Gespräche über Fluchtoptionen haben sich in den letzten Jahren gehäuft. Viele Optionen werden nicht genannt, weswegen ich als Beueler streng gegenwärtig entgegne: “Wo ist es besser als hier?” Flucht vor schlechtem TV-Programm ist dagegen eine mikroskopische Kleinigkeit. Nichts ist einfacher zu realisieren, zumal seit Erfindung der Fernbedienung. Doch auch daran sind gestern einige wenige gescheitert.

Wie Sie als Leser*in wissen, meide ich den deutschen Talkshowtrash, seit ich gute Talkshows kennen gelernt habe. Die Guten waren Talk 2000 von und mit Christoph Schlingensief und Roche & Böhmermann mit den bekannten Personen gleichen Namens. Letztere begründete die bildundtonfabrik in Köln-Ehrenfeld und deren erfolgreiche Expansion als TV-Produktion.

Nachdem ich diese guten Sachen kannte, das ist wie mit gutem Wein, kann ich den heutigen Trash nicht mehr ertragen. Er ist auch nicht gesellschaftlich relevant, und bezieht seine Einbildung von Wichtigkeit aus einem selbsreferentiellen Medienkarussell. Keine*r guckt (2 von 87 Mio.), aber “alle” schreiben danach Nacherzählungen in ihren eigenen Medien. Das mache ich hier nicht, versprochen.

Ich will nur dieses Mediensystem zu analysieren versuchen. Es gibt in dem langweiligen erfolglosen Talkshowtrasch nur eine Ausnahme, was die Einschaltquoten betrifft: die einst von den Buddies Fritz Pleitgen (WDR) und Jobst Plog (NDR) platzierte Unterhaltungsshow nach dem sonntäglichen Tatort. Die beiden damals schon alten Medien-Realos kalkulierten nicht abwegig, dass viele nach dem Tatort-Abspann die Fernbedienung nicht wiederfinden, vielleicht auch eingeschlafen sind, oder sich familiär nicht auf ein Umschalten woandershin einigen können. Und so geschah es, dass Christiansen (die Plog damals auf diese Weise erfolgreich aus den Tagesthemen entsorgte, und sie und ihren Gatten mit dem Produktionsauftrag reich machte), Jauch, Will und heute Miosga in der Regel noch knapp die doppelte Quote von Illner und Lanz (beide ZDF) schaffen.

Konkret gestern: der Münster-Tatort legte bescheidene 11,8 Mio. vor (er hat auch schon über 14 geschafft, aber gestern war das Wetter zu schön). Und dann floh die Menge eines gewöhnlichen Tatorts von über 8 Mio. die ARD, Miosga und Joseph Fischer, und liess noch 3,6 Mio übrig, darunter die karrieredurchstartende Chefin des FAZ-Online-Feuilletons, die ihre Nacherzählung wohlweislich noch nicht einmal einmauern liess. Das schaffte sogar das ZDF-heute-journal (nicht zu verwechseln mit der quotenerfolgreicheren “heute-show”) zu übertreffen.

Ich war wie jeden Sonntag bei Zeigler.

Lesen Sie zum verantwortlichen NDR ergänzend auch Klaus Raab/MDR-Altpapier: Das wird man ja wohl noch armselig finden dürfen – Sandra Harzer-Kux sollte NDR-Intendantin werden, war die einzige Kandidatin – und fiel durch. Wie kam’s? Und was passiert jetzt? Außerdem: Die ARD feiert sich mit einer Nostalgieshow – und mit einem 13-jährigen Dieter Hallervorden.”

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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