mit Update nachmittags

Freund*inn*e*n fragen mich, warum ich in den letzten Jahren so wenig in Urlaub verreise. Zum einen hat mein Erholungsbedarf stark abgenommen; die Abnahme meines Monatseinkommens wird dadurch mehr als aufgewogen. Durch “Urlaub im Rheinland” hatte ich schon in meiner berufstätigen Zeit festgestellt, dass es nur sehr wenige bessere Orte auf der Welt gibt. Wenn Götz Eisenberg politisch Lesenswertes zum neuentfachten “Einsamkeits”-Diskurs veröffentlicht, kann ich als Beueler versichern: not my bizzyness.

Meine bevorzugten Urlaubsdestinationen lagen immer am Mittelmeer, wenig Spanien, viel Italien und Griechenland. Mittlerweile ist mir dort überall zu heiss. Schlimmer als das: Susanne Aigner/telepolis: Urlaub am Mittelmeer: Wenn Touristenziele zu Katastrophengebieten werden – Dürren, Waldbrände, vermüllte Strände, Ungeziefer – welche Ferienziele in Südeuropa sind noch empfehlenswert – und welche Art von Tourismus hat Zukunft?”

Die Gastwirtsfamilie meines Beueler Stammlokals l’Olivo bedaure ich mehr, als ich sie beneide. In jedem Sommer reisen sie zur Familie nach Catania/Sizilien. Die dort herrschende Hitze plus Wassermangel könnte ich kaum gesund überleben.

Da lobe ich mir mein Sofa, auf dem ich in kühl durchlüfteter Wohnung “Die Durrells auf Korfu”, verfügbar bis 30.9., geniesse. Die Zeit, in der ihre Geschichte angesiedelt ist, war viel schlechter als heute – aber das Wasser der Adria war sauberer und es hatte Fische.

In der Türkei sind noch Betten frei, weil die Türk*inn*en sie sich nicht mehr leisten können. Jürgen Gottschlich/taz: Preisgefälle im Tourismus: Türkei zu teuer für Türken – Die Türkei ist kein Billig-Reiseland. Grund dafür ist die anhaltende Inflation. Mit Express-Visa reisen viele lieber zu griechischen Inseln.” Das dürfte der tiefere Grund für Erdogans Wahlniederlage bei den jüngsten Kommunalwahlen gewesen sein.

E-Scooter sind noch nicht das Ende

Nicht selten stehen sie auch auf dem Rheindeich im Weg. Tagsüber rücke ich sie bisweilen selbst an verkehrssicheren Wegesrand, denn in abendlicher Dunkelheit wäre ich auf dem Fahrrad selbst in Gefahr mit solcherart Hindernissen zu kollidieren.

Dass gelegentlich “autonome” Teslas Menschen totfahren … tja, Autos sind eine gefährliche Waffe, egal mit welchem Antrieb. Aber jetzt fahren auch die Rollkoffer! Oliver Bünte/heise: Fahrbare elektrische Koffer werden in Japan zum Problem – In Asien sind fahrende Elektro-Koffer beliebt. Für Japan wird das zum Problem, denn sie werden dort oft illegal gefahren.” Da will ich nicht dazwischensein.

Schwarze deutsche Superstar-Basketballerin

Die wenigsten weissen Deutschen werden sie kennen: Satou Sabally. Vielleicht wird sie jetzt mehr bemerkt beim TV-Glotzen der Olümpischen Spiele. Der FAZ gab sie ein Interview, das diese flugs digital eingemauert hat. Für sie ist “Olympia das Höchste”. Als Kind habe sie davon geträumt, jetzt kommen “die besten Spielerinnen aus den stärksten Ländern zusammen … Das ist schön.” Ihr persönliches Idol war Usain Bolt. Geboren ist Sabally, Kind deutsch-gambischer Eltern, in New York. Sie braucht darum kein US-Visum, hätte auch für die USA spielen können. Dort ist sie auch aufs College gegangen. Aber aufgewachsen und Basketball gelernt habe sie in Deutschland. “Neben meinen gambischen Wurzeln bin ich stolz auf meine deutschen.”

