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Iran und die Frage des Völkerrechts

In der “BLÖD”-Zeitung hat Bundeskanzler Friedrich Merz am Rande des G-7-Gipfels erklärt, “Israel macht für uns die Drecksarbeit im Iran” – was immer das “uns” bedeuten mag. Der Kanzler wollte wohl zum Ausdruck bringen, dass er den Angriff auf den Iran für gerechtfertigt hält.  Nun ist er ja noch keine 100 Tage im Regierungsamt und hatte vorher noch keins – trotzdem sollte er vielleicht seine Beamten im Kanzleramt oder im Auswärtigen Amt nach der Rechtslage befragen, bevor er sich als Dampfplauderer auf internationaler Bühne verplappert. Denn ob der Angriff Israels auf den Iran nach internationalem Recht gerechtfertigt ist, ist höchst umstritten. Was aber Israel bei allem Verständnis als Notwehr für sich auslegt, kann und darf sich nicht der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zueigen machen. Er ist kein Jurist, aber sein Stab sollte ihm schon klarmachen, dass das Völkerrecht per Grundgesetz und dessen Friedensgebot zentraler Bestandteil unseres Verfassungsrechts ist.

Verfassungsrechtlicher und diplomatischer Fauxpas

Noch schwieriger wird Merz’ Bemerkung vor dem Hintergrund der Erklärung, dass der Israelische Ministerpräsident und auch sein Verteidigungsminister Katz wiederholt deutlich gemacht haben, dass ihr Kriegsziel neben der Zerstörung des Atomprogramms ein Sturz des Mullah-Regimes im Iran ist. Eine solche Zielsetzung ist bei aller Solidarität mit Israel keine Aufgabe der Bundesrepublik oder der EU.

Dass Merz und Außenminister Wadephul sich zwei Tage später öffentlich selbst als mögliche Vermittler ins Spiel gebracht haben, war wohl auch eher aus der Hüfte geschossen. Genauso gut gemeint und schlecht gemacht, wie die öffentlichen Angriffe Annalena Baerbocks wegen der Uiguren an die Adresse ihres Kollegen auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem chinesischen Außenminister.

Das geplante Treffen der Außenminister Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands  in Genf mit dem  Iranischen Kollegen ist ein ehrenwerter Versuch, aber die Frage stellt sich, wie glaubwürdig Deutschland nach Merz’ Einlassung in Kanada als Vermittler auftreten kann.

Nur die Iraner:innen sebst können die Mullahs verjagen

Die Herrschaft des schiitischen Klerus im Iran stützt sich auf etwa eine Million Angehörige des Militärs und der fanatisch indoktrinierten Revolutionsgarden. Zweifellos haben diese seit 1979 mit martialischen und zum Teil bestialischen Mitteln, zu denen Folter, Massenverhaftungen, Verfolgung jeder Opposition und Hinrichtung von Regimegegner:innen oder einfach von Frauen gehören, die gegen die Kleidervorschriften des Regimes verstoßen ein Terrorregime errichtet. Immer wieder hat es Versuche gegeben, dass sich Bürger:innen  des zutiefst korrupten und brutalen Regimes entledigen. Zuletzt  die Frau-Leben-Freiheit Proteste 2022 sowie 2019, die alle brutal niedergeschlagen wurden.

Ursachen der islamischen Revolution nicht vergessen

Wer heute mit dem Gedanken spielt, das Regime der Islamisten im Iran zu überwinden oder abzulösen, sollte sich vor allem vor Augen führen, was 1979 die islamische Revolution ermöglicht hat. Sie wurde von der verarmten, überwiegend konservativen und islamischen Landbevölkerung getragen, nachdem sich die Westmächte USA und Großbritannien immer wieder im Iran eingemischt hatten. Höhepunkt war die  1953 von den Geheimdiensten der USA und Großbritanniens durchgeführte Operation zum Sturz des demokratisch gewählten, sozialistischen Premierministers Mohammad Mossadegh. Dieser wollte die Öl- und Gasindustrie verstaatlichen, was den Interessen der Ölkonzerne widersprach. Nach dieser Aktion stärkten vor allem die USA den ebenfalls mit Zensur, Folter und Unrechtsjustiz diktatorisch regierenden Schah Reza Pahlevi.

Von einer Gewaltherrschaft in die nächste

Bekanntermaßen führt der Sataatsbesuch des Schah in der Bundesrepublik am 2.6. 1967 zu bundesweiten Demonstrationen der Studentenbewegung und in Berlin zu Gewaltexzessen der “Prügelperser”, die mit Dachlatten auf die protestierenden Student:innen losgingen und dabei zum Teil noch von der Berliner Polizei unterstützt wurden. Am Rande der Demonstration wurde der Student Benno Ohnesorg vom Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen. Obwohl verschiedene US-Präsidenten, vor allem Jimmy Carter in den 70er Jahren  Druck auf den Schah ausübten, mehr Demokratie zuzulassen und  trotz zahlreicher Proteste im Iran gegen das Schah-Regime änderte sich dort nichts bis zur Rückkehr Ajatollah Chomeinis aus dem Pariser Exil 1979 und der Flucht des Schahs.

