Gängige Faschismus-Debatten kreisen darum, ob und wann es so weit ist. Doch dieses “Ist” existiert im wahren Leben nicht. Vielmehr stimmt, was Wilfried Schmickler feststellt: “Es hört nicht auf!” Politisch übersetzt: er ist nie satt, er trachtet immer nach dem weiter … wie sein Bruder, der Kapitalismus, der ohne Wachstum und Profit nicht leben kann. Diskussionsbeiträge heute dazu:
Tomasz Konicz/Untergrundblättle: “Die Androhung astronomischer Strafzölle: USA: Protektionistische Wiedergänger – Die Lehren, die das bürgerliche Krisenmanagement aus der grossen Systemkrise der 30er gezogen hat, sind im Washington Trumps längst vergessen.”
Hörenswert der gestrige ARD-Presseclub “Erdogans Machtpoker: Welche Karte spielen wir? – Die Türkei ist in Aufruhr. Seit der Inhaftierung des beliebten Istanbuler Oberbürgermeisters İmamoğlu protestieren täglich zehntausende Menschen gegen Präsident Erdoğan, der seinen schärfsten Konkurrenten hinter Gitter gebracht hat.” mit Thomas Gutschker/FAZ, Sümeyra Kaya/WDR, Maximilian Popp/Spiegel und Deniz Yücel.
Klaus Raab/MDR-Altpapier: “Mehr schulische Medienbildung: wann, wenn nicht jetzt? – Die Auseinandersetzung mit der Trump-Regierung ist von Beschwichtigung und gebeugten Knien geprägt. Peinlich, feige, unangenehm, findet ein Yale-Professor. Und: Diskutiert wird über ein Smartphone-Verbot an Schulen – warum nicht über den Stand der Medienbildung?”
Instruktiv sind dazu ergänzend, wenn wir schon dabei sind, Küppis heutige taz-Einlassungen zu Depressionen im real existierenden Kapitalismus: “Depressionen wurden früher gern mit einer zünftigen Dosis ‘Stell dich nicht so an’ behandelt. Das verdoppelt Trauer und Kraftlosigkeit um prima Schuldgefühle. Heute sind es Mitarbeitende in Pflegeberufen und Kitas, die es überdurchschnittlich böse erwischt. Die qua Ausbildung und Arbeit mehr wissen über den Menschen im Lohnempfänger – und sattsam beklagte Arbeitsbedingungen haben. Bleibt also die Grauzone der weniger dunkelmütig Gemeldeten. Sei es, dass Supermarktkasse und Fließband weniger schlimm sind als Kita und Heim. Das wäre ein Skandal. Oder genauso schlimm, nur darf man nix sagen. Das wäre noch einer.”
Gegenmittel: Borussia
Am Wochenende, das muss ich mir rot anstreichen, spielten alle für meine Borussia. Keine*r weiss, wie es passieren konnte: plötzlich steht sie auf Platz 5. (in der Liste deutscher Grossstädte auf Platz 25, was mann so “Grossstädte” nennt …). Einer kanadischen Freundin erklärte ich es so: “Hast Du schon mal von der Stadt Mönchengladbach gehört?” Was sie pflichtgemäss verneint, sie kann sie ja noch nicht mal aussprechen. “Dieser Klub ist seit 1965 (mit zwei kurzen Unterbrechungen) in der ersten Liga.” 1965, das war vor 60 Jahren.
Wie konnte das trotz Kapitalismus gelingen? Mit dieser Leitfrage wird das Vergnügen absichtslos politisch. Sie ist der tiefere Grund, warum alle 14 Tage 50.000 Menschen in die 25.grösste deutsche “Grossstadt” pilgern.
Samstag haben sie dort das gesehen, was auch der ausnahmsweise mal wieder angereiste Daniel Theweleit, ausnahmsweise mal paywallfrei in der taz, gesehen hat: “‘Ich sehe da keine Grenzen’ – Nach dem Sieg gegen Leipzig fällt gar Gladbachs Coach Seoane mit forschen Tönen auf. Bei RB dagegen vermisst man Energie und entlässt Trainer Rose.” Allein der letztgenannte Punkt war es wert.
Den objektiven Spielbericht finden Sie hier: “Gute Arbeit, guter Lohn”. So stellen sich naive Menschen einen gerechten Kapitalismus vor. Aber der wehrt sich. Mit allen Mitteln.
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