Wehren gegen Hass

Sabally erlebt “sexualisierte Hatespeech”, weil sie Black Lives Matter unterstütze. Dann sei sie “auch noch muslimisch”. Sie gehöre “zu dem Teil der Deutschen, der sich unmittelbar durch das neue Wachstum der AfD verunsichert fühlen” müsse. “Unsere Geschichte” dürfe “niemals wiederholt werden”. Es gebe in Deutschland “schwarze Menschen, schwarze Vorbilder, die sich für ihr Land einsetzen und es stolz machen wollen”. Saballys hier ausgedrücktes Selbstbewusstsein ist eine direkte Antwort auf die rassistische Hetze gegen das DFB-Team bei der letzten EM. Strafanzeigen stellt sie nicht: “Es sind viel zu viele.”

Wenn solche Frauen einem ehemaligen US-Präsidenten Angst machen, sind wir einen grossen Schritt weiter. Aber kein Grund für Illusionen.

Deutschlands beste Basketballerin fordert: “Investiert in Frauen!” Sie kritisiert, dass die Sportwissenschaft erst jetzt rausfinde, “dass Frauen nach ihren Zyklen trainieren sollten? Wir fliegen zum Mond, aber wir wissen nicht, wie wir Frauen zu ihren besten Leistungen bringen?”

Wir haben 2024.

Update nachmittags

Neokolonialismus

Der ist immer Mist, egal von wem. Tote, Verkrüppelte, Versklavte, Traumatisierte. Bernhard Schmid/Jungle World weiss davon: Russland verstärkt seine militärische Präsenz in Mali, Burkina Faso und Niger: Die Juntas brauchen Söldner – Trotz Rückschlägen im Kampf gegen islamistische und separatistische Milizen vertiefen die Militärregierungen in Mali, Burkina Faso und Niger die Zusammenarbeit mit Russland sowie mit dessen Militär und Söldnergruppen.”

Der grösste Sprengsatz der Welt, der das Potenzial hat, die US-Wahlen entscheidend zu beeinflussen, wird von Marcus Schneider/IPG-Journal identifiziert: Angst vor der völligen Eskalation – Schon lange spitzt sich der Konflikt zwischen Israel und seinen Gegnern zu. Die Tötung von Hamas-Chef Haniyeh könnte die Region in den Abgrund reißen.” Ein besonders weiser Satz des Autors: “Es bedeutet aber, dass eine Strategie, die den militärischen Kampf absolut setzt und das Politische außer Acht lässt, in ihnen Instinkte weckt, die eine weitere Eskalation befeuern.” Wer sagt es Scholz und Pistorius?

Die konservierende Kraft von KI/AI

Roland Benedikter hat bei telepolis einen bedenkenswerten Dreiteiler abgeliefert: Künstliche Intelligenz und Kultur – Wird KI zum Weg in die gleichgültige Gesellschaft?” Seine Beispiele illustrieren: Antreiber ist das Kapital und seine Interessen. Dem haben demokratische Politik und Zivilgesellschaft derzeit wenig entgegenzusetzen. Kunst mag verdächtig sein, das zu können. Materielle Beweise dafür stehen aus. Im Gegenteil. Wenn Benedikter am Schluss schreibt “Die kulturelle Veränderung durch KI bedarf größerer Aufmerksamkeit, Zuwendung und Vorbereitung vonseiten aller Ebenen der Gesellschaft, einschliesslich kulturell Verantwortlicher und staatlicher Akteure, nicht nur der Pop- und Jugendkulturen.”, dann muss ich sarkastisch bis zynisch auflachen. Denn wenn jemand ahnungslos über diese technologischen gesellschaftsumwälzenden Prozesse ist, dann die Regierung (+ die noch banausigeren Länderregierungen), Parteien, ihre Fraktionen und Führungen. Die Lobbyist*inn*en der KI-Konzerne sind fast schon gelangweilt, weil das Spiel mit diesen Figuren so unterfordernd einfach ist.

Was wir in Kürze bekommen können, wenn die US-amerikanischen Wähler*innen keinen Widerstand leisten, das beschreibt Jon D. Michaels/Foreign Affairs/Blätter: Trumps tiefer Staat – Wie das »Project 2025« den autoritären Umbau plant”. Dem werden die IT-Konzerne keinen Widerstand leisten – sie freuen sich drauf. Und üben schon bei Olümpia.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net