Vor Jahren hat mir ein Geschäftsmann in Berlin Mitte erklärt, warum er, ein Kurde aus dem Irak, nach Deutschland eingewandert sei: Er habe gewollt, dass seine Kinder ohne Angst und in Sicherheit aufwachsen können. Auf den Monaten der Reise aus dem Irak nach Deutschland habe er so ziemlich alles erlebt, was Menschen Menschen antun können. So dieser sehr, sehr respektable Mann.

Diese Erzählung ist für mich immer noch der gedankliche Zugang zu Fragen der Migration nach Deutschland. Und wenn ich noch weiter zurückschaue auf Migrationsdiskussionen in der Bundesrepublik, fallen mir die Jahre vor der Jahrhundertwende und die ersten Jahre danach ein. Damals gab es bereits so etwas wie ein rechtsaußen angesiedeltes „Narrativ“ zu „Gastarbeitern“, deren Familien und zum deutschen Gesundheitssystem.

Damals war zu hören, „die Türken“ ließen massenhaft die Großeltern, Onkel und Tanten nach Deutschland kommen, damit die hier wieder hergestellt und die Zähne gerichtet werden könnten. Damit in lockerem Zusammenhang war zu hören und zu lesen, moslimische Männer hätten in Deutschland „Zweit“- und „Drittfrauen“, die hier auf Kosten der Krankenkassen behandelt würden. Tatsächlich gab es zu letzterem einzelne Fälle, die aber ziemlich rasch von Sozialgerichten und den Krankenkassen behoben wurden.

Mehr war nicht. Wer damals als Besucher oder Besucherin nach Deutschland kam, um die Familie zu treffen, der wurde behandelt, wenn es notwendig wurde, wenn er oder sie krank wurde, Schmerzen hatte.

Diese rechtsaußen-„Narrative“ aus dem Schmutzbereich von NPD oder „Die Republikaner“ und anderen sind in sich merkwürdig. Denn plötzlich wird unser gemeinsames, hochentwickeltes, leistungsfähiges Gesundheitssystem, auf das freilich Millionen geringschätzig schauen, zu etwas Kostbarem, das es zu schützen und zu reservieren gilt.

All das lebt nun durch Herrn Friedrich Merz aus dem Sauerland angeschoben wieder auf. Merz fährt sozusagen laut hupend die Straße entlang, in der die bornierten Konservativen, die Viertel-, Halb- und Vollnazis wohnen. Ihn stört nicht, dass die Fachleute ihm sagen: Hör mal Vorsitzender, da liegst du total daneben. Es gibt kein Patienten-Wegdrücken wegen der Asylsuchenden. Das ist Kappes, was du da von dir gegeben hast.

Merz hat seine Botschaft hinterlegt. Darauf kommt es an. Wer sich vor Augen hält, wie existenziell Gesundheit, Abwesenheit von Schmerz ist, der kommt auf den wahren Kern: Merz ist unzivilisiert. Ihm fehlen grundlegende Eigenschaften wie Respekt und Achtung.

Über Klaus Vater / Gastautor:

Klaus Vater, geboren 1946 in Mechernich, Abitur in Euskirchen, Studium der Politikwissenschaft, arbeitete zunächst als Nachrichtenredakteur und war von 1990 bis 1999 Referent der SPD-Bundestagsfraktion. Später wurde er stellvertretender Sprecher der deutschen Bundesregierung. Vater war zuvor Pressesprecher des Bundesministeriums für Gesundheit unter Ulla Schmidt, Sprecher von Arbeitsminister Walter Riester, Agentur-, Tageszeitungs- und Vorwärts-Redakteur. Mehr über den Autor auf seiner Webseite.