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Berlin

#metoo ist dort nicht besonderer als anderswo auf der Welt

Immer wenn ich denke, was ich über Berlin denke, seien Vorurteile, werden sie aufs Neue bestätigt. In den 70ern bei den Jungdemokraten war uns in NRW schon klar, dass die sich bis auf die Zähne “linksradikal” gebenden Westberliner mental durch das Eingemauertsein schwerbeschädigt sind. Jetzt ist die Mauer schon 35 Jahre weg, und es ist immer noch nicht wieder gut. Im Gegenteil. In einer sich immer wieder selbsreferentiell gegenseitig befruchtenden Medienblase, hunderte Kilometer weg von der Mehrheit der Republik und ihrer Wirklichkeit, wird es immer schlimmer. Besonders abstrus: sie halten sich nicht nur national, sondern weltweit für bedeutend und massstabsetzend. Was für ein Irrtum.

Wie kommichdrauf? Ein Mann in der FAZ, was sonst, meint, “Eine Feministin tut der Sache der Frauen einen Tort an.” Realsatire. Selbstverständlich kennt er die vorgebliche Feministin so wenig wie ich. Sie ist eine Berliner Bezirkspolitikerin (der Grünen). So welche kenne ich in Beuel auch. Aber dass die dem Feminismus irgendwas antun können, ist mir neu. Die Dame ist längst von ihren öffentlichen Ämtern zurückgetreten. Sie soll den Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar – hatten Sie von dem schon mal was gehört? ich wusste immerhin, dass es den gibt – der sexuellen Gewalt beschuldigt haben. Anonym. Nicht nur sie, sondern Andere auch. Aber sie ist jetzt berühmt. Und wird jetzt dermassen durch die Medienjauche gezogen, dass sie dringend professionelle Hilfe braucht. Niemand überlebt das gesund (wenn sie überhaupt zuvor gesund war).

Der RBB, ja, leider auch ein ARD-Mitglied, soll die Sache gross aufgeblasen, aber gar nicht wirklich recherchiert haben. Das kommt in Lokalpresse schon mal vor, nicht selten sogar. Aber weil es der RBB ist, und weil der in der ARD ist, soll es jetzt weltweite Bedeutung bekommen? Ich werde dem gar nicht erst hinterherrecherchieren. Wenn Sie das für wichtig halten, machen Sie es bitte selbst.

Jetzt hat sogar einer ein Buch geschrieben, wie schlimm es ist, dass die Tagesschau das nicht wichtig genug genommen hat.

#metoo ohne Regelwerk?

Was da in Berlin wirklich passiert ist, wer gegen wen intrigiert und warum, das weiss ich selbstverständlich alles nicht. Es interessiert mich auch nicht. Wer das zu nationaler Bedeutung aufbläst, ist selber schuld. Wenn es überhaupt ein “Fall” ist, dann einer von Tausenden allein in Berlin, von Millionen in Deutschland, und mutmasslich Milliarden weltweit.

Mit dem Suchbegriff #metoo finden Sie allein in diesem Blog 9 Trefferseiten. Die ersten Texte sind von Ende 2017, also jetzt über 7 Jahre alt. Besonders gründlich – immerhin, mann muss auch mal loben – ist der betroffene WDR an die Sache rangegangen. Der von ihm beauftragte Wulf-Mathies-Bericht hat Massstäne gesetzt. Dass es so weit kam, ist engagierten Mitgliedern des Personalrates, des Rundfunkrates und der zuständigen Gewerkschaften zu danken. Zentrale Botschaft: Machtmissbrauch ist überall und kommt in den besten Familien und Unternehmen vor. #metoo-Fälle sind keine Einzelfälle, sondern Strukturprobleme gegen die es Gegen-, Kontroll- und Beratungsstukturen bedarf.

Es gab mal eine Zeit, in der waren grüne Frauenreferent*inn*en, die es in jeder Parteistruktur und -fraktion intitutionell gab, ganz vorne, was die Entwicklung und Forderung nach solchen Strukturen betraf. Aber bei den Berliner Grünen, so weit im Osten gelegen, ist das offenbar noch nie angekommen – oder wenn es mal da war, wieder ausgestorben. Sie lassen sich von unqualifizierten Medien zur wahlweisen Wahl oder Abwahl von Führungspersonal treiben. Autonome Willensbildung in einer innerparteilichen Demokratie, fachliche politische Prüfung von Kandidat*inn*en – das ist offenbar heute altes Denken. Bei Berlins Grünen geht es jetzt drunter und drüber, und der Bundesvorstand und seine Wahlkampfleitung lassen sich mit auf dieses garstige Niveau herunterziehen. Damals, bei den Jungdemokraten haben wir es nie so weit kommen lassen. Allerdings kann ich alleine ein halbes Dutzend Mitglieder aufzählen, die wg. Wehrpflicht nach Westberlin flüchteten, und dort genauso verrückt wurden, wie die, die schon da waren.

Das Problem ist so alt, auch die Dümmsten und Langsamsten wissen davon. Darum ist kein Mitleid mehr angebracht. Mit niemandem der Beteiligten. Am allerwenigsten mit dem mitleidslosen Berlin.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

3 Kommentare

  1. Helmut Lorscheid

    Klar, Martin, hast Du den Namen schon gehört oder zumindest hier gelesen. Ich war in Korrespondenz mit ihm in sachen Bahn-Aufsichtsrat. Ich hätte gerne von ihm erfahren, wie sich Herr Gelbhaar als Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bahn AG selbst begreift, ob er sich als Vertreter der Fahrgästesieht – oder nicht. Keine Antwort. Ich habe daraufhin meine Petition gestartet, die das Ziel verfolgt, die neue Bundesregierung über den neu zu wählenden Bundestag aufzufordern, mindestens zwei VertreterInnen der Fahrgäste in den, nach den Wahlen ohnehin neu bestückten Bahn AG–Aufsichtsrat zu entsenden.
    Die Petition: https://www.openpetition.de/petition/online/fahrgastvertreterinnen-in-den-db-ag-aufsichtsrat#

  2. Helmut Lorscheid

    und hier hast Du Marin ihn selbst erwähnt:

    https://extradienst.net/2024/01/18/wer-haengt-hier-wen-ab/

    • Martin Böttger

      Danke, hatte ich schon wieder vergessen. Deine unbeantworteten Fragen an ihn halte ich ebenfalls für wichtiger, als wer in Berlin gegen wen Gewalt ausübt. Aufgeklärt werden muss alles. Aber bitte zivilisiert.

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