Heimatüberweisungen, auch Rücküberweisungen, Familienüberweisungen oder Remittanztransfers genannt, sind Gelder, die inländische Migranten in ihre Heimatländer überweisen. Der Begriff „Rück“überweisung ist indes irreführend, denn die Zahlungen laufen nur in eine Richtung. Dabei handelt es sich um beachtliche Beträge: Die höchsten Rücküberweisungen stammen aus den USA, 2023 waren es 93 Mrd. $. Aus Saudi-Arabien kamen 38 Mrd. $, aus der Schweiz 37 Mrd. $ und aus Deutschland 23. Mrd. $. Rund 55 % der Rücküberweisungen aus Deutschland bleiben in Europa. Bulgarien, Lettland und Kroatien sind stark von diesen Zahlungen abhängig. In den Kosovo fließen 1,8 Mrd. € pro Jahr.

Nach Angaben der Weltbank wurden 2023 rund 518 Mrd. US-$ aus Sende- in Empfangsländer überwiesen. Die weitaus meisten Zahlungen gingen nach Indien, das 2023 fast 120 Mrd. $ erhielt. Auf den weiteren Plätzen folgen Mexiko (66 Mrd. vor allem aus den USA), Philippinen (39 Mrd.), überraschenderweise Frankreich (37 Mrd.), China (29 Mrd.), Pakistan (26,6 Mrd.), Bangladesch (22 Mrd.) und Deutschland (21 Mrd.). Ihren eigenen Angaben zufolge erhielten die Empfängerländer sogar 822 Mrd. $. Diese signifikante Differenz zeigt die methodischen Probleme bei der statistischen Erfassung.

In Deutschland wird der Umfang der Heimatüberweisungen von der Bundesbank geschätzt. Eine Meldepflicht der Banken gibt es erst ab 12.500 €. Die Meldedaten sowie freiwillige Angaben der Banken unterzieht die Bundesbank einem Plausibiitätscheck, der u.a. die Anzahl der ausländischen Beschäftigten berücksichtigt. Besonders viel Geld aus Deutschland ging nach Polen, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Italien, Kroatien und in die Türkei. Das ist wenig überraschend, da in der Vergangenheit von dort die meisten Arbeitskräfte nach Deutschland kamen. Besonders stark sind in den letzten Jahren die Heimatüberweisungen nach Indien (plus 25 %), in die Ukraine (+ 23%) und nach Afghanistan (+ 14%) gestiegen. 15% aller Heimatüberweisungen flossen in Asylherkunftsländer, aus denen besonders viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren (Ukraine, Syrien, Irak, Afghanistan).

Für viele Empfängerländer sind die Heimatüberweisungen ein mächtiger finanzieller Beitrag. Weltweit transferieren mehrere hundert Millionen Menschen Geld zur Unterstützung ihrer Familien im Heimatland. Sie helfen ihren Angehörigen bei der Sicherung des Lebensunterhalts, reduzieren dort die Armut und tragen zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Die zusätzliche Kaufkraft beflügelt die heimische Wirtschaft. In der Heimat wird erwartet, dass Migranten Überweisungen tätigen. Diese Haltung dürfte die Bereitschaft zur Migration fördern und war eines der Argumente für die Einführung der Bezahlkarte.

Die UN-Landwirtschaftsagentur IFAD schätzt, dass jährlich rund 300 Mrd. Euro in Länder mit niedrigem oder geringem Einkommen fließen, also ein Mehrfaches der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen. Die Hälfte der Finanzströme fließt in ländliche Gebiete, wo Armut und Hunger am stärksten sind und wo Heimatüberweisungen am meisten wirken. Manche armen Länder fördern daher Migrationbestrebungen. In einigen Staaten erreichen Transferzahlungen einen hohen Anteil am Volkseinkommen, z.B. in Albanien 13%, In Serbien 12%, In Vietnam 10% und in Marokko 9%. Das belegt deren hohen finanzpolitischen Stellenwert.

Für viele Menschen in der Dritten Welt sind Heimatüberweisungen daher die wichtigste Einnahmequelle. Wer keine solchen Zahlungen erhält, fühlt sich benachteiligt. Andererseits besteht die Gefahr, dass bei den Empfängern von Heimatüberweisungen die Bereitschaft sinkt, selber zu arbeiten oder eine Ausbildung vorzunehmen. Bemängelt wird auch, dass die Rücküberweisungen hauptsächlich für Konsumzwecke verwendet und nicht investiert werden. Dies wiederum fördert den Import von Konsumgütern, der in armen Ländern negative Wirkungen erzeugt.

