In meinem Abitur 1976 hatte ich eine mündliche Prüfung: in Mathematik ging es um 4 oder 5. Bestanden hatte ich so oder so, der Schnitt war so schlecht, dass er egal war (3,0). Also fiel ich absichtlich durch, um vor versammeltem Prüfungsausschuss meinen Mathelehrer zu blamieren. Die Grundrechenarten beherrschte ich so gut, dass sie mich von der Volksschule zum Gymnasium brachten, aber Geometrie blieb für mich eine Geheimwissenschaft. In unserer politischen Gegenwart sind nun aber schon die Grundrechenarten umstritten. Mathematik ist politisch.

Diese Erkenntnis hat sich im Kopf des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij so breitgemacht, dass er sie in Medieninterviews selbst thematisiert. Rechtzeitig zu Trump II schwant ihm nun auch öffentlich, dass die USA ihn über den Tisch gezogen haben. Und noch viel weiter ziehen wollen. Nur schade um die vielen Toten, Verletzten, Traumatisierten und Flüchtlinge.

Die Mehrheit der EU-Regierungen kennt den Trick längst, vermeidet darüber aber jeden öffentlichen Lärm, weil sie sich von Lobbyismus für ihren “eigenen” militärisch-industriellen Komplex mehr versprechen. Nicht politisch, aber betriebswirtschaftlich für ihren eigenen Clan. Näheres bei der Europaabgeordneten aus Düsseldorf, die mutmasslich ihren Parteifreund Lindner als Mandatsträgerin überdauern wird.

Was nun Selenskij und sein schwanen des Unheils betrifft, darüber berichtet heute Florian Rötzer aus allgemein zugänglichen internationalen Medienquellen: Selenskij wirft den Vereinigten Staaten Korruption oder Lobbyismus vor – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij warf in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP der Biden-Regierung vor, nur einen Teil der versprochenen Militärhilfe geliefert zu haben.” Olaf Scholz würde heimlich in sich hineinmurmeln “Sarichdoch”, aber der hat ja gar keine Zeit, das zu lesen.

Der Trick von Biden und Trump ist so einfach wie durchsichtig: Aufrüstung ist volkswirtschaftlich betrachtet Vernichtung von – potenziell produktivem – Kapital. Also sollen die dummen Europäer*inn*en mehr bestellen und kaufen, und zwar am besten gleich bei deren weltmarktbeherrschender und technisch überlegener Rüstungsindustrie, um massenhaft Jobs für weisse amerikanische Männer zu sichern. Und die Profite der Buddies in den Konzernführungen. Im von Trump zu entfesselnden globalen Wirtschaftskrieg wäre EU-Europa dann schon erledigt, bevor es richtig losgeht. Dummheit muss bestraft werden …

Embedded Journalism

Dazu gäbe es unendlich zu schreiben. Das Problem ist der Kopf des Fisches. Je prominenter und prominenter bezahlt, umso erschütternder der Mangel an Intelligenz und Wissen.

Nach meinem Gefühl erlebt diese Republik inhaltlich den niveauärmsten, den im Sinne des Wortes niedrigsten Bundestagswahlkampf aller Zeiten. Ich stelle in Rechnung, dass Zeitgenoss*inn*en immer zum Superlativ für ihre Gegenwart neigen, und das endgültige Urteil nur “die Geschichte”, also Nachgeborene fällen können. Lesen Sie

René Martens/MDR-Altpapier: Merken wir überhaupt noch etwas? – Die CDU hat von der AfD ein auf keinerlei Fakten beruhendes Narrativ übernommen, das längst auch Journalisten reproduzieren. Der Historiker Timothy Snyder äußert in einem ‘Heute Journal’-Interview die Hoffnung, dass der Staatsstreich in den USA noch zu stoppen ist.”

Glückwunsch auch an die Ex-Beuelerin Annika Schneider für den gewonnenen Preis: “Aber ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir jetzt richtig, richtig guten, verantwortungsvollen Journalismus brauchen – und dass gedankenloser Journalismus gerade vieles schlimmer macht.”

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net