In ihrem von Sachkenntnis ungetrübten Wüten gegen öffentliche Medien, angestachelt von einem halben Dutzend Milliardär*inn*en, die mit gedruckter Presse zu Oligarch*inn*en wurden und nun nicht mehr weiter wissen, wollen die 16 deutschen Ministerpräsident*inn*en, die doch eigentlich durch uns und nicht durch diese Milliardär*inn*e*n in ihr Amt gelangt sind, u.a. dem deutsch-österreichisch-schweizerischen TV-Sender 3sat den Garaus machen. Das wird zwar fast nichts sparen, aber doch einiges zerstören.
3sat firmiert gerne als “Kultursender”, als “anders fernsehen”. Schön wärs. Allzu selten ist das der Fall. In erster Linie ist das Program eine Abwurfstelle für bisweilen betagte Wiederholungen der beteiligten Sender ARD (mit 9 Mitgliedssendern), ZDF, ORF und SRF. Viel “Naturfilm” und Tourismuswerbung. Wobei: das morgendliche “Alpenpanorama” kann vielleicht beanspruchen, dem spektakulären skandinavischen Elchfernsehen als meditatives Vorbild gedient zu haben … Für achtsames Aufwachen eine gute Alternative zur zumeist verärgernden und das Adrenalin hochtreibenden Radio-Primetime.
Aber ich schweife ab. Kultursender. Bisweilen ja. Dieter Botts “tägliche Sportschau” ist die “Kulturzeit”, werktäglich um 19.20 h vor der Tagesschau. Qualitativ zweifellos das marktführende Magazin in dieser Disziplin. Im Quotenrennen gegen die gleichzeitigen WDR-Lokalzeiten chancenlos, aber meistens die bessere Alternative. Am Wochenende finden sich um diese Sendezeit ebenfalls interessante Dokumentationen aus dem Kunst- und Kulturbetrieb, die oftmals noch nicht woanders gelaufen sind.
Doch ein Spitzenprodukt entdeckte ich am letzten Samstag als Alternative zum ESC-Irrsinn und zur berechenbaren “Wilsberg”-Spannung:
“Unser Deutschlandmärchen – Theaterstück nach dem preisgekrönten Roman von Dinçer Güçyeter: Mutter und Sohn. Ein Leben in Deutschland, meist alles andere als märchenhaft, voller Hoffnung und ebenso viel Ernüchterung.” verfügbar 1 Jahr. Bestes Theater-TV aus dem Berliner Maxim Gorki Theater unter der langjährigen Leitung (seit 2013) der kämpferischen Shermin Langhoff.
Zum Theater-TV muss ich bemerken, dass ich dort vieles sehen kann, was im Theater für Sehbehinderte wie mich allenfalls in den ersten fünf Reihen möglich ist: die Gesichter und das Mienenspiel der Schauspieler*innen.
Tief beeindruckt hat mich in diesem Fall Sesede Terziyan, mit der ich nach so einer Aufführung am liebsten um die Häuser ziehen würde, so viel gäbe es zu diskutieren. Wobei ich als Ausweis meiner Inkompetenz gestehen muss, dass ich sie zunächst mit Maryam Zaree (“Doppelhaushälfte“) verwechselt hatte. Aufwachsen in “Butjadingen (Niedersachsen) und Sulzbach an der Murr (Baden-Württemberg)”, so der Wikipedia-Eintrag von Frau Terziyan, das wäre sicher auch für Menschen ohne Migrationsgeschichte ein schweres Schicksal. Ihr und ihrer Kunst hat es offenbar nicht geschadet.
Haben wir ein Glück mit solchen Künstlerinnen. Ich empfehle: überzeugen Sie sich selbst.
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