Der 3. Mai ist der „Internationale Tag der Pressefreiheit. Bei diesem Anlass wird jährlich auf die grundlegende Bedeutung einer freien Berichterstattung und auf die vielen Verletzungen der Pressefreiheit aufmerksam machen. Der Welttag will zum Schutz der Pressefreiheit aufrufen, Verletzungen anprangern und jener Journalist/innen gedenken, die aufgrund ihrer Tätigkeit verfolgt, verhaftet oder gar ermordet wurden. Das Datum des Gedenktages wurde in Erinnerung an die Konferenz von Windhoek gewählt, in der am 3. Mai 1991 afrikanische Journalist/innen freie, unabhängige und pluralistische Medien auf dem afrikanischen Kontinent forderten

Der Aktionstag wurde von der UNESCO initiiert und 1993 von der UN-Generalversammlung beschlossen. Organisationen von Medienschaffenden nutzen den Tag, um auf Willkür- und Gewaltmaßnahmen gegen Journalist/innen und auf die Unterdrückung und Fremdbestimmung der Medien hinzuweisen. Die UNESCO verleiht an diesem Tag den Guillermo Cano World Press Freedom Price in Gedenken an den 1986 in Bogota ermordeten Journalisten. Wahlgremium ist eine aus 14 professionellen Journalisten bestehende unabhängige Jury.

Die UNESCO nimmt für sich in Anspruch, für die Vereinten Nationen weltweit für den Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit zuständig zu sein und sich für die Sicherheit der Journalist/innen einzusetzen. So prangert sie die Verfolgung und Ermordung von Journalist/innen an und bemüht sich um die Aufklärung solcher Verbrechen. Weniger als 10 % der Gewalttaten werden aufgeklärt. Bemerkenswert ist, dass Auslandskorrespondenten relativ selten betroffen sind. Zumeist geht es um Lokaljournalisten, die illegale Aktivitäten aufdecken. 

Vor diesem Hintergrund hat die UNESCO gemeinsam mit anderen Organisationen 2012 einen ‘Aktionsplan zur Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten und zur Frage der Straflosigkeit’ gestartet. In der Strategie wird dazu aufgerufen,

# Gesetzgebungsverfahren zu unterstützen, die Meinungs- und Informationsfreiheit zu schützen und die freie Arbeit von Journalistinnen und Journalisten zu garantieren,

  • # den Bürgerinnen und Bürgern die negativen Auswirkungen zu verdeutlichen, die eine Einschränkung der Pressefreiheit mit sich bringt,
  • # journalistische Aus- und Fortbildungskurse zum Thema Sicherheit und Versicherungsschutz auszurichten,
  • # Notfallpläne zu entwerfen, die Journalistinnen und Journalisten in akuten Gefahrensituationen Hilfe leisten,
  • # die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten in Konfliktländern und -regionen zu stärken,
  • # eine angemessene Entlohnung freischaffender Journalistinnen und Journalisten zu erreichen,
  • # angesichts der Zunahme von Straftaten den Schutz von Journalist/innen zu verbessern.

In diesem Jahr lief der Tag der Pressefreiheit unter dem (überraschenden) Motto „Journalismus unter digitaler Belagerung“. Diesmal stehen die Auswirkungen des digitalen Zeitalters im Mittelpunkt der Aktivitäten. Tatsächlich wird die Pressefreiheit an vielen Punkten durch die technologische Entwicklung bedroht, gefährdet und unterdrückt. Neue Gefahren für Meinungsfreiheit und -vielfalt liegen im erschwerten Zugang zu Informationen, in illegaler Überwachung der Medienschaffenden, im Datenschutz, im Hacking und in den Gefahren, die von den Sozialen Medien ausgehen. Gerade junge Leute zeigen heute wenig Interesse für herkömmliche Medien und informieren sich zunehmend aus Videoportalen und Blogs. Dort wird oft ohne Anspruch auf Fairness und Wahrheit berichtet, und Fake news, Hass und Hetze, Desinformation und Cyberangriffe finden dort ihren Platz.

