Nun zucken sie alle in Panik an der Börse zusammen. Onkel Trump hat seine idiotischen Zollankündigungen in die Welt gesetzt, China hat gekontert und schon stürzt der DAX nur an einem Tag 10% ab, fängt sich wieder ein bisschen – aber alles jammert und schreit. Kaum verbietet Trump alles, was er und seine rechtsextremen Spießgesellen als “Woke” verdammen, stellen die größten US-Konzerne ihre Diversity-Programme zur Disposition und nicht nur dort, auch in Europa – knicken Unternehmer ein. Wat lernt uns dat?
Unternehmen hängen buchstäblich ihr politisches “Fähnchen in den Wind”, das bedeutet, sie folgen den politischen Vorgaben in ihrem Eigeninteresse. Viele Bürgerinnen und Bürger, auch viele Grüne, haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten vergessen, dass die Demokratie nicht nur in den USA und anderen Musterländern des Kapitalismus an den Werkstoren endet. Das ist nur in Ländern besser, in denen es starke Gewerkschaften und – wie in Deutschland – betriebliche Mitbestimmung gibt – das kann verhindern oder zumindest erschweren, dass Genderprogramme, Bildungsförderung oder Umwelt- und Nachhaltigkeitsprogramme einfach gecancelt werden.
Ideologisches Zauberwort: “Bürokratieabbau”
Das versucht nun bei uns die CDU/CSU nachzuholen, indem sie schon im Wahlkampf mit Unterstützung der Industrielobby eine Kampagne gegen angeblich überbordende Bürokratie startete. Dahinter verbirgt sich allerdings der Versuch, Bürger*innen*rechte abzubauen, Transparenzrichtlinien zu schleifen, den Datenschutz quasi abzuschaffen. Darüber hinaus Umweltstandards, Einspruchsrechte und Verbandsklagerechte bis hin zum Akteneinsichtsrecht. Alles, was der Umwelt und der Demokratie nützt und ökologische und nachhaltige Entwicklung im letzten Vierteljahrhundert geprägt hat, soll nach dem Willen der CDU/CSU und Teilen der Wirtschaft fallen. Im Wahlkampf war es mehr als durchsichtig, dass zum Beispiel im Wirtschaftsteil des “Kölner Stadtanzeiger” mindestens alle zwei Tage ein anderer Manager eines regionalen Unternehmens, der IHK, eines Wirtschaftsverbandes oder ein Lobbyist mindestens eine dieser Forderungen erhob. Wirtschaft und CDU/CSU vollziehen damit im Kleinen nach, was das rechtsextreme “Project 2025”, das Drehbuch des Autokraten Donald Trump und der “Heritage Foundation” in den USA, im Großen derzeit betreibt.
Die der AfD zuarbeiten
Es ist deshalb kein Zufall, wenn diese Forderungen allesamt, erweitert um eine aggressive Variante (“Re-migration”) der Abschottungspolitik und auf Aushöhlung des Asylgrundrechts gerichtete Einwanderungspolitik ebenso zum rechten Roll-Back von Söder und Merz gehören, die damit der AfD in die Hände arbeiten. Es ist auch kein Zufall, dass dieser Rückfall in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts von einem Friedrich Merz betrieben wird, dessen politische Zeituhr damals wegen seiner vorläufigen politischen Entsorgung durch Angela Merkel stehen geblieben ist. Insofern gleichen die USA und Europa sich innenpolitisch viel deutlicher, als dies von einer teilweise bereits auf Rückschritt “eingenordeten” Öffentlichkeit gesehen wird. Und dies ist wichtig zu erkennen, für alle, die sich nun eine bessere und konsequente, machtpolitische Antwort auf Trump von Europa wünschen. Denn die erfordert ein deutlich anderes Weltbild, als es Trump und seine erzreaktionären Komplizen und Oligarchen anstreben. Wer kritisch betrachtet, was derzeit in den Koalitionsverhandlungen passiert und wer die halbherzigen Versuche der EU, Trumps Imperialismus zu kontern, bewertet, muss zu dem Schluss kommen, dass Merz und große Teile der EU immer noch meinen, auf einen brutalen Wirtschaftskrieg mit Zollbomben und Okkupationsdrohungen mit dem Werfen von Wattebäuschen antworten zu können. Denn mehr sind Zölle auf Harley-Davidson, Whisky und Jeans nicht.
