Christoph Butterwegge gelingt mit „Umverteilung des Reichtums“ eine Art Handbuch zur sozialökonomischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland seit 1949. Gut lesbar beschreibt und analysiert er maßgebliche gesellschaftliche Strukturen sowie die wesentlichen politischen Entscheidungen nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten als prägende Prozesse, die zur aktuellen sozialen Ungleichheit in unserem Land geführt haben.
Dabei geht es dem Autor weniger um das erreichte Ausmaß, die konkreten Erscheinungsformen oder die negativen Folgewirkungen dieser sozialen Ungleichheit. Die Leserinnen und Leser erfahren vielmehr, warum sozial-ökonomische Ungleichheit existiert und weshalb sie wächst. Zudem umreißt der Autor, mit welchen Mitteln erfolgversprechend das Umverteilen des Reichtums eingeleitet werden kann und welche Maßnahmen und Vorschläge eher kritisch bewertet werden müssen.
Eine zentrale These von Christoph Butterwegge lautet: Wolle man vermitteln, was der sozioökonomischen Ungleichheit entgegenwirke, müsse analysiert werden, worin ihre starke Zunahme in jüngster Zeit begründet liegt und wer ihre vorrangigen Nutznießer sind. Nur wer die Entstehungsgründe eines gesellschaftlichen Strukturproblems wie der sich vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich kenne, könne es an den Wurzeln packen und Maßnahmen zur Lösung einbringen.
Christoph Butterwegge benennt drei Ursachenbündel, die durch (Fehl-)Entscheidungen von Parlament und Regierung zur sozialen Polarisierung geführt hätten: die Deregulierung des Arbeitsmarktes, die Demontage des Sozialstaates und die Deformation des Steuersystems. Zudem seien in letzter Zeit die Covid-19-Pandemie, die Explosion der Energiepreise aufgrund des Ukrainekrieges und die durch beide Krisenphänomene ausgelöste Inflation als zusätzliche Verstärker der Ungleichheit wirksam geworden. Schließlich hätten soziokulturelle, intellektuelle und politisch-ideologische Rahmenbedingungen für den gesellschaftlichen Polarisierungsprozess eine Schlüsselrolle eingenommen. Dazu zählt der Autor die Art und Weise, wie die wachsende Ungleichheit unter dem Einfluss des Neoliberalismus im öffentlichen, politischen und Mediendiskurs, und darüber hinaus auch gegenüber den von Armut betroffenen oder bedrohten Personengruppen legitimiert werde.
Im Schlussteil von „Umverteilung des Reichtums“ setzt sich Christoph Butterwegge differenziert mit den Chancen und Grenzen von Maßnahmen auseinander, deren Umsetzen soziale Gerechtigkeit versprechen. Dabei wird deutlich, dass maßgebliche Gruppen in Politik und Medien es weitgehend geschafft haben, soziale Ungleichheit vorrangig als Ergebnis individuellen Versagens in den Köpfen vieler Menschen zu verankern. Das erleichtert es nicht, die vorliegende und überzeugende Analyse als Ausgangspunkt für politisches Handeln hin zur Überwindung der aktuellen Gegebenheiten zu nutzen. Offen bleibt bei alledem die Frage: Kann soziale Gerechtigkeit in den vorliegenden wirtschaftlichen Strukturen erreicht werden oder brauchen wir dafür ein anderes System?
Christoph Butterwegge, Umverteilung des Reichtums. PapyRossa Verlag 2024, 223 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 978-3-89438-831-7
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