Vernichtung Israels als Staatsziel

Chomeini und die schiitischen Geistlichen installierten eine islamische Scheindemokratie, die eine gewisse Opposition, für die z.B. die “Reformer” unter Ajatollah Rohani standen und aus Sicht der Hardliner ungefährliche Minderheiten – nicht etwa die iranischen Kurden – werden im islamistischen “Parlament” toleriert und haben zur Stabilisierung des Mullah-Regimes beigetragen. Chomeini und seine Nachfolger festigten ihre Macht mit dem Aufbau einer internationalen Struktur der Terrorunterstützung. Die Hisbollah im Libanon, Hamas im Gaza-Streifen, zeitweise in den 70er Jahren sogar die PLO und die Huthi-Armee im Jemen sowie das Bündnis mit dem Assad-Regime in Syrien  sind Instrumente der Kriegspolitik des Irans gegen Israel geworden. Und dies, obwohl die Assads – Vater wie Sohn – immer eine säkulare Diktatur betrieben haben.

Viele Regimegegner*innen haben keinen Plan

Klar ist aber, dass es im Iran viele Splittergruppen, eine mehrheitlich unzufriedene Bevölkerung gibt, aber jeder Widerstand, der sich aufgrund einer Intervention von Israel oder der USA oder gar mit deren Unterstützung formieren würde, hätte keinen wirklichen Rückhalt in der breiten Bevölkerung zu erwarten. Es gibt so gut wie keine demokratischen oder gar politisch liberalen Kräfte im Iran, es gibt die ebenfalls religiös fanatischen Volksmujaheddin und es gibt immer noch jede Menge rückwärtsgewandte Monarchisten, die sich den Schah zurückwünschen. Dass sich der Sohn dieses Gewaltherrschers, der in den USA lebt, dieser Tage in der Öffentlichkeit gemeldet und seine Bereitschaft erklärt hat, eine Übergangsregierung zu bilden, ist vor dem Hintergrund der Geschichte so dreist wie absurd. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass nach einer Entmachtung der Mullahs der Iran in ein ähnliches Chaos stürzen könnte, wie der Irak nach dem zweiten Irakkrieg der USA.

Völkerrechtswidriges Spiel mit dem Feuer

Diese Fakten machen deutlich, welches Risikospiel Israel derzeit spielt und warum selbst das Großmaul Donald Trump jetzt erklärt,  14 Tage für seine Entscheidung zu brauchen. All dies ist jedenfalls nichts, bei dem sich die Bundesrepublik Deutschland beteiligen darf. Sonst wird aus Völkerrecht das Recht des Stärkeren. Donald Trump mag das für Politik halten, weil ihn internationales Recht ein Dreck schert . Wir aber haben eine Verfassung, die das verbietet. Friedrich Merz muss das noch lernen.

Über Roland Appel:

Avatar-FotoRoland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Avatar-Foto
    Suleiman

    @rolandappel

    #FriedrichMerz und seine Kollegen scheren sich auch in Sachen "Zurückweisungen an der Grenze" und "Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu" nicht um internationales Recht. Wir haben derzeit eine Führungsriege in Deutschland, die wohl glaubt über dem Recht zu stehen. Nicht weit entfernt von einem #DonaldTrump.

  2. Avatar-Foto
    A.Holberg

    ich vermute, dass Merz das nicht so gemeint hat, wie es richtig verstanden sein sollte;
    Israel und noch eindeutigen die Ukraine sind mit ihren Aktionen Erfüllungsgehilfen regionaler geopolitische Strategien des durch NATO und EU repräsentierten westlichen Imperialismus. Die Ukraine und das zionistische Israel liefern die Toten und Verletzten, ” wir” kassieren die Profite . Dass Israel hier zur “Staatsraison” gehört, erklärt sich daraus, dass die Zionisten gerne bereit waren, statt ihren Staat z.B. auf dem Boden der ” christlich-abendländischen” Welt und hier insbesondere dem der Verantwortlichen des anti- jüdischen Holocaust zu errichten , dafür das Land der an diesem Verbrechen unschuldigen Palästinenser nahmen und dafür bereit war, als Gegenleistung zum unversänkbaren Flugzeugträger der westlichen ” Demokratien” in dieser an Bodenschätzen so reichen nahöstlichen Region zu werden – und natürlich auch das Leben der eigenen Leute zu opfern – also für “uns” die “Drecksarbeit” zu erledigen

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