Das Potential der Heimatüberweisungen als wichtige Einnahmequelle wird seit Jahren von nationalen und internationalen Stellen anerkannt. Um die Bedeutung der finanziellen Beiträge von Migranten für ihre Familien zu Hause zu würdigen, haben die Vereinten Nationen den „Internationalen Tag der Heimatüberweisungen“ ins Leben gerufen. Er wird jährlich am 16. Juni begangen. Damit wird der Beitrag von mehr als 200 Millionen Migranten gewürdigt, das Leben ihrer 800 Millionen Familienmitglieder zu Hause zu verbessern und ihren Kindern eine hoffnungsvolle Zukunft zu ermöglichen. 

Mit diesem Gedenktag wollen die Vereinten Nationen ein größeres Bewusstsein für die Auswirkungen schaffen, die diese Beiträge auf Millionen von Haushalten, aber auch auf Gemeinschaften, Länder und ganze Regionen haben. Der Tag ruft außerdem Regierungen, Unternehmen des Privatsektors und die Zivilgesellschaft dazu auf, Wege zu finden, wie die Wirkung von Überweisungen durch individuelle und/oder kollektive Maßnahmen maximiert werden kann.

Auch die wissenschaftliche Forschung bewertet das Instrument der Heimatüberweisungen überwiegend positiv. Sie reduzieren die Armut im Empfängerland, helfen der dortigen Wirtschaft und ermöglichen den Familien in der Heimat wichtige Ausgaben wie einen Schulplatz, Medikamente oder Reparaturen am Haus. So können Heimatüberweisungen sogar zu weniger Migration führen. Allerdings werden sie weitestgehend für Konsumzwecke und nicht für Investitionen verwendet. Die Motive für Heimatüberweisungen wurden noch nicht abschließend untersucht. Deren Höhe – soviel steht offenbar fest – hängt vom Lebensalter, dem Haushaltseinkommen, der Ausbildung, dem Familienstand und dem Erwerbsstatus ab. Eine erfolgreiche Integration führt zu geringeren Zahlungen.

Nur etwa die Hälfte der Heimatüberweisungen erfolgt auf formellem Weg über Banken und Finanzdienstleister, die einer Bankenaufsicht unterliegen. Ein Großteil läuft auf informellen Wegen; vor allem über das Transfersystem heißt Hawala. Beteiligt sind Händler im Absende- und im Empfängerland, die durch den Austausch von Codes dafür sorgen, das die Zahlungen die richtigen Empfänger erreichen. Es fließt kein Geld, alle Zahlungen werden untereinander verrechnet. Das Hawala-System arbeitet vor allem in arabischen Ländern, dort besteht es bereits seit dem Mittelalter. In Deutschland ist das Verfahren verboten, nicht zuletzt, weil es keine Spuren auf Computern hinterlässt und Geldwäsche erleichtert. Auch wird Hawala für kriminelle Zwecke missbraucht, weil es korrupten Eliten die Kapitalflucht nach Deutschland erleichtert.

Überweisungsverfahren sind aufwändig und teuer. Derzeit liegen sie laut Weltbank bei 6,8% des Überweisungsbetrags (aus Deutschland 5,8%). Jährlich werden rund 40 Mrd. €/a an Gebühren fällig. Daher gibt es international verschiedene Überlegungen bzw. Bestrebungen, die Transaktionskosten zu senken. Die G 20 (die 20 wirtschaftsstärksten Staaten) haben sich 2014 verpflichtet, Heimatüberweisungen erschwinglicher zu machen. Bis 2030 sollen deren Kosten auf weniger als 3% gesenkt und alle teureren Überweisungskorridore beseitigt werden. In London wurde kürzlich eine auf Heimatüberweisungen spezialisierte Agentur gegründet. Sie berechnet nur 0,7% Provision.

2023 einigten sich die deutschen Bundesländer auf die Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende. Ein Teil der staatlichen Leistungen wird als Guthaben gewährt und nicht als Bargeld. Es ist damit nicht mehr für Überweisungen verfügbar