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Was ist los mit Emmanuel Macron?

Am 9. Februar übertrugen ARD und ZDF das erste Wahlduell zwischen Amtsinhaber Olaf Scholz und Bewerber Friedrich Merz. Substantiell genauso langweilig, aber viel besser inszeniert war das gleichzeitig in Paris stattfindende Gespräch, das der französische Präsident Emmanuel Macron vor der Eröffnung eines Kongresses über Künstliche Intelligenz dem französischen und indischen Fernsehen gewährte. Macron, der in den Wochen davor verhältnismäßig wenig von sich reden gemacht hatte, war in Hochform. Die KI pries er als technologisch-wissenschaftliche Revolution und “fast beispiellose Chance für die Menschheit”. Sie werde “uns ermöglichen, besser zu leben, besser zu lernen, besser zu arbeiten, besser zu heilen.” Dafür wolle Frankreich mit Indien zusammenarbeiten, um den Vorsprung der USA und Chinas einzuholen. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate “und vielleicht Europa” seien wichtige Partner. 109 Milliarden Euro stellte Macron an Investitionen für KI in Aussicht, offenbar sind darin schon Beiträge aus Indien, Kanada und den VAR enthalten (und vielleicht Europa). Mit dem Geld sollen vor allem “saubere” Rechenzentren errichtet werden, die in Frankreich mit CO2-freiem Atomstrom betrieben werden könnten. Hingegen würden die USA Öl- und Gaskraftwerke anwerfen, das sei nicht nachhaltig.

Die Künstliche Intelligenz, in deren Fähigkeiten Macron so großes Vertrauen setzt, soll im Folgenden anhand seiner eigenen Rede illustriert werden. Mit Verlaub hat auch niemand Lust, eine 36 Minuten Show vom Bildschirm abzuschreiben und anschließend zu übersetzen. Marktführer ChatGPT beantwortete jedoch die Bitte “gib mir den Wortlaut von Macrons Unterhaltung am Abend des 9. Februar” negativ. Die KI war lediglich bereit, Fragen zu bestimmten Themen des Gesprächs zusammenfassend zu beantworten. Das hätte sie also von Presseberichten abgekupfert. Wie auch immer, auch zum Abschreiben gehört auch eine gewisse Intelligenz, vor allem damit es niemand merkt.

Nicht so die Intelligenz-Anwendungen von Google. Der Suchmaschinen-Riese stellt bei Youtube ein Feature “Untertitel” zur Verfügung, womit das gesprochene Wort automatisch transkribiert wird (“Du kannst im Transkript mitlesen”). Das kann man bei dem Video, um das es hier geht, ausprobieren. Wir erhalten dadurch einen durch Spracherkennung erzeugten Mitschnitt des Gesprächs auf Französisch. Diesen kann man im nächsten Schritt durch den Google-Übersetzer schicken. Das Ergebnis lässt sich in der folgenden Passage bewundern.

“Lebe es mit viel Interesse, einem Wunsch zu tun und der Überzeugung, dass diese Nachricht ist Fortschritt Frankreich Europa und mit ihm seine wichtigsten Partner davon Indien muss es ergreifen weil diese Fortschritt wird es uns ermöglichen, besser zu leben, besser besser lernen besser arbeiten zu pflegen, und dass es an uns liegt, setzen diese künstliche Intelligenz im Dienste des Menschen ALSO einfach alles zum Erfolg bevor wir darüber reden Dinge, die uns Sorgen bereiten Reden wir über positive Dinge, denn Intelligenz künstlich.” Danke, Google.

Ein etwas besseres Resultat wird erzielt, wenn man das Gespräch mit Macron beim indischen TV abhört, wo es in mündlicher englischer Übersetzung ins Netz gestellt wurde. Hier wird Google nur zur Hälfte beansprucht, und wir können zumindest ahnen, was Macron über KI-basierte medizinische Hilfen sagen wollte: “Wir haben eine Menge Daten gesammelt und dank KI können wir Prävention betreiben und äh präventive Diagnostik und ich sehe dieses Bild, das Sie zeigen, das mir auch erst vor zwei Tagen gezeigt wurde, uh Mit Hilfe von MRT-Bildern dauerte es manchmal sehr lange, Krebs zu identifizieren Zellen ähm und dank der KI, weil wir da wir über eine Rechenleistung verfügen, können wir so viele Daten zusammentragen, viel schneller, so dass man beispielsweise einen Tumor schneller erkennen und gezielter angreifen kann … keine Sorge alles wird verantwortungsvoll von der Wissenschaft durchgeführt.”

Ob sich der Präsident darin wiedererkennt? Gelinde gesagt ist der Wortschwall nicht druckreif. Weit wichtiger stellt sich die bange Frage, ob die Qualität medizinischer Diagnosen durch KI ähnlich zuverlässig ist.

