Hatte ich eben über den Bauchnabel deutscher Medien geschrieben? Es geht noch tiefer. Boris Rosenkranz ist mir vor vielen Jahren als Autor von Zapp und Extra3/beides NDR aufgefallen. In der Regel mit gut norddeutsch portioniertem Humor, bisweilen Schlagseiten zum Sarkasmus. Zusammen mit Stefan Niggemeier gründete er uebermedien.de. Und muss sich jüngst den Sarkasmus schmerzhaft verboten haben.

Soeben der uebermedien-Paywall entschlüpft ist das hier: Öffentlicher Sorgerechtsstreit: Die Medienschlacht um die Block-Kinder – Ein privater Sorgerechtsstreit wird seit Monaten auch in Medien ausgetragen. Für die ist die Sache verlockend, weil es um eine Hamburger Millionärsfamilie geht, um einen ehemaligen Sportmoderator und um Entführung. Doch wäre es nicht geboten, die Kinder vor Öffentlichkeit zu schützen? Ein Gerichtssprecher spricht von einer „schlimmen Grenzüberschreitung“ – auch in einer großen Wochenzeitung.” Jaja, die Boulevardpresse, die war schon immer so, “Witwenschüttler” etc. … Einerseits richtig. Andererseits lohnt es nachzulesen, wer neuerdings “die Boulevardpresse” ist. Für die Jüngeren: eine der Hauptrollen wird in Rosenkranz’ Story von RTL gespielt. Das sind die, denen jetzt die Überreste des Stern gehören, bei dem es einst so zuging.

Bleibt die Frage: wie weit tiefer wird es noch gehen?

Deutsche Linksradikale haben auch darauf immer eine Antwort. Die, für die die Welt schlecht bleiben muss. Sonst hätte ihre eigene Existenz keinen Sinn. Hofnarren als Dokument herrschender Meinungsfreiheit. So welche machen sich seit einigen Tag einen Sport daraus, die Massendemonstrationen gegen Rechts als Übel dieser Welt zu entlarven.

Denn dass politisch bürgerliche Basisbewegungen der rechten Kapital- und Medienherrschaft das Heft des öffentlichen Agendasettings zumindest phasenweise aus der Hand nehmen können – nee, das ist doch im Kapitalismus gar nicht möglich. Und wer es dennoch versucht, will doch nur beweisen, dass das Leben in solchen Systemen auch gute Seiten haben kann. Politisch einwandfrei ist dagegen nur noch die Erkrankung an Depressionen. In dieser Weltsicht kann mann selbstverständlich weder in die Klimabewegung von Fridays For Future – die machen ja überhaupt nichts kaputt – noch in Demokrat*inn*en-Demos mitgehen. Denn da sind massenhaft Leute dabei, die die Welt ganz anders sehen.

Bündnisse mit Andersdenkenden? Wo gibts denn sowas?

Am Ende wird gar der Faschismus als endgültige Entlarvung des Bösen verhindert … In Wirklichkeit ist das alles bestellt, bezahlt, ferngesteuert etc. Die Wurzel dieses Übels ist demzufolge aktuell Correctiv, das erstens das alles mit – längst bekannten Tatsachen – inszeniert hat. Und zweitens von (reichen) Anderen Geld nimmt, und nicht wenig. Ja, ist es denn möglich?

An dieser Stelle ist mal wieder Zeit für ein persönliches Geständnis. Auch ich nehme Geld. Zunächst nahm ich es von meinen Eltern. Und die hatten es von der Ruhrkohle AG, später von der Knappschaft (Rente), die reiche Grossmutter (verstorben und vererbt) auch. Dann wurde ich Jungdemokrat. Die nahmen Geld vom Staat. Später, beim Liberalen Hochschulverband auch, da sogar Bargeld vom Inlandsgeheimdienst – alles nicht viel, aber zu viel zum sterben. Dann bezahlten mich die Vereinigten Deutschen Studentenschaften – die hatten das Geld von Mitgliedsbeiträgen der Allgemeinen Studentenausschüsse (AStA), und die hatten es aus den Semesterbeiträgen der Student*inn*en. Bei der Anti-Apartheid-Bewegung nahmen wir Ende der 70er Jahre Geld von der UNO, der Organisation für afrikanische Einheit (OAU, heute AU), der Evangelischen Frauenarbeit, Vors. damals Andreas’ Zumachs Mutter Hildegard, und weitere Fördergremien der Evangelischen Kirche – und keineswegs “aus Moskau”, wie die damalige sozialliberale Bundesregierung wahrheitswidrig behauptete. 1987-90 arbeitete ich beim Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit – das bekam das meiste Geld aus der DDR. 1990 zahlte dann wieder der BRD, als MdL-Mitarbeiter. Ab 2006 dann die Stadt Bonn (Stadtratsfraktionsgeschäftsführung). Ständig nahm ich Geld – auch jetzt, als Rentner. Durch Verzicht auf ein Auto konnte ich mir sogar den Erwerb einer Wohnung leisten. Unfassbar, oder? Nur als Systemknecht denkbar. Ich gestehe: bis heute bereue ich nichts davon.

Wie sauber und unabhängig kann also ein Medium arbeiten, das Geld von Reichen nimmt? Dä. Das müssen Sie dann als Leser*in, Hörer*in und Glotzer*in, zusammengefasst als Bürger*in, selbst entscheiden. Sollte ich verzichten, ein Medium zu betreiben, so lange die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus nicht beseitigt sind? Ich entscheide mich für Nein. Ich spreche mich für die Ausnutzung der Widersprüche einer bürgerlich-demokratischen Gesellschaft zugunsten des Vorantreibens der Emanzipation (= Befreiung von Abhängigkeit) der Bevölkerungsmehrheit aus.

Wenn Correctiv das auch tut, bin ich dafür.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net