verweigert, um die Haltung zum Ukraine-Krieg zu wahren, die Beantwortung einer Schriftlichen Frage. Die Grünen waren bereits 1999 maßgeblich Befürworter des Nato-Angriffskriegs gegen Serbien.” Eine mir widerstrebend bittere Abrechnung, die zudem die Nichtbeantwortung einer AfD-Anfrage zum Anlass nimmt. Inhaltlich fällt es mir jedoch schwer, seine, Rötzers, Abrechnung abwegig zu finden. Gegenargumente willkommen!
Daniel Leisegang/netzpolitik: “Prekäre Klickarbeit hinter den Kulissen von ChatGPT – Arbeiter:innen in Kenia sollten teils traumatisierende Texte lesen, um ChatGPT zu optimieren. Ihr Stundenlohn: bis zu zwei US-Dollar. Eine Recherche des Time Magazines zeigt: Hinter dem Hype um die Künstliche Intelligenz steckt auch eine Geschichte von Ausbeutung im globalen Süden.” Widerlich.
Martin Holland/heise-online: “Der Peak von Mastodon ist nicht erreicht, es geht erst richtig los – Neue Nutzende tröpfeln inzwischen nur noch auf Mastodon ein, viele sind wieder weg. Trotzdem sind Abgesänge völlig fehl am Platz.”
Konstruktiver Journalismus
Uwe Krüger, ein seriös-kritischer Medienforscher, hat mit DLF-Kultur über konstruktiven Journalismus gesprochen. Der Sender hat es zwar in diesem Fall zu einer geschriebenen Zusammenfassung geschafft. Für einen Link zu den im Text erwähnten Ergebnissen der ARD-Medienforschung hatte es aber nicht gereicht. Darum hier für Sie, bitte, gerne.
wer es noch nicht gesehen hat, mich hat es mal “um den Schlaf” gebracht:
https://www.arte.tv/de/videos/RC-022018/im-gespraech-mit-bruno-latour/