Grundregeln, die das Leben besser machen, aber offenbar schwer zu erlernen sind
Radfahrer*innen kennen das, wenn P- und LKWs den Blinker erst setzen, wenn sie schon abbiegen – statt vorher! Seit nun auch Porschefahrer*innen aufs Rad umsteigen, beobachte ich vermehrt bei Radfahrer*innen ein ähnliches Problem: Fahrtrichtungswechsel werden grundsätzlich überhaupt nicht mehr angezeigt. Dafür aber gerne während der Fahrt telefoniert (was illegal, und im Falle des Erwischtwerdens schön teuer ist). Es gibt da ein ähnliches Problem im Onlinejournalismus, und auch nicht alle Extradienst-Autor*inn*en sind davon frei.
Ich habe es kaum für möglich gehalten. Und es bestätigt meine These von der stark verlangsamten kulturellen Adaption neuer Kommunikationstechniken durch die Menschheit. Dass das, was Stefan Niggemeier/uebermedien hier schreibt, immer noch geschrieben werden muss: “‘T-Online’, FAZ und andere – Der Link, das ewige Tabu”.
Die Tatsache, dass ich die Erfindung des Internet als grosse Befreiung meiner Informations- und Meinungsfreiheit empfunden habe, ist engstens mit der wunderbaren Erfindung der Verlinkung zu Informations- und Beweisquellen verbunden. Das ist der eigentliche Antrieb für mich, Texte fast ausschliesslich noch online zu lesen – weil die Autor*inn*en mir Einblick in ihren Denk- und Arbeitsprozess geben. Wenn nun – vorwiegend untergehende – Medien auf eben diese profilierende Stärke ihrer Onlinepublikationen mutwillig bis bösartig verzichten, wie sie es Niggemeier nach 30 Jahren Internet immer noch bestätigen – ja, dann wollen sie halt nicht von mir gelesen werden. Das gilt übrigens genauso für solche, die glauben, ihr Onlineportal so hypermodernisiert zu haben, dass sie mein betagtes Tablet nicht mehr lesbar anzeigen kann – das nennt mann Abwärtskompatibilität, meine Herren Programmierer.
Merke: wer meint, Information werde durch Verknappung eine wertvollere und profitträchtigere Ware – zu denen, die das glauben, gehören die Geschäftsführungen fast aller deutschen Zeitungsverlage, auch solcher, die sich für “links” halten – der sitzt auf der Titanic, und zwar nicht auf der, die jetzt gerade wieder gerettet wurde.
Informationsverknappung durch die “freie” Presse
Aus Leserkreisen vernehme ich, dass der von mir wärmstens empfohlene Kermani-Text mittlerweile gut digital vermauert wurde. Wird die Zeit damit neue Abonnent*inn*en gewinnen? Mich sicher nicht. Mein Tipp an Kermani wäre, sich das nicht gefallen zu lassen, und sowas vorher auszuhandeln, wie auch interviewgebende Politiker*innen das tun sollten, insbesondere, wenn sie öffentlich alimentierte Ämter bekleiden.
Nicht digital eingemauert, und mit zahlreichen Links ausgestattet, ist dagegen Florian Rötzers/overton Wiedergabe des neuesten publizistischen Schlags von Seymour Hersh: “Hersh: ‘Der Krieg ist vorbei. Russland hat gewonnen. Es gibt keine ukrainische Offensive mehr’ – Seymour Hersh berichtet von Einschätzungen von ‘wichtigen Elementen in der amerikanischen Geheimdienstszene’, nach denen Teile der ukrainischen Armee die Offensive eingestellt hätten.”
Letztendlich muss jede*r selbst entscheiden, was davon wie hart und echt ist. Florian Rötzer kenne ich durch gelegentliche Korrespondenzen. Ich halte ihn für “positiv verrückt”, und schätze seine quellenkritische Denke in alle Richtungen.
Grosses Mediathekperlen-Einmaleins
Ich selbst habe mich mit einem digitalen Recorder von der wirren Mediathekenstrategie deutscher TV-Sender unabhängig gemacht. Die Originalfassung von “Better Call Saul”, einer der besten TV-Serien weltweit, habe ich komplett auf einem USB-Stick. Die deutsche Fassung nehme ich während ihrer nächtlichen Sendezeit auf. Wenn Sie sich reinfuchsen wollen, finden Sie hier – vom Sender exzellent geheim gehalten – die entsprechende ZDF-Mediathekseite.
Nach meiner persönlichen Meinung ist das, zusammen mit der Vorläuferserie “Breaking Bad”, im fiktionalen TV-Filmbereich die beste, schärfste, härteste, sarkastischste, realistischste Kritik am real existierenden von den USA geführten Kapitalismus. Exzellent ausgedacht, geschrieben, dramaturgisch verdichtet, mit der kraftvollst denkbaren Bildsprache US-amerikanischer Südstaaten und erstklassigen Schauspieler*inne*n, die voll hinter dem stehen, was sie da drehen.
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