Stellen wir uns vor, Social-Media würde funktionieren, wie ein wanderndes Plumpsklo. Wenn der Eimer voll ist, kommt es komplett weg, ein neues Loch wird ausgehoben und wir fangen ganz von vorne an. Ganz allgemein hat so ein Plumpsklo tatsächlich mit Social-Media sehr viel gemein. Im alten Rom waren es auch weniger stille Örtchen, sondern eher ein geselliges Beisammensein, es gab gleich mehrere Schusslöcher, ganz ohne Trennwände konnte über Grenzen hinweg philosophiert werden oder übers Geschäft geplaudert, bei Wikipedia nachzulesen.

Leider ist aber Social-Media kein wanderndes Plumpsklo, wir können also niemals neu anfangen und so wird die Jauchegrube nicht nur größer, sondern die stinkende Brühe immer trüber. Der olfaktorische Faktor ist zwar mittlerweile unerträglich, wird aber von höchsten Regierungskreisen uneingeschränkt bevorzugt – wahrscheinlich sogar deshalb.

Die ganze Scheiße soll sogar süchtig machen, TikTok hat einen Suchtmechanismus eingebaut, um vor allem jugendliche Nutzer anzusprechen, zur Tiktok-Sucht zu verleiten, sagen Verbraucherschützer und klagen in New Hampshire. Richter John Kissinger Jr. lässt nun die Vorwürfe untersuchen. Es ist schon beeindruckend, was der rausgefunden zu haben glaubt, in der Stellungnahme heißt es: „TTI implementiert süchtig machende Funktionen, die irreführenden Darstellungen von TTI führen dazu, dass mehr Kinder aus New Hampshire die App nutzen, die Designfunktionen und falschen Darstellungen ermutigen Kinder dazu, mehr Zeit in der App zu verbringen, was dazu führt, dass sie mehr Werbung sehen und in den elektronischen Handel einsteigen, was zu zusätzlichen Servicegebühren führt, die TTI einnimmt.“ TTI ist die Tochtergesellschaft in den USA der chinesischen Bytedance, die TikTok anbieten.

Tss, diese Chinesen, Teufel aber auch, einmal nicht aufgepasst und die machen das was X, Facebook etc. schon die ganze Zeit treiben. Und wir? Wir dürfen keine Klage führen, nicht wir – wir haben kein erfolgreiches TikTok. Wir befüllen nur die Jauchegruben und… und zahlen sogar dafür! Der größte Führer aller Zeiten, Donald Trump schäumt und betraft uns ab 1. August mit 30 Prozent Zöllen, wo lässt er das raus? Nicht doch, der schickt keinen Brief an die EU, z.Hd. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, er benutzt dazu seine eigene Jauchegrube „Truth Social”. Mit den Zöllen verfolgt er hehre Ziele, denn er möchte das Handelsungleichgewicht korrigieren, berichtet das Manager-Magazin. Und das Manager-Magazin zitiert ihn mit dem Satz: „Es ist wie eine neue Welt. (…) Sie gehörten zu den härtesten, mit denen wir zu tun hatten. In vielerlei Hinsicht waren sie sogar noch schlimmer als China“. Wir sind also schlimmer als die Chinesen gewesen? Und jetzt?

Es gibt da aber noch ein weiteres Handelsungleichgewicht, mit dem wir unsere Souveränität bereits aufgegeben haben. Die Digitalsteuer der EU für die nordamerikanischen Verwalter der Jauchegruben, Verzeihung: Großkonzerne, das wäre ein fetter Braten, theoretisch. Geht leider den Bach runter, weil die EU in angstvoller Haltung nichts tun wird, was den nordamerikanischen Weltenführer erzürnen könnte. politico.eu titelt denn auch „Victory for Trump as EU backs down on digital taxes in next budget

Brüssel duckt immer tiefer, es heißt: „Dialog statt Vergeltung“, verschiebt alle Gegenmaßnahmen auf Anfang August, berichtet der standard.at

Bei aller diplomatischen Zurückhaltung sollten wir im Blick haben, dass wenn wir denken, bei einem Trump-Deal sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen: Das hat keine Bedeutung! Wenn der eine Nacht schlecht schläft oder Ursula von der Leyen Mundgeruch hat, ist das alles sofort Makulatur.

