… und der Blutdruck steigt! Fortschritte der KI in der Medizin sind unübersehbar, wir in Europa haben – wie so oft – nichts davon, das sollte sich ändern lassen, die Weichen sind gestellt!

KI ist der Motor der Zukunft! Gerade der Wirtschaftszweig Gesundheit profitiert enorm, denn mittels sinkender Behandlungskosten durch KI-gestützte Systeme sind deutliche Einsparungen zugunsten der Lastenträger möglich. United Health, der weltweit größte Krankenversicherer setzt auf diese Modelle, denn für die Versicherungswirtschaft sind Behandlungen, die nicht stattfinden, der günstigste Versicherungsfall. Es entscheidet die KI, ob – vor allem bei älteren Menschen – das kostenintensive Urteil der Ärzte wirklich angemessen ist. Notwendig ist eine KI, deren Algorithmus so fein austariert ist, dass 90 Prozent der Ergebnisse einfach falsch sind, schreibt Arstechnica. United Health erklärt dazu: „… AI’s error rate is like a feature, not a bug” – also, das sei ein Feature, kein Fehler, wenn damit Gesundheitsleistungen verwehrt werden. Noch mehr als hier gilt in Nordamerika: Wer das Geld hat, zögert auch nicht mit der Macht.

Wer so groß ist, hat auch viele Opfer, äh, nein, Versicherungsnehmer, nicht Patienten, das klingt gleich so kostenintensiv. Bei Prämieneinnahmen von 226 Milliarden Dollar sollte genügend übrig sein, um eine ansehnliche Rendite zu verteilen. Gebraucht werden Top-Manager, die ganz ohne kulturelle oder moralische Hemmnisse die Wirtschaftlichkeit im Auge halten, medizinische Kenntnisse sind hinderlich für die Gesundheit der Quartalsbilanzen.

Kleine Missgeschicke fallen bei der Größe sowieso nicht ins Gewicht, wie zum Beispiel eine kaum nennenswerte Datenpanne von Change Healthcare im Februar. Es kamen lediglich Information von rund 100 Millionen Beitragszahlern in die Hände der Hackertruppe Blackcat, die auch unter ALPHV firmieren, Profis eben finden wir auf The Verge

Das Office of Civil Rights (OCR) des US-Gesundheitsministeriums nennt es die größte Datenschutzverletzung im Gesundheitswesen. Datenschutzverletzung? Welch ein Euphemismus. Was folgte ist bei uns Alltag, wir brauchen dazu keine Hacker: wochenlange Störungen bei der Bearbeitung von Rechnungen, Ansprüchen, Gehaltsabrechnungen und Rezepten. Das ist doch ein Dauerbrenner bei uns, täglich frisch, hier nur mal die Störungen beim eRezept Den Patzer hat CGM gesteuert (hatten wir schon, war die Beule am Hintern), die sind schon fast so weit.

Anthem Blue Cross Blue Shield, ein anderer, etwas kleinerer milliardenschwerer US-Versicherer hat – und das sei als gutes Zeichen gewertet – die Pläne zurückgezogen, die Anästhesie bei chirurgischen Eingriffen nur so lange zu erstatten, wie eine OP nach den Vorgaben des Centers for Medicare and Medicaid Service aufhalten darf. Erinnert mich an die Fallkostenpauschale bei uns – nur wollten die Nordamerikaner das strikter umsetzen. Wir sollten bei aller Häme nicht vergessen: die hätten die Narkose nicht beendet, sondern die Registrierkasse in den OP gerollt. Bei uns trägt den Verlust das Krankenhaus, wenn der Patient sich länger wehrt, als geplant. Dann wäre KI tatsächlich ein Fortschritt, wenn genug Daten (zum Beispiel aus der elektronischen Patientenakte ) zur Verfügung stehen, würde die KI vorhersehen, dass der besagte Patient zur quälenden Kostenfalle für das Krankenhaus wird. Wie die kaufmännische Entscheidung in diesem Fall ausfällt, ist nicht abschließend geklärt – noch nicht.

Brian Thompson, ehemaliger Top-Manager bei UnitedHealth, hat das Unternehmen jahrelang sehr erfolgreich geführt, er konnte von 2021 bis 2023 den Gewinn von 12 Milliarden auf 16 Milliarden Dollar steigern, sein Jahressalär von rund 10 Millionen Dollar fällt da nicht ins Gewicht – und eine Krankenversicherung hatte er, im Gegensatz zu rund 50 Millionen Nordamerikanern. Der durchschnittliche US-Amerikaner leistet sich eine Krankenversicherung nicht der Gesundheit wegen, es sind rein wirtschaftliche Gründe – oder anders, es ist die Angst vor dem finanziellen Ruin. Schnell sind nach einem Aufenthalt in einem der Spitäler fünf- bis sechsstellige Beträge fällig, die sich nur Milliardäre leisten können.

Die Beratertruppe von McKinsey empfahl denn auch: „From Good Hands to Boxing Gloves“, was bei UnitedHealth unter der Leitung von Brian Thompson zu deutlich höheren Gewinnen führte, denn die Ablehnungsquote von 32 Prozent war und ist einsame Spitze, vor allem durch den effizienten KI-Einsatz liegt sie auf gut der doppelten Höhe des Branchendurchschnitts.