Da ist also noch Luft nach oben. Genauso sehen es die Enthusiasten der KI. Denn das Erfolgsgeheimnis ihrer Software besteht darin, dass sie lernfähig sein soll. Diese Lernfähigkeit unterscheidet die KI von den halbintelligenten Add-ons, die uns bei Google, Word, Firefox usw. große Freude bereiten, wenn sie uns mit ihren Vorschlägen buchstäblich ins Wort fallen.

Um quasi selbständig zu lernen, müsste die KI ihre eigenen, ursprünglich von menschlichen Programmierern erstellten Algorithmen umschreiben. Dazu braucht sie einen riesigen Fundus an Daten, gespeichert in immer größeren Rechenzentren mit exponentiell wachsender Rechenleistung und entsprechendem Stromverbrauch. Auf diesem Gebiet ist Macron in seinem Element. Mehr noch, er fühlt sich berufen. Im Unterschied zu den USA, wo man mit fossilen Brennstoffen Rechenzentren befeuern wolle und massenhaft CO2 in die Luft blasen werde, heiße es in Frankreich “plug, baby, plug”, Stecker rein und einschalten. Die Anspielung auf Trumps Aufforderung an die Ölkonzerne, zu bohren, was das Zeug hält, “drill, baby, drill”, war deutlich.

Dank Atomstrom könne man in Frankreich Super-Rechenzentren versorgen, ohne den Planeten zugrunde zu richten. Denn die französische Elektrizität sei gründlicher dekarbonisiert als sonstwo auf der Welt. Im letzten Jahr habe man sogar einen Überschuss von 90 Terawattstunden exportieren können. Bis Ende nächsten Jahres, so Macron, werde man 250 Megawatt Rechenleistung nur für die KI bereitstellen, mittelfristig ein Gigawatt, was einem durchschnittlichen Atomkraftwerk entspricht. Wir ahnen, was mit den 109 Milliarden Euro bezahlt werden soll, die Macron für die KI-Entwicklung in Frankreich eingeworben haben will. Das Staatsoberhaupt schwelgt in dem phantastischen Betrag, die gleiche Größenordnung, wie sie US-Präsident Trump mit seinem 500 Milliarden Dollar Stargate-Programm angekündigt hat.

Sind die Präsidenten von Intelligenz berauscht oder nur vom Schwindel der astronomischen Geldsummen, mit denen sich der Popanz KI aufbläst? Auch in Deutschland gibt es einen Player, den das KI-Fieber gepackt hat, Markus Söder, wer sonst? Er habe Anträge für die Errichtung von drei Großrechenzentren vorliegen, verriet der bayrische Ministerpräsident auf einem Wahlforum von Ippen-Media. Jedes davon benötige eine jährliche Strommenge wie die Stadt Regensburg. “Ich brauche Strom”, flehte Söder, “mit drei, vier Windrädern mehr wird es nicht gehen.” Also noch ein Atomkraftwerk als “dauerhaft starke Energiequelle” für Bayern, damit es seinen “europaweiten Vorsprung bei der high tech, also defense technology” halten kann, “Megabayern, alles super”.

Solche Männer, auch ein paar Frauen, verkörpern glaubwürdig einen Bedarf an intelligenten Gehhilfen. Sie sind die geborenen Werbeträger für künstliche Intelligenz. Die Toleranz gebietet es, dass wir ihre Anstrengungen nachsichtig begleiten. Nur, Atomkraftwerke zu errichten, um diese Not zu lindern, ist dann doch etwas überdimensioniert. Wenn sie denn überhaupt hilfreich wären. Plug off.

Über Detlef zum Winkel / Gastautor:

Dipl.phys. Geb. 1949. 1967-1975 Studium der Physik, Diplomarbeit am Deutschen Elektronen-Synchroton (DESY); Lehrer an Hamburger Schulen; freier Autor; Arbeit in Bürgerinitiativen gegen Atomkraftwerke und gegen die Startbahn 18 West des Frankfurter Flughafens. Antifa. Seit 1991 Informatiker.

2 Kommentare

  1. Martin Böttger

    Ich fürchte, die KI ist gar nicht so schlecht, wie Du denkst, Fachlich ahnungslose Politiker reden so kariert. Mit dem im Französischen erforderlichen Pathos wird die Klippe zum losreden noch grösser. Beim Reden entsteht Panik im Gehirn, und das ist dann das, was unten rauskommt. Die Mehrheit hört ja auch gar nicht mehr zu.

  2. w.nissing

    Kleiner Tipp mit den Übersetzungen. Es gibt ein addon von Deepl für den firefox. Allerdings muß man dafür bezahlen und da ich persönlich schon mit der Finanzierung von Massagesitzen in Überklasse Autos mein Spielgeld erschöpft habe und das schon in jungen Jahren geahnt habe, hab ich die Sprache kostenlos gelernt.
    Aber mit seinen Atomen hat dieser Schwarzkopf so seine Probleme. Wäre nämlich doof wenn mitten in einer KI-gestützen OP die lieben Franzosen die Tagspeicherheizung an machen und seine Rechenzentren einen Shutdown erleben.

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