Aus Anlass des Gedenktages hat die EU-Kommission ihr Engagement für die Förderung der Medienfreiheit und -vielfalt unterstrichen und ein Medienfreiheitsgesetz sowie eine ‘Richtlinie zur Bekämpfung missbräuchlicher Klagen gegen Journalisten“ verabschiedet. Gemeint sind sogenannte Slapp-Klagen, die sich gegen öffentliche Kritik an Unternehmen und deren wirtschaftlicher Betätigung richten. Vielfach sind sie rechtsmissbräuchlich. Kriti­ker/innen sollen durch solche strategischen Klagen und die damit verbundenen Anwalts- und Gerichtskosten sowie horrende Schadensersatzforderungen eingeschüchtert und mundtot gemacht werden. Die EU-Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, die Vorschriften so schnell wie möglich umzusetzen.3) 

2009 wurde von 48 Herausgebern und führenden Journalist/innen aus neunzehn europäischen Ländern die Europäische Charta für  Pressefreiheit vorgelegt. Diese nicht bindende Leitlinie fordert z. B. das Verbot der Zensur, freien Zugang zu nationalen und internationalen Informationsquellen, das Verbot von Überwachung, Bespitzelung und Durchsuchungen und die Freiheit der Informationssammlung und -verbreitung. Ziel ist es, dass alle EU-Staaten die Charta als verbindlich anerkennen.

Wenn die Pressefreiheit so konsequent gewährleistet würde, wie es in internationalen Konventionen vorgegeben ist, brauchte man sich keine Sorgen zu machen. Hier ein paar wichtige Beispiele:

Art. 5 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und  zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Art. 11 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung“ und das Recht, „über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen … zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“

Art. 11,1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, identisch mit Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention: „Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet.“

Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN: „Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten zu vertreten sowie Informationen und Ideen mit allen Kommunikationsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“

Die Idee der Meinungs- und Pressefreiheit entstand in der Zeit der Aufklärung. Zunächst wurde sie in England verwirklicht, wo 1695 die Zensur gesetzlich abgeschafft wurde. In den USA wurde sie im Zuge der Revolution 1776 zu einem Grundrecht, durch die französische Revolution auch in Europa. Ein erstes Signal war 1789 die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte durch die französische Nationalversammlung. Einige europäische Staaten garantierten die Meinungs- und Pressefreiheit schon früh und dauerhaft, andere durchliefen Phasen, in denen die Medien kontrolliert und gelenkt oder als Propaganda- und Agitationsinstrument missbraucht wurden.

In Deutschland wurde die Pressefreiheit 1815 auf dem Wiener Kongress vereinbart, der die Deutsche Bundesakte beschloss und damit den Deutschen Bund begründete. Allerdings erfolgte bereits 1819 im Rahmen der Karlsbader Beschlüsse (des Deutschen Bundes) die Wiedereinführung der Zensur. Die Paulskirchenversammlung forderte 1848/49 eine vollständige Pressefreiheit. 1854 gab es dann ein Bundesgesetz, das die Pressefreiheit unter bestimmten Vorgaben etablierte. 1874 wurde im Kaiserreich die Pressefreiheit einheitlich gesetzlich geregelt, allerdings 1878 wieder eingeschränkt.

Heute ist das Pressewesen in Deutschland Ländersache, daher gibt es in jedem Bundesland ein Landespressegesetz. Die grundlegenden Regelungen stimmen in all diesen Gesetzen überein. Sie gewährleisten vor allem die Rechte und Privilegien der Medien(schaffenden) und listen deren Pflichten auf. Dazu gehören vor allem die publizistische Sorgfaltspflicht, die Nennung der Verantwortlichen, die Kenntlichmachung von Anzeigen, die Gegendarstellungsmöglichkeit und die Haftung für die Verbreitung der Medien.

In Deutschland gibt es neben der (äußeren) Pressefreiheit auch den Begriff der inneren Pressefreiheit. Damit wird die Unabhängigkeit des einzelnen Medienschaffenden von inhaltlichen oder politischen Beschränkungen seiner Arbeit und Meinungsäußerung durch Vorgesetzte, Herausgeber, Verleger oder Eigentümer des Mediums gemeint, also die Freiheit im Innenverhältnis. Teilweise wird diese innere Pressefreiheit in Redaktionsstatuten, Tarifvereinbarungen oder vergleichbaren Regelungen     festgeschrieben, in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist sie unbestritten.

