Interessanter Beitrag in der Sonntags-FAZ

Der Versuch von Ralph Bollmann/FAZ (Paywall), Trumps Handelskriege mit Begriffen des großen Kriegstheoretikers Clausewitz zu deuten, führt auf drei interessante Fragen.

Sollte man Trumps Politik noch im engeren Sinne als zweckrational und instrumentell deuten, entsprechend der Taktiken und Strategien, die auf den klassischen Militärakademien gelehrt werden? Oder handelt es sich nicht um eine Wiederbelebung eines „wilden“ Krieges, so wie beim berühmten furor teutonicus, den schon die Römer fürchteten und der das Überleben der Eigengruppe ganz existenziell in den Mittelpunkt stellt? Es sollte nicht verwundern, wenn Trumps populistische Feinbildkonstruktion hier sozusagen „existenziell“ überschwappt und die Phantasien von Umvolkung und Überschwemmung durch andere Völkerschaften in den heißgelaufenen Imaginationen die Überhand erlangt und alle Zweckrationalität fahren lässt – zumindest solange, bis man sich die eigene Nase blutig geschlagen hat.

Ein zweiter Punkt ist die Rolle von „Friktionen“ im Krieg und in vielen anderen Formen eines großflächigen politischen Handelns. Clausewitz wusste, dass drei Viertel dessen, was sich im Krieg abspielt, schwer zu berechnen ist und mehr oder weniger im Nebel liegt. Die Zufälle und Hindernisse können den schönsten Plan – so es denn einen gibt – vollkommen in die irre laufen lassen. Wenn Trump einen globalen Handelskrieg lostritt, dann gilt das umso mehr. Die komplexen globalen Verflechtungen und die wechselnden inneren Stimmungslagen in Rechnung gestellt, liegen hier vielleicht sogar neun Zehntel der konkreten Folgen im Dunkeln. Allerdings ist Trump selbst die größte unberechenbare Friktion für seine Partner/Gegner/Feinde. Er hofft wohl auch darauf, mit der Stärke der USA die vielen Zufälligkeiten, die er auch für andere erzeugt, für sich ausnutzen zu können.

Ein dritter Punkt ist schließlich die von Clausewitz hochgeschätzte Position der Defensive und Verteidigung, die mit viel sparsameren Mitteln auskommt als der Angriff. Letzterer erfordert im wirklichen Krieg ja eine mehrfache Überlegenheit, um planbar erfolgreich zu sein. Für Europa heißt das erstens, dass es zusammenstehen muss und sich von Trump und auch von seiner populistischen Anhängerschaft in Europa nicht auseinander dividieren lassen darf. Treffsichere Verteidigungsmassnahmen sind ein weiterer Punkt. Nicht zuletzt die, die in den USA bereit sind, Trumps Politik mitzugehen, müssen getroffen werden, nicht die, die ihr sowieso schon skeptisch gegenüber stehen.

Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.