6 Tage im Krankenhaus – da stößt einem vieles (wieder) auf. Man staunt über 7 Stunden auf dem Flur in der Notaufnahme und eine antiquierte Bürokratie, wundert sich über das schlechte Essen, Kartoffelpüree aus minderwertigem Pulver und Haut auf der Tunke, miese (teure) WLan-Versorgung, eine indiskutable Fernseh-Technik, Hetze und Stress um einen herum. Großartige, aber bleiche Ärzte und Ärztinnen gegen Übermüdung ankämpfend, ein sich bewunderungswürdig einsetzendes Pflegepersonal, die trotz vieler Sprachprobleme immer freundlichen ausländischen Hilfskräfte, so viel guter Wille, Empathie und Sachkenntnis – alles in allem das Zerrbild einer wünschenswerten menschlichen Gesellschaft. Aber man weiß ja, warum das so ist. Und man weiß auch, wem da in die Taschen geschuftet wird, wem die Sparmaßnahmen nützen, und wer am Leid der Patientinnen und Patienten verdient. Aktionäre, die sich möglicherweise gar noch als Wohltäter fühlen, sahnen ab, die Krankenhaus-Konzern-Gewinne sind im unanständigen Bereich.

Und dann wandern die Gedanken weiter.

Lange Jahre nach dem letzten Weltkrieg waren Investitionen in Aktien und Fonds von Rüstungskonzernen in Deutschland gründlich verpönt. Das hat sich nun geändert. Keine Frage: Das hat was mit verkommener Moral zu tun. Aktien von Rüstungsfirmen gelten als lohnendes Investment. Aufrüstung wird verengt auf den Aspekt Rendite. Rüstung wird zum Selbstzweck. Militär wird als „notwendiges Übel“ gesehen.

Und man erzählt mir: Es gibt zwei Typen von Anlegern. Profitorientiert oder „verantwortungsvoll“. Die Profitorientierten marschieren offensiv ins Geschäft, die verantwortlichen Anleger versuchen, zu differenzieren. Für diese Gruppe ist angeblich wichtig, dass sie nicht in Streubomben oder chemische Waffen investieren. Offenbar erhoffen sich diese Leute ein „absolvo te“, wenn sie in Verteidigungswaffen investieren und nicht in Angriffswaffen. Ich sage: Das ist scheißegal. Wer in den Rüstungs–Bereich investiert, macht sich mitschuldig und verdient daran, dass irgendwo Menschen sterben. Und es ist eine Sauerei und eine Beihilfe zum Morden, wenn Banken durch Angebote mit Rüstungstiteln ermöglichen, dass Anlegende aus dem Leid eines Krieges privates Kapital schlagen. Aber diese Geldinstitute haben „nachhaltige“ Rüstungsprodukte als „nice to have“ in ihrem Portfolio, weil man im Rüstungsbereich endlich wieder richtig Kohle machen kann. Leider ist der Begriff der „Nachhaltigkeit“ nicht genau definiert. Die EU hat Rüstungsaktien nicht aus Nachhaltigkeits–Portfolios ausgeschlossen. Als Anleger muss man also selbst überlegen, was man unter „nachhaltig“ verstehen will, und es stellt sich die Frage, wie Investitionen in Rüstung und Nachhaltigkeit zusammenpassen. Waffen und Rüstungsgüter sind zweifellos „nachhaltig“: Sie zerstören bei Einsatz Leben, Gesellschaften, Umwelt und Infrastrukturen. Rüstungstitel müssten mit einem diesbezüglichen Nachhaltigkeitslabel verklebt werden.

Für mich, einen Überlebenden des letzten Weltkrieges, besteht Nachhaltigkeit von Waffen allerdings eher aus Kartoffel–Schlagsahne, Schuhen mit Holzsohlen, Katzenbraten oder durchgehendem Hunger, einem Stahlhelm-Sieb, einer Kochkiste, Stromsparen, aufgezwirbelte Wolle, um Pullover und Strümpfe zu stopfen, essen aus dem Kochgeschirr, Kohlen von den Gleisen klauen, hamstern, zu sechst in einem winzigen Zimmer Schicht-Schlafen, rostige Fahrradfelgen als Kinderspielzeug, nächtliches Laufen auf der Flucht und unter einer Treppe verschüttet zu sein.

Und nun dieses gesteigerte Interesse an Geldanlagen von Rüstungsfirmen … Das liegt ja nicht nur an den sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen. Auch der Zugang zu Geldanlagen spielt gewiss eine Rolle. Durch Smartphones, Online-Broker und entsprechende Trading-Apps hat sich dieser deutlich vereinfacht. Aber statt sich um die Kernbereiche der Nachhaltigkeit zu kümmern – erneuerbare Energien, Wohnen, Ernährung, Bildung, Soziales – investieren wohl auch viele junge Menschen an der Börse ins schnelle Geld … Es wird ihnen eines Tages bitter leid tun …

Und dann kommt man zwangsläufig dazu, an die Grünen zu denken, dieses verkommene Pack. Der gesinnungslose Ministerpräsident Winfried Kretschmann von Baden-Württemberg hat nicht die geringsten moralischen Vorbehalte oder Skrupel beim Thema Aufrüstung. Er sei nie Pazifist gewesen, sagte er im Zeitungsinterview. Doch habe seine Partei die Pazifismus-Debatte seit dem Kosovokrieg hinter sich gelassen. „Das ist ausgestanden“, so der Regierungschef. Rüstung müsse ausgebaut werden, um sie nicht einsetzen zu müssen. Hat das denn schon mal funktioniert? Und sein Parteifreund und Ex-Außenminister Joschka Fischer fordert sogar einen europäischen Atomschirm. Deutschland müsse außerdem die Wehrpflicht wieder einführen, so Fischer, der ja schon den Kosovo-Krieg entscheidend mitinitiiert hatte.

An diesen Herrschaften kann man sehen, welche Farbe Grünzeug annimmt, wenn es alt wird …

Und dann noch das Gespenst einer neuen Fritz Merz-Regierung: Die jüngsten Kreditermächtigungen werden nicht für Soziales ausgegeben, bekräftigte der CDU-Chef. „Überbordende Sozialausgaben“ sind auf den Prüfstand zu stellen, sagte er, der seine Sozialisation in zahlreichen Aufsichtsräten absolvierte. Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände mahnte im Deutschlandfunk an, man habe mit Zitronen gehandelt, wenn die Parteien statt Wachstumsausgaben „weiter den Sozialstaat expandieren“, und er verwies darauf, dass die deutschen Arbeitgeber Rüstungsausgaben stets unterstützt hätten.

Ich fasse zusammen: „Für eine Demokratie ist maßgeblich der Schutz von Minderheiten. Und deswegen sind am besten geschützt die Reichen“. (Zitat geklaut, keine Ahnung, von wem)

Die verantwortlichen Politiker planen eine Zukunft, in der junge Menschen nicht in Hörsälen sitzen, sondern in Kasernen marschieren. Denen, die jetzt im Besitz der Waffen–Produktionsmittel sind, wird’s vermutlich auch noch nach der nächsten Währungsreform gutgehen. Die Rüstungsprodukte, die Anlegern und Anlegerinnen so leichte Gewinne bescheren, sollten ihren Besitzern nachhaltig um die Ohren fliegen – es wäre ein großes Vergnügen, würde diesen ekelhaft habgierigen, rücksichtslos egomanischen Mordgehilfen in aller Welt mal die Kopfhaut richtig gerade gezogen …

Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung.

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