Auch in Deutschland gibt es Medienkonzentration und wirtschaftliche Medienmacht. Schon im Mai 1965 schrieb Paul Sethe, einer der fünf Gründungsherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: ‘Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.’ Im Zuge der Digitalisierung ist das Problem noch brisanter geworden. Auf ihren digitalen Plattformen bestimmen milliardenschwere Technologieunternehmer inernational über Nachrichten-, Meinungs- und Informationsschwerpunkte. Es bedarf keiner Erläuterung, um zu erkennen, dass dies die Arbeit der Journalist/innen erheblich beeinflusst. Immerhin gibt es in Deutschland eine staatliche Medien-Konzentrationskontrolle.

Pressefreiheit bedeutet auch, dass das Redaktionsgeheimnis gewahrt bleibt und dass Informanten geschützt werden. Daher enthält § 53 der Deutschen Strafprozessordnung ein Zeugnisverweigerungsrecht für Journalist/innen. Sie dürfen auch – ebenso wie Ärzte und Anwälte –  nur nach richterlicher Genehmigung abgehört werden (Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete sind noch stärker geschützt, sie dürfen keinesfalls abgehört werden). Eingriffe in die Pressefreiheit dürfen nur durch Gesetz erfolgen.

Von der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) wird jährlich eine Rangliste der Pressefreiheit veröffentlicht, um zu dokumentieren, wie sich die Meinungsvielfalt und die Freiheit der Berichterstattung in den beobachteten 180 Ländern darstellt, welche Entwicklungen stattgefunden haben und welche extremen Unterschied bestehen. Für die Rangliste werden weltweit Fragebogen ausgewertet, die von den Partnerorganisationen der ROG bereitgestellt werden. Beurteilungskriterien sind u.a. Pluralismus, Medienunabhängigkeit, Selbstzensur, Rechtsrahmen, Transparenz und Infrastruktur.

Reporters sans frontières“ wurde 1985 in Paris gegründet, seit 1994 gibt es eine (rechtlich unabhängige) deutsche Sektion mit Sitz in Berlin. Deren Jahresetat beträgt rund 5,5 Mio. €. Das Tätigkeitsfeld der Organisation ist breit gefächert. Sie recherchiert weltweit Verstöße gegen die Medienfreiheit, wertet sie aus und dokumentiert sie. Sie koordiniert internationale Kampagnen und Aktionen, setzt sich für mehr Sicherheit und Schutz von Journalist/innen ein und alarmiert die Öffentlichkeit, wenn Medienschaffende in Gefahr sind. Sie kämpft gegen jede Art von Zensur, gegen Überwachungstechnik und gegen restriktive Mediengesetze. Ein Nothilfereferat unterstützt verfolgte Journalist/innen und deren Familien, z.B. durch Übernahme von Anwaltskosten, medizinische Behandlung oder finanzielle Überbrückung.

Laut ROG-Bericht vom 3. Mai 2024 hat sich die Lage der Pressefreiheit weltweit verschlechtert. Genannt werden mehr Übergriffe im Umfeld von Wahlen und eine Rekordzahl von Ländern mit katastrophalen Bedingungen für Medienschaffende. Der Analyse zufolge befanden sich im Vorjahr 36 Staaten in der schlechtesten Wertungskategorie, so viele wie seit zehn Jahren nicht mehr. Besonders vor und nach Wahlen und Abstimmungen sind Journalist/innen gefährdet. Dann kommt es zu Beleidigungen, Gewalt und Festnahmen.

Das erste Opfer im Krieg ist erfahrungsgemäß die Wahrheit. Zu den weiteren Opfern zählen zunehmend Journalist/innen. Sie sterben nicht nur durch kriegerische Aktivitäten, sondern werden auch gezielt getötet, wenn ihre Berichte verhindert werden sollen. Derzeit sterben die meisten im Gaza-Streifen, bisher mehr als 100, davon 22 bei Ausübung ihrer Arbeit. Laut ROG versucht Israel, eine unabhängige Berichterstattung aus Gaza zu verhindern. Mehr als 30 Medienschaffende wären inhaftiert worden.

Einem Bericht des ‘Komitees zum Schutz der Journalisten’ zufolge wurden im Jahr 2023 ;weltweit knapp 100 Journalist/innen getötet, mehr als drei Viertel starben im Krieg in Gaza. Auch Medienschaffende in Mexiko, Somalia, der Ukraine und den Philippinen müssen besonders um ihr Leben fürchten. In Mexiko, einem der gefährlichsten Staaten, und der Ukraine starben 2023 jeweils dreizehn Journalisten.

