Bund legt offener Verwaltungssoftware Steine in den Weg
Um die Abhängigkeit der öffentlichen Verwaltung von Microsoft zu verringern, rief die Ampel-Regierung das „Zentrum für Digitale Souveränität“ ins Leben. Es soll unter anderem den Einsatz und die Weiterentwicklung von Open-Source-Lösungen vorantreiben. Doch der Bund behindert die Arbeit des Zentrums, statt diese zu fördern.
Von keinem anderen IT-Hersteller ist die öffentliche Verwaltung so abhängig wie von Microsoft. Gut 96 Prozent aller Bundesbehörden nutzen laut einer Studie die Bürosoftware von des Konzerns, darunter Outlook als E-Mail-Programm oder Teams für Videokonferenzen.
Die Kosten dafür sind schon jetzt immens. Für Lizenzen und Dienstleistungen des Tech-Giganten gab der Bund im Jahr 2024 insgesamt rund 205 Millionen Euro aus. Vor zehn Jahren beliefen sich die Kosten noch auf rund 44 Millionen Euro, also gut einem Fünftel.
Wie viel von den 205 Millionen die Bundesverwaltung für kommerzielle Office-Lizenzen, Videokonferenz-Tools, Werkzeuge für das gemeinsame Arbeiten an Texten und Kalenderprogramme von Microsoft ausgegeben hat, will die Bundesregierung nicht offenlegen. „Aus Gründen des Staatswohls“ erklärt sie diese Angaben zur Verschlusssache.
Die Abhängigkeit vergrößert sich durch das Geschäftsmodell von Microsoft. Kauften Behörden früher die Softwarelizenzen einmal ein und nutzten sie dann für ein paar Jahre, können sie Microsofts Dienste inzwischen fast nur noch als Service verwenden. Und für den zahlen sie dann monatlich je nach Abo-Modell Gebühren.
Bundesfinanzministerium verschleppt Länderbeteiligung
Um Microsofts Dominanz etwas entgegen zu setzen, gründete die Ampel-Regierung 2022 das Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS). Es verfolgt das Ziel, mehr Open Source in die öffentliche Verwaltung bringen. Außerdem soll es sie dazu befähigen, Open-Source-Software zu nutzen, zu beschaffen und selbst zu entwickeln. So haben es das Bundesinnenministerium und der IT-Planungsrat dem Zentrum in die Gründungsstatuten geschrieben.
Doch statt das Zentrum in seiner Arbeit zu unterstützen, legt der Bund ihm Steine in den Weg. So sieht ein Beschluss des Haushaltsausschusses zwar vor, dass dem ZenDiS Bundesmittel aus dem Jahr 2023 in Höhe von 34 Millionen Euro zustehen. Erhalten das ZenDiS diese aber bislang nicht. Zudem verschleppt der Bund seit mehr als zwei Jahren den Beitritt der Bundesländer in die GmbH. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei hervor.
Demnach prüfe die Bundesregierung noch, ob ein solcher Beitritt das Verbot der Mischverwaltung von Bund und Ländern verletze. Der Bund ist bislang alleiniger Gesellschafter des ZenDiS. Schon im September 2022 äußerten mehrere Bundesländer Interesse, Mitgesellschafter zu werden, unter ihnen Schleswig-Holstein, Berlin und Thüringen.
Längst haben diese Länder ihren Beitritt vorbereitet und entsprechende Anträge beim Bundesinnenministerium eingereicht, das diese wiederum an das Bundesfinanzministerium weitergeleitet hat. Dort stockt das Verfahren noch immer. Einen konkreten Grund dafür nennt die Bundesregierung in ihrer Antwort nicht.
Das Interesse an offener Software ist groß
Dieses Verschleppen schadet dem ZenDiS zusätzlich. Denn laut Bundesregierung sei „ohne einen Beitritt der Länder mit einem insgesamt geringeren Auftragsvolumen für ZenDiS zu rechnen“.
Gleichzeitig geht aus der Antwort der Bundesregierung auch hervor, dass der unternehmerische Erfolg des Zentrums davon abhängt, wie viele Aufträge es für sich gewinnen kann. Eine Grundfinanzierung plant die Bundesregierung nicht ein. Und sie lässt auch im Unklaren, wie es mit dem Rollout für den digitalen Arbeitsplatz openDesk konkret weitergeht. Der sollte eigentlich in diesem Jahr Einzug in die Bundesverwaltung halten, so die Ankündigung der Ampel vor etwa zwei Jahren.
Das Produkt openDesk ist einsatzfähig und bekomme bereits großen Zuspruch, sagt ZenDiS-Chefin Jutta Horstmann gegenüber netzpolitik.org. Einige Behörden haben mit der Pilotphase begonnen. Daneben möchten Hochschulen und Schulen openDesk laut Horstmann in ihrer Verwaltung einsetzen.
Auch aus dem Ausland kämen Anfragen. Die Schweiz wolle das Produkt nutzen. Frankreich und die Niederlande kooperieren bereits mit ZenDiS bei der Entwicklung, Tschechien und weitere Länder hätten ebenfalls Interesse an dem Vorhaben geäußert. Sie versprechen sich offenbar, mit Open Source Kosten besser kalkulieren und auch einsparen zu können.
Die Plattform openCode nutzt die öffentliche Verwaltung hierzulande bereits ebenfalls rege. Dort finden Verwaltungen nicht nur sichere und offene Software, sondern können auch ihren eigenen Code publizieren, sich mit anderen Behörden und Entwickler:innen darüber austauschen oder deren offenen Code übernehmen und weiterentwickeln.
Offenbar ist die Bereitschaft also groß, Open Source in der öffentlichen Verwaltung einzusetzen. Umso mehr ist zu hoffen, dass die kommende Bundesregierung die Steine ihrer Vorgänger endlich beherzt beiseiteräumt.
Esther Menhard ist freie Autorin bei netzpolitik.org. Sie recherchiert zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und nimmt dazu gerne Hinweise entgegen. Von Haus aus Philosophin, interessiert sie sich für Datenethik, die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Digitalität, AdTech, open access und open source. Kontakt: E-Mail (OpenPGP), Mastodon Bluesky. Dieser Beitrag ist eine Übernahme von netzpolitik, gemäss Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.
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