Jede Ablehnung einer medizinisch notwendigen Behandlung trägt zur Gesundheit der Quartalsbilanzen bei, im günstigsten Fall muss der Versicherte gänzlich verzichten oder er zahlt das aus eigener Tasche – wenn er es sich leisten kann. Die Strategie von UnitedHealth – und auch anderer Versicherer – ruiniert mittlerweile eine große Anzahl von US-Bürgern, die nicht in der Lage sind, die Rechnungen für medizinische notwendige Eingriffe aufzubringen – wohlgemerkt, das sind die, die sich mit einer Versicherung absichern wollten, nicht die, die sowieso gar keine Versicherung haben.

So erhalten tagtäglich die Versicherten von ihren Versicherern automatisierte Schreiben, mit Worten wie „abgelehnt“, wenn das nicht zu verhindern ist, wird auf dem Verwaltungsweg „verzögert“, gern so lang, bis sich der Versicherungsfall einen halben Meter unter der Erde befindet und wer es schafft zu  widersprechen, der wird von der Armada der Versicherungsanwälte automatisiert gequält, die die Ablehnung im Namen des Versicherers verteidigen. Daraus ergeben sich die Worthülsen „deny“ (ablehnen), „delay“ (verzögern) und „defend“ (verteidigen), ein in den Staaten geflügeltes Wort, das seinen Niederschlag in einem eigenen Wikipedia-Eintrag findet.

Der erfolgreiche Top-Manager Brian Thompson war am 4. Dezember 2024 gut gelaunt um 6:45 Uhr mitten in Manhatten zum Hilton-Hotel in der Nähe des Rockefeller Center auf dem Weg zu einer Investorenkonferenz, konnte aber die neuen Zahlen nicht mehr selbst präsentieren, ihn trafen vorher mehrere Kugeln, deren Patronenhülsen mit den Worthülsen aus dem Versicherungsgeschäft verziert waren. Ein liebevolles Detail, von Luigi Mangione erdacht.

Luigi Mangione stammt aus einer reichen und bekannten Familie in Pennsylvania, war auf einer Eliteschule und besuchte die Universität. Er hatte wohl eine schmerzhafte Rücken-OP hinter sich und scheinbar genug Muße, um mit dem 3D-Drucker eine Geisterwaffe mit Schalldämpfer (so heißen die Knarren, weil sie keine Seriennummer haben) zu formen, die nachweislich voll funktionsfähig war.

In den Social-Media-Kanälen wurde nicht etwa Brian Thompson betrauert und der Mord geächtet, Luigi Mangione wurde als „The Adjuster“ gleich der „Der Schadensregulierer“ gefeiert. Ein Post kurz nach der Tat: „in einem zivilisierten Land wäre das nicht passiert, weil zivilisierte Länder grundlegende Menschenrechte nicht zur Ware machen.“ hatte innerhalb allerkürzester Zeit über 60.000 Likes und als Luigi ein paar Tage später bei McDonalds einer Festnahme nicht entgehen konnte, wurden die Mitarbeiter der Filiale großräumig als „Verräter“ und „Petzen“ geschmäht.

Bei ihm wurde ein mehrseitiges Manifest gefunden, welches die Polizei mit den Worten zusammenfasste, es sei eine „Böswilligkeit gegenüber der amerikanischen Wirtschaft“, das ist betrüblich, sehr betrüblich, wenn die Wirtschaft leidet.

Das muss gerächt werden, Luigi muss die erste vorgerichtliche Anhörung über sich ergehen lassen, Magistratsrichterin Katharine H. Parker erledigt das. Pikantes Detail, sie ist verheiratet mit einem ehemaligen Pfizer-Manager. Der Befangenheit sind Grenzen gesetzt, sie haben nur ein paar Aktien von Unternehmen aus dem Gesundheitswesen und der Pharmaindustrie, Hunderttausende von Dollar, wird berichtet „Die Verbindungen des Richters zur Gesundheitsbranche sind ein deutlicher Hinweis darauf, wie sehr die gewinnorientierte Industrie das amerikanische Leben durchdringt – ein Hinweis, den Mangione selbst gegeben hat.“ lesen wir bei Ken Klippenstein

Selbst der scheidende US-Präsident findet es befremdlich, dass zum Beispiel die Preise für Medikamente im Schnitt 278 Prozent (nein, kein Tippfehler) höher sind, als in anderen wohlhabenden Ländern, wie die Pharmazeutische Zeitung aufzeigt. Er rechnet mit Einsparungen von rund 200 Milliarden US-Dollar, wenn die staatliche Medicare die Preise aushandeln darf.

Und wir? Wir haben Lauterbach als Brandbeschleuniger für das – wie er anerkennend sagt – teuerste und ineffizientes Gesundheitssystem. Wie KI funktionieren muss, hat er in Nordamerika gelernt.

Wenn ich nur wüsste, was nach ihm kommt.

Kennt sich hier jemand mit 3D-Druckern aus? Ich frage nur schon vorsorglich …

Über Christian Wolf:

Christian Wolf (M.A.) ist Autor, Filmschaffender, Medienberater, ext. Datenschutzbeauftragter. Geisteswissenschaftliches Studium (Publizistik, Kulturanthropologie, Geographie), freie Tätigkeiten Fernsehen (RTL, WDR etc.) mit Abstechern in Krisengebiete, Bundestag Bonn und Berlin, Dozent DW Berlin (FS), Industriefilme (Würth, Aral u.v.m), wissenschaftliche und künstlerische Filmprojekte, Projekte zur Netzwerksicherheit, Cloudlösungen. Keine Internetpräsenz, ein Bug? Nein, Feature. (Digtalpurist)