In der Rangliste der Pressefreiheit von 2024 liegen unverändert die nordeuropäischen Staaten vorn, Norwegen gefolgt von Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Finnland. Die folgenden vorderen Plätze werden im wesentlichen von europäischen Staaten belegt. Positiv zu erwähnen sind Jamaika (Platz 24) und Trinidad &Tobago (25). Die USA (55), Japan (70), Ukraine (61) liegen im Mittelfeld. Etwas überraschend sind die schlechten Ränge von Israel (101), Singapur (126), Jordanien (132), Pakistan (152) und Indien (159).

Die hinteren Plätze belegen Eritrea, Syrien, Afghanistan, Nordkorea und der Iran. Nicht gerade überraschend ist, dass wir dort auch Nicaragua (163), Venezuela (156), die Türkei (158), Ägypten (170), Myanmar (171), Saudi-Arabien (166), Belarus (167), Kuba (168), China (172) und den Irak (169) finden. Der Sudan liegt auf Platz 149, der Südsudan hingegen auf 136.

In manchen Krisenstaaten ist kaum noch eine freie Berichterstattung möglich, vor allem aufgrund despotischer Regierungen oder kriegerischer Konflikte. Das gilt beispielsweise für Afghanistan (Platz 178), Myanmar (Platz 171) oder Jemen (Platz 154). Die Zahl der Einschränkungen, Einschüchterungen und Verhaftungen hat weltweit 2023 einen Höchststand erreicht. Besonders rigoros gehen Hongkong (Platz 135), China (Platz 172) und der Iran vor (Platz 176). Im April waren mehr als 500 Journalist/innen inhaftiert. Russland (Platz 162) versucht seit dem Krieg gegen die Ukraine, kritischen Journalismus durch Verbote, Verhaftungen, Geldstrafen und „Spezialgesetze“ zum Schweigen zu bringen. Kritische und ehrliche Berichte über den Konflikt werden hart verfolgt.

Deutschland hat sich im aktuellen Ranking von Platz 21 auf Platz 10 verbessert. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Einerseits verschlechterte sich die Situation der Pressefreiheit in anderen Ländern drastisch, so dass sie Plätze verloren.. Andererseits ist die Gewalt gegen Medienschaffende bei Demonstrationen, vor allem durch Querdenker und Gleichgesinnte anlässlich der Corona-Pandemie, zurückgegangen. Die Organisation dokumentierte 41 Angriffe auf Medienschaffende und Redaktionen (im Vorjahr 103). 

Pressefreiheit gehört zu den Grundrechten (BPB) des Menschen bzw. der Gesellschaft. Unabhängige und freie Medien (Zeitungen, Bücher, Rundfunk, Fernsehen, Internet) werden in demokratischen Ländern als Selbstverständlichkeit erwartet. Sie sollen die Öffentlichkeit unabhängig und zutreffend informieren, Missstände aufgreifen und durch eine vielfältige Berichterstattung zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Pressefreiheit ist insofern auch eine Voraussetzungen dafür, sein Wahlrecht verantwortungsvoll wahrzunehmen. Wirtschaftliche oder politische Beeinflussung oder Abhängigkeit sind damit nicht vereinbar. 

Pressefreiheit hat eine unternehmerische und eine publizistische Dimension, nämlich einerseits das Recht, Medienunternehmen zu gründen und zu betreiben, und andererseits die Freiheit, Informationen zu vertreten und zu verbreiten. Medien sind daher – zumindest in demokratischen Staaten – ein Wirtschaftsgut und ein Kulturgut. Die EU-Mitglieder und einige andere europäische Länder bilden heute den Raum mit dem höchsten Standard an Medienfreiheit.

Informationen sind oft ein Anstoß zu Veränderungen, daher versuchen autoritäre Regierungen, eine freie Berichterstattung zu verhindern. Wenn Medien nicht unabhängig über Unrecht, Machtmissbrauch und Korruption berichten dürfen, findet keine öffentliche Kontrolle statt. Wahrscheinlich werden in solchen Ländern auch andere Menschenrechte verletzt. Insofern ist Pressefreiheit stets ein zuverlässiger Indikator für Freiheit und Menschenrechte. Die Verfolgung von Journalist/innen belegt die Bedeutung einer freien Presse.

