Staatsanwaltschaft hat bei Gesichtserkennungssystem gegen Datenschutzrecht verstoßen

Die Berliner Datenschutzbeauftragte kritisiert die Staatsanwaltschaft, weil sie mehrfach ein Gesichtserkennungssystem im öffentlichen Raum eingesetzt hat. Dafür gebe es keine geeignete Rechtsgrundlage.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat bereits mehrmals auf Gesichtserkennungssysteme zurückgegriffen. Bis August 2024 gab es sechs Verfahren, bei denen ein biometrischer Abgleich von Bildern aus dem öffentlichen Raum erfolgte, wie durch eine parlamentarische Anfrage herausgekommen war. Die Berliner Datenschutzbeauftragte Meike Kamp kritisiert diesen Einsatz und macht die Frage nach der Rechtmäßigkeit zu einem Schwerpunkt in ihrem aktuellen Jahresbericht.

„Der Einsatz von Gesichtserkennungssystemen durch Strafverfolgungsbehörden greift intensiv in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein“, sagt Kamp. „Menschen können nicht einfach ihr Gesicht absetzen. Werden sie anhand ihrer biometrischen Merkmale in der echten Welt erfasst und identifiziert, schwinden jene Bereiche, in denen sie sich anonym und ohne Spuren zu hinterlassen bewegen können.“

Die gesetzlichen Regelungen, auf die sich die Berliner Staatsanwaltschaft gestützt hat, böten „keine ausreichende Grundlage“ für die biometrische Identifizierung. Sie warnt daher davor, „dass ein zukünftiger Einsatz des Gesichtserkennungssystems gegen das Datenschutzrecht verstoßen würde“.

Keine geeignete Rechtsgrundlage

Es geht dabei um drei Vorschriften, die die Staatsanwaltschaft als Rechtsgrundlage nennt. Zum einen die Regelungen der Strafprozessordnung (StPO) zur Rasterfahndung. Die seien nach Einschätzung Kamps nicht bestimmt genug für die Verarbeitung der abzugleichenden Bilder aus dem öffentlichen Raum.

Bei der zweiten zitierten Vorschrift aus der StPO zu Bildaufnahmen, die mit technischen Mitteln erfolgen, gehe die Verarbeitung biometrischer Daten „über den erlaubten Anwendungsbereich hinaus“. Und bei dem angeführten Paragrafen zur längerfristigen Observation sei die besonders sensible Natur biometrischer Informationen ebenso nicht berücksichtigt.

Doch nicht nur die Rechtsgrundlagen lassen die Berliner Datenschutzbeauftragte zweifeln: Sie sieht einen Verstoß gegen das Datenschutzrecht, weil die Staatsanwaltschaft „keine Datenschutzfolgenabschätzung für das System erstellt hat und unzureichend mit der Berliner Datenschutzbeauftragten zusammengearbeitet hat“.

Amtshilfe aus Brandenburg und Sachsen

Bei den meisten der Ermittlungen, in denen das Gesichtserkennungssystem eingesetzt wurde, ging es um schweren Bandendiebstahl, in einem der Fälle um Raub. Da Berlin selbst nicht über ein entsprechendes System verfügt, haben sich die Ermittelnden Amtshilfe in Brandenburg und Sachsen geholt; Ermittlungsrichter:innen haben den Einsatz genehmigt.

Ähnlich wie ihre Berliner Amtskollegin äußerte sich Anfang Mai die brandenburgische Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge, nachdem in ihrem Bundesland in zwei Verfahren ein Programm zur Gesichtserkennung genutzt wurde. Sie stufte den Einsatz als nicht verhältnismäßig ein, da es auch um die Gesichter vieler Unbeteiligter gehe.

Das Gremium der deutschen Datenschutzbehörden, die Datenschutzkonferenz, kam im vergangenen Jahr zu dem Schluss: In der Strafprozessordnung finden sich derzeit keine Regeln, auf die sich Ermittlungsbehörden stützen können, um Gesichtserkennung im öffentlichen Raum überhaupt einzusetzen. Bevor Polizei und Staatsanwaltschaften also derartige biometrische Erkennungssysteme nutzen, bräuchte es zunächst eine Rechtsgrundlage. Hier setzen jedoch Vorgaben aus KI-Verordnung und Verfassung enge Grenzen.

Anna Biselli ist Co-Chefredakteurin bei netzpolitik.org. Sie interessiert sich vor allem für staatliche Überwachung und Dinge rund um digitalisierte Migrationskontrolle. Kontakt: E-Mail (OpenPGP), Mastodon, Telefon: +49-30-5771482-42 (Montag bis Freitag jeweils 8 bis 18 Uhr). Dieser Beitrag ist eine Übernahme von netzpolitik, gemäss Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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