Für Donald Trump interessiere ich mich schon lange nicht mehr. Bzw. genauer: für seine reichhalting verbreiteten Sprechblasen und Medienauftritte. Taten dagegen, vor allem im Präsidentenamt, sind natürlich wichtig. Aber die gibt es ja derzeit zum Glück überhaupt nicht. Darum bin ich vorletzte Nacht nicht aufgeblieben, noch gar aufgestanden – wie ich es einst noch für Muhammad Ali getan habe. Und mir ist völlig der in den asozialen Medien karussellfahrende Irrsinn entgangen, über den Florian Rötzer/overton berichtet:

Von Katzen, Hunden, Enten und Donald Trump – Sogar im TV-Duell mit Kamala Harris verbreitete Trump die Geschichte von Einwanderern aus Haiti, die Katzen und andere Haustiere essen sollen. Anlass für zahllose KI-generierte Bilder über den Tierretter Trump.” Chapeau Mr. Trump, vielleicht haben Sie also das TV-Duell doch gewonnen.

Denn es ist ein Irrtum Linker, Liberaler und anderer bürgerlicher Demokrat*inn*en, dass es auf Stringenz und Kontingenz inhaltlicher Programme und Argumente ankommt. Es kommt darauf an, aufzufallen und in Erinnerung zu bleiben. Womit, ist zweitrangig.

Schon als Schülerfunktionär der Jungdemokraten in den 70ern habe ich gelernt, und auch schnell als Seminarreferent, später auch als Tutor an der Uni Bonn (bei Klaus Günther, einem der damals sehr wenigen ernstzunehmenden Politikdozenten an der Uni Bonn) weitergelehrt: wer das Thema bestimmt (neudeutsch: “Agendasetting”), gewinnt. Damit sind die rechten Wahlerfolge schon erklärt. Fertig. Wer so schwach ist, wie die demokratischen Parteien und Medien in Deutschland oder Österreich, hechelt ihnen bewusstlos hinterher, und begreift den eigenen Niedergang gar nicht.

Ich weiss, es ist zwecklos, es hier erneut zu erklären. Ich mache es trotzdem für mein eigenes Wohlbefinden. Die Mehrheit der Menschen interessiert sich nicht für Politik, hält auch nichts von ihr und den darüber breit berichtenden Medien, weil “die da oben” sich ja sowieso nicht für meine Probleme interessieren. Das ist zwar einerseits richtig im neoliberalen Kapitalismus – andererseits aber bar jeder materialistischen Analyse. Für “die da oben” werden die gehalten, die frau*mann mehr in den Medien sieht, als gesund ist. Ohne materialistische Analyse ist der folgerichtige Reflex/Affekt: Respekt und Anerkennung denen, die diese Rollenspieler*innen irritieren, aufregen, aus dem Konzept bringen, aus der Rolle fallen oder anderweitig stolpern lassen. Ihn dagegen – nur mal als Beispiel – kennt keine*r.

Nach dem Rezept sind in den 80ern schon die damals noch systemkritischen Grünen Jutta Ditfurth und Rainer Trampert in den – noch nicht so genannten – TV-Talkshows vorgegangen, und Helmut Kohls klügere Berater*innen sorgten dafür, dass er dort nicht mehr hingeht. Er hätte sie womöglich eigenhändig verprügelt, wie später den Eierwerfer von Halle (1991).

Mittelmässige Kabarettist*inn*en oder gar “Comedians”, deren Namen hier zu nennen zuviel der Ehre wäre, gehen so vor: Hauptsache Auf- und Erregung, Inhalt egal. Je mehr darüber geschimpft, oder gar von etablierten Medien zensiert und gecancelt wird, umso voller die Hallen bei der nächsten Tournee. It’s the economy stupid.

Zum Spitzenkünstler dieser Disziplin Donald Trump schreibt Florian Rötzer völlig richtig: “Es sind Spielereien mit der KI und der politischen Wirklichkeit eines Ex-Präsidenten und erneuten Kandidaten, der gerne lügt und phantasiert und wahrscheinlich auch deswegen Unterhaltungswert hat, vielleicht auch deswegen gewählt wird.” Das “vielleicht” können Sie streichen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net