Dennoch gibt es unangenehme Verstimmungen. Der Beauftragte für Kultur und Medien (BKM), Wolfram Weimer, auch dafür zuständig „die kultur- und medienpolitischen Interessen Deutschlands in verschiedenen internationalen Gremien zu vertreten“, lief in der Kriegssituation mit Donald Trump etwas vermessen mit seiner Idee einen 10-prozentigen Digi-Soli für Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft zu erheben, gegen eine solide Stahlwand.

Beim RedaktionsNetzwerkDeutschland (RND)  plaudert Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) aus, was sie davon hält. Das hört sich allerdings so an, als hätte sie am Vorabend mit einem der ausgezeichneten Wirtschaftsspezialisten der FDP einen Schnaps zu viel getrunken: „Wir sollten nicht über mehr, sondern über weniger Handelshemmnisse sprechen“ und dieser Tradition folgt: „Weniger Regulierung, mehr Raum für Innovationen und Wachstum.“ Sie will die Wettbewerbsbedingungen für deutsche und europäische Digitalunternehmen verbessern, aber keinen Digi-Soli. Und das Haus Weimers rudert elegant zurück, Die Welt zitiert eine Sprecherin des BKM mit den Worten: „alle rechtlichen, technischen, wirtschaftlichen und vor allem auch europapolitischen Aspekte sehr sorgfältig abgewogen, ebenso wie mögliche Alternativlösungen, zum Beispiel in Form einer freiwilligen Selbstverpflichtung der großen internationalen Plattformunternehmen.“ Ah ja, freiwillige Selbstverpflichtung, was muss ich mir da vorstellen? Ich denke: nix.

Auf der Seite des BKM findet sich zum Thema kein Wort, bleibt ein Blick in die Jauchegruben des Ministers, auf X und Bluesky ist Wolfram Weimer als strahlender Gratulationskanzler auf fast jedem Post zu sehen. Vielleicht gibt es was auf Mastodon, dort sind auch andere oberste Bundesbehörden? Und, da ist: nix.

Mit Medien oder Kultur hat Mastodon scheinbar nix zu tun, deshalb lieber ein Vollbad in der Jauchegrube auf X – aber immer schön lächeln!

Ich glaube, wir haben verloren, bevor wir überhaupt die Sturmhaube aufsetzen konnten. Bleibt der ehemalige Kulturstaatsminister Österreichs, welcher dereinst intonierte:… ich nehm ein Vollbad in Kerosin, ich pack mich in Dynamit, ich spreng mich aus sämtlichen Meldekarteien, und Sie, Sie fliegen mit.“(… und jetzt alle, mitsingen!)

Zum Schluss noch einen Postcast, der zweite Teil über Robert Kennedy Jr. – das ist der Niedergang, funktioniert ganz ohne KI, hier nehmt und bittet nicht um Gnade!

Über Christian Wolf:

Avatar-FotoChristian Wolf (M.A.) ist Autor, Filmschaffender, Medienberater, ext. Datenschutzbeauftragter. Geisteswissenschaftliches Studium (Publizistik, Kulturanthropologie, Geographie), freie Tätigkeiten Fernsehen (RTL, WDR etc.) mit Abstechern in Krisengebiete, Bundestag Bonn und Berlin, Dozent DW Berlin (FS), Industriefilme (Würth, Aral u.v.m), wissenschaftliche und künstlerische Filmprojekte, Projekte zur Netzwerksicherheit, Cloudlösungen. Keine Internetpräsenz, ein Bug? Nein, Feature. (Digtalpurist)