Allzu viel Hilf- und Folgenlosigkeit

Der Aiwangerhubsi interessiert mich nicht. Noch nicht einmal Bayern. Wer so wählt, wie die, hat nichts Anderes verdient. Nur um München tuts mir leid (und Nürnberg). Die Münchner*innen hatten immerhin immer einen fetten Flughafen, von dem aus sie bei Bedarf jederzeit abhauen konnten. Wenn die dann allerdings bei Bundestagswahlen teilnehmen, dann hat der Spass noch jedes Mal aufgehört. Darum haben wir uns schon hier mit diesem Kretin beschäftigt, und nun sogar ich.

Warum kann so ein Typ überhaupt was werden? Weil die Alternativen so schlecht sind. Die demokratischen Parteien sind zur Mobilisierung eigener Basis nicht mehr in er Lage. Ihre Kommunikation mit der real existierenden gesellschaftlichen Basis da draussen ist ungefähr so schlecht, wie in Westafrika. Der Bonner Friedensforscher Boubacar Haidara/ipg-journal erklärt es: Wann folgt der Nächste? – Mali, Burkina Faso und Niger: Die Staatsstreiche destabilisieren Westafrika. Die Militärs profitieren von der antifranzösischen Stimmung.”

Warum ist die Kommunikation so schlecht? Sind “die Medien” mal wieder schuld. Das wird regelmässig in der notwendigerweise selbstreferentiellen MDR-Altpapier-Kolumne erörtert (heute wieder René Martens) Dort gibt es zwar oft sachdienliche Hinweise, aber kein befriedigendes Ergebnis.

Den Ursachen dieses Problems kommt Norbert Wohlfahrt/Junge Welt näher: Ukraine-Krieg: Wertebasierte Wissenschaft – Denkfabriken als patriotische Instanz westlicher Kriegführungsstrategien” (dieser Link verschwindet in einigen Tagen in einem Paywall-Archiv). Ratlose Politiker*innen und Parteien, denen selbst nichts einfällt, suchen sich Rat bei Dienstleister*inne*n. Drei von ihnen nimmt der Autor kritisch ins Visier. Für einen emeritierten Wissenschaftler irritiert mich, wie grosszügig und freihändig definitionslos der Autor mit dem “Nation”-Begriff um sich wirft. Ist da ein redaktionelles Lektorat wegen Krankheit ausgefallen? In der BRD-“Nation” lassen sich jedenfalls nur sehr mühevoll Mehrheiten für Kriegsführung und -einsatz finden, trotz allergrösster Bemühungen dieser ständig auf- und abfahrenden Denkpanzer, sowie derer, die Medienmacht haben. Das ist ja gerade das Legitimations- und Mobilisierungsproblem der Parteien, die eine Alternative zu den “Aiwangers” sein sollten.

Robert Misik/ipg-journal liebe ich für seine dauerhafte Verbreitung von politischem Optimismus. Das ist hilfreich und regt zum Mitdenken an. Dem (beim Joggen) schwer gestürzten Olaf Scholz wird das gewiss heftig gefallen: R.E.S.P.E.K.T. – Ein schützender Staat plus Bollwerk für progressive Werte – ist dies das neue Erfolgsrezept der demokratischen Linken?” Damit macht er glatt dem anderen potenziellen Regierungsdenker Albrecht Lucke wirkungsvoll Konkurrenz, weil er noch nicht so verzweifelt ist. Wie gesagt: das gefällt Olaf.

Am nächsten zum Kern bewegt sich heute Ines Schwerdtner/Jacobin: Trumpismus nach bayerischer Art – Hubert Aiwanger inszeniert sich als Opfer einer Schmierkampagne, Markus Söder nimmt ihn in Schutz. Der Flugblatt-Skandal bleibt ohne Folgen. Das ist bitter, aber zeigt auch: Man schlägt die Rechten nicht, indem man sie moralischer Verfehlungen überführt.” Trump konnte nur durch die Mobilisierungsschwäche seiner Gegner*innen gewinnen. Er fürchtete Zuspitzung, Polarisierung und Mobilisierung nicht – er nutzte sie. Dass er vier Jahre später abgewählt werden konnte, lag daran, dass der mobilisierungsfähige Bernie Sanders zu einem Zweckbündnis mit Joe Biden bereit war. Wir haben aber keinen Bernie Sanders – und Frau Wagenknecht ist das gewiss nicht. Der Trick ist: Bündnisse schliessen, statt sich von Rechts spalten zu lassen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net