Von Kanada lernen
Ganz anders geht derzeit Kanada gegen die agressive Zollpolitik Trumps vor. Nach der Verkündung von 25% Zöllen reagierte die Regierung in der Provinz Ontario mit einer Verteuerung der Strompreise gegenüber den USA mit 25%. Die beziehen nämlich eine Menge Strom – für ihre wichtigen Industrien bis nach Detroit aus dem Nachbarland. Dies ist nicht die einzige Antwort des neuen Premierministers Mark Carney, der bereits eine ausgefeilte Strategie gegen Trump entworfen hat, obwohl er erst seit drei Wochen im Amt ist. Der gelernte Investmentbanker war ab 2008 Chef der kanadischen Nationalbank und während des Brexit der Bank of England, wo er die schlimmsten Auswüchse während der Brexit-Zeit schaffte, zu mildern und zu meistern. Carney hat nicht nur als Antwort auf Trump die Erhöhung der Zölle auf Autoteile und Zulieferungen für die US-Autoindustrie auf dem Zettel für Verteuerungen. Er plant auch großflächig im Agrarsektor gegen die US-Nahrungsmittelkonzerne vorzugehen, was die US-Supermärkte und Verbraucher empfindlich treffen könnte. So stehen auf seiner Liste die Verteuerung von Rapsöl, Weizen, Rindfleisch und weiterer Agrarprodukte, von denen Trump wohl nicht weiss, in welchem Umfang sie aus Kanada importiert werden und die der Weltökonom Carney plant, bis zu 40% der Produktion künftig an die EU und andere Länder, mit denen Kanada Handelsabkommen unterhält, zu verkaufen, anstatt in die USA – was wiederum zu Lieferengpässen und einer drastischen Verteuerung in den USA für die Verbraucher*innen führen und der Trump-Kamarilla mächtig zusetzen wird.
Die EU hat viele ökonomische Waffen, die sie nicht einsetzt
Der von allen Seiten geäußerte Schrei nach Konsequenzen gegenüber Trumps Erpressungsversuche würde jedoch bedeuten, dass die EU Schluss mit lustig macht und vor allem endlich solidarisch handelt. Sie muss Schluss machen mit eigenen Steuer-Dumpingzonen und quasi rechtsfreien Räumen in Irland, den Niederlanden oder Ungarn. Dass die milliardenschweren und vor Trump kuschenden US-Tech-Konzerne wie Meta, Microsoft, Google, Apple, X und Co. in Europa so gut wie keine Steuern zahlen, ist skandalös. Dass sie die Datenschutzgrundverordnung, den Digital Services Act und den IA-Act weitgehend ignorieren, weil ihnen in Dublin eine willfährige und zahnlose Datenschutzbehörde Schlupflöcher schafft, oder Deutschland es nicht schafft, schlagkräftige Behörden mit deren Umsetzung zu betrauen, muss endlich beendet werden. Dass sie mit ihrem Geschäftsgebaren und auf ihren Plattformen nicht nur von fast jeder Person private personenbezogene Daten stehlen, sondern auch Milliarden Werbegelder abziehen und damit die Zeitungs- und Medienlandschaft zerstören und obendrein Einfluss auf Wahlen nehmen, fordert drastische Maßnahmen geradezu heraus. Alle diese Tech-Konzerne müssten endlich mindestens 25% Steuern ihrer Milliardengewinne in der EU zahlen. Bußgelder, die sie für Datenlecks bezahlen müssen, muss die EU endlich konsequent eintreiben und sich nicht immer wieder auf wachsweiche Vergleiche einigen. Danach – und erst dann – darf die EU Trump Kompromisse oder den Verzicht auf Zölle anbieten.
Diplomatie bedarf der Macht
Nach dem Ende der Ampel hat Joschka Fischer der Leidenschaft älterer Männer nachgegeben: Er hat ein Buch geschrieben – und deshalb stielt er sich derzeit wieder in die Tankshows zurück und gibt Interviews. In einem solchen im “Kölner Stadtanzeiger” hat er gestern eine Binsenweisheit zum Besten gegeben: Diplomatie wirkt, wenn dahinter die Drohung von Macht steht. Wer hätte das gedacht? Fischer meint es so, dass vor allem Bewaffnung und Aufrüstung der EU Macht bedeuten und deshalb des dramatischen Ausbaus bedürfen. Gegenüber Putin mag das ja nicht ganz falsch sein. Gegenüber der Trump-Gang jedoch gilt vor allem ökonomische Macht. Die auszuspielen, hat die EU bisher nicht verstanden. Ob das mit einer Merz-Regierung besser wird, darf sehr bezweifelt werden.
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