Ausbaufähige Beziehungen: Was will der Präsident Sri Lankas in Berlin? – Sri Lanka, die „vom Indischen Ozean umspülte“ Insel, ist in das Blickfeld der Berliner Außenpolitik geraten. Wie es dazu kam und was sich der Inselstaat von Deutschland erhofft.
Sri Lanka liegt in jener Region, welche von den Strategen der westlichen Politik im asiatischen – vor allem aber süd- und südostasiatischem Raum – pauschal als Indopazifik bezeichnet wird. Es war der indische Marinestratege Gurpreet S. Khurana, der Anfang 2007 den Begriff „Indopazifik“ erfand und in die geopolitische Debatte brachte. Inzwischen wurde diese Begrifflichkeit – ganz zum Entsetzen des Urhebers – umgedeutet. Mit der Wortschöpfung sollte der indische Subkontinent mit der zweitgrößten Bevölkerung weltweit strategisch mit den Boom-Regionen Ostasiens am Pazifik in Verbindung gebracht werden, was den Anspruch Indiens unterstreichen sollte, der Volksrepublik China auf dem Weg zum Status einer Weltmacht zu folgen. Traditionell wurden die Anrainerstaaten des Indischen Ozeans, in diesem Fall die asiatischen Anrainerstaaten, denn dieser Ozean liegt auch an den Küsten Ost-Afrikas und West-Australiens, als Süd-Asien betrachtet und getrennt von den südost- und ostasiatischen Anrainerstaaten des Pazifiks. Bei dem Begriff „Indopazifik“ handelt es sich also um einen relativ neuen Begriff, der aber an Bedeutung gewinnt und daher eine immer stärkere Verwendung findet.
Sri Lanka liegt also prominent im Zentrum dieser Region, welche für die Strategen in Berlin angeblich an Bedeutung gewinnt. Viel eher ist es aber so, dass man im Auswärtigen Amt brav die geopolitischen Pfade der USA austrampelt, völlig unabhängig davon, ob diese für die geopolitische Zukunft Europas sinnvoll erscheinen.
„Der Indopazifik ist eine Priorität der deutschen Außenpolitik“, behauptete schon Heiko Maas. Seine Nachfolgerin Annalena Baerbock scheint diesem Fehlurteil zu folgen.
Colombos Beziehungen zu Peking
Von diesen Rahmenbedingungen sind die Beziehungen zwischen Colombo und Berlin derzeit geprägt, wobei man im Auswärtigen Amt sich gerne dafür zuständig fühlt, Sri Lanka danach zu bewerten und zu beurteilen, wie es sein Verhältnis mit der Volksrepublik China gestaltet.
Dabei bleibt dem Inselstaat mit seinen rund 20 Millionen Einwohnern gar nichts anderes übrig, als zu beiden politischen und demografischen Giganten in seiner Hemisphäre eine Art Pendeldiplomatie zu betreiben, im besten Fall zum eigenen Vorteil.
Sri Lankas Präsident Ranil Wickremesinghe ist am Dienstag in Berlin eingetroffen, wo er die Konferenz „Berlin Global Dialogue“ besuchen wird, ein Forum, welches sich nach eigenen Angaben als Treffpunkt von politischen und ökonomischen Führungskräften definiert, um Antworten auf die brennenden globalen Fragen unserer Zeit zu finden.
Um einen Staatsbesuch handelt es sich also nicht, ob und welche deutschen Politikerinnen und Politiker der Präsident trifft, wurde bisher nicht bekannt gegeben. Es gehört aber nicht viel Fantasie dazu, dass der Präsident nach Möglichkeiten Ausschau hält, die ökonomischen Probleme des Inselstaates zu verringern.
Pendeldiplomatie zwischen Peking und Moskau
Zu Beginn des vergangenen Jahres, also noch vor dem Ausbruch der revolutionären Unruhen, die zum Sturz der alten Regierung in Colombo führten, erschien es so, als würde die Regierung versuchen, die Abhängigkeiten von der Volksrepublik China zu reduzieren und die zu Indien zu intensivieren. Zuvor hatte sich das schon komplizierte Verhältnis zwischen Colombo und Delhi verschlechtert, nachdem Sri Lanka ein Abkommen über die Errichtung und den Betrieb eines Containerterminals mit Indien und Japan überraschend gekündigt und neu verhandelt hatte. Erst durch eine aufwendige Charme-Offensive kam es wieder zu einem Tauwetter zwischen Indien und Sri Lanka, flankiert von Kreditvergaben und Investitionserleichterungen für Unternehmen aus Sri Lanka in Indien. Nach dem Ende des Bürgerkrieges 2009 hatte Colombo Peking um finanzielle Hilfe beim Wiederaufbau gebeten und geriet dadurch natürlich in eine gewisse Abhängigkeit.
Ausbaufähige Beziehungen
Präsident Wickremesinghes bisherige Amtszeit wurde und wird natürlich von den ökonomischen Problemen belastet, die zum Sturz der Vorgängerregierung führten. Wickremesinghe führt die Regierung, nachdem sein Amtsvorgänger Gotabaya Rajapaksa gezwungen war, das Land zu verlassen. Zuvor hatten wütende Demonstranten im vergangenen Jahr im Zuge der schweren Wirtschaftskrise seinen Rücktritt gefordert.
Wickremesinghe, der bereits sechsmal Premierminister war, gilt als Experte, um die Wirtschaft zu sanieren. Als Verkünder eines politischen Neuanfangs wird er weder in seinem Land noch im Ausland betrachtet, eher als Mann der alten Regierung.
Colombo erhofft sich von Berlin sowie von anderen europäischen Hauptstädten eine Rückkehr der Touristen, in der Hoffnung, dass dies zur Erholung der nationalen Wirtschaft beiträgt. Berlin blickt durch die amerikanische Brille auf den Inselstaat und vor allem zu dessen Verhältnis zu Peking. Lange Zeit, so die Befürchtungen der jeweiligen Regierungen in Colombo, hat der Einfluss der tamilischen Diaspora im Westen die Entwicklungen der politischen Beziehungen beeinträchtigt. Wenn das jemals der Fall war, gehört das aber inzwischen der Vergangenheit an. Was den Stand der Beziehungen zwischen Sri Lanka und der Bundesrepublik angeht, so sind diese sicherlich ausbaufähig.
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