Zur Pressefreiheit gehört auch eine repressionsfreie Zusammenarbeit mit Whistleblowern. 2019 hat die EU eine Richtlinie über Schutz und Rechte von Hinweisge­ber/innen (Whistleblowern) verabschiedet. Der Koalitionsvertrag von 2021 verspricht, diese Richtlinie rechtssicher und praktikabel umzusetzen. Whistleblower/innen sollen nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt werden, sondern auch bei der Aufdeckung anderer erheblicher Verstöße, die im besonde­ren öffentlichen Interesse liegt. Dazu soll die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen we­gen Repressalien gegen den Schädiger verbessert werden.

Natürlich hat die Pressefreiheit Grenzen, genauso wie die Meinungsfreiheit. Beide sind an Pflichten und Verantwortung gebunden. Nicht ohne Grund gibt es sogar Journalismus-Ethikkodizes. So ist es nachvollziehbar, dass Hörfunk- und Fernsehprogramme einer Genehmigung bedürfen. Allerdings lässt die Art und Weise, wie die Einschränkungen erfolgen, Rückschlüsse auf das politische System zu. In einem Rechtsstaat können – wie in Deutschland geschehen – auch höchstrichterliche Urteile zur Stärkung der Pressefreiheit beitragen. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte legitimierten investigative Maßnahmen bei Beiträgen von hohem öffentlichen Interesse.

Angesichts der konstruktiven Wirkungen der Pressefreiheit überrascht es nicht, dass sie in vielen Staaten eingeschränkt oder gar ausgehebelt wird – nicht nur in autoritären  Staaten, sondern auch in Demokratien. Ungarn und die Türkei sind, Polen war ein Beispiel. Die Vielfalt an Maßnahmen, wie Medienschaffenden die Arbeit erschwert oder gar unmöglich gemacht wird, ist groß:

So kann die Pressefreiheit schon durch kleine Schikanen eingeschränkt werden, z.B. durch eine zu geringe Zahl von zugelassenen Journalisten bei Gerichtsverfahren oder das Verbot, dort Laptops zu verwenden. Oder es werden den Medienschaffenden bestimmte Rechte verwehrt, die in anderen Staaten üblich sind: Informantenschutz, Zeugnisverweigerungsrecht, Schutz vor Abhörmaßnahmen. Statt dessen werden Journalist/innen kontrolliert und überwacht, ihre Beiträge werden zensiert, im Grenzfall werden sie ohne Gerichtsverfahren inhaftiert, verleumdet, verfolgt, misshandelt, entführt, ins Ausland vertrieben oder gar getötet.

Oftmals richten sich die repressiven staatlichen Maßnahmen nicht (nur) gegen Journalist/innen, sondern gegen die Verlage. Das beginnt mit der gekürzter Zuteilung von Druckpapier und mit der Verweigerung oder dem Entzug von Lizenzen und führt über den Boykott bei staatlichen Annoncen und Pressekonferenzen bis zur erzwungenen Medienkonzentration und zu staatlichen Monopolen im Medienbereich. Der Anteil ausländischer Eigentümer wird begrenzt. Unliebsame Verlage werden zu ausländischen Agenten erklärt, dementsprechend diskriminiert und gegebenenfalls sogar unter Zwangsverwaltung gestellt. 

Manchmal braucht man gar nicht den Staat, um die Pressefreiheit einzuengen. Vor allem wenn die Medien in der Hand von großen Konzernen mit wirtschaftlichen Eigeninteressen und politischer Einfluss- oder Rücksichtnahme liegen. Beispiele dafür sind Italien, Frankreich, Griechenland und die Türkei. Wenn Journalist/innen Korruption oder andere Missstände aufdecken wollen, setzen die betroffenen Unternehmen gern ihre Macht und ihre Beziehungen ein. Zum Beispiel erklären sie dann relevante Informationen zu Geschäftsgeheimnissen und beziehen sie damit auf die Schutzfunktion einer entsprechenden EU-Richtlinie.

Die Häufigkeit von weltweiten Einschränkungen und Behinderungen der Pressefreiheit belegt eindeutig, wie notwendig ein ‘Tag der Pressefreiheit’, die Aktivitäten und Dokumentationen der Reporter ohne Grenzen, internationale Konventionen zum Schutz von Meinungs- und Pressefreiheit und die Bemühungen der UNESCO und anderer Institutionen auf diesem Feld sind. Es ist zu befürchten, dass der Kampf um Pressefreiheit noch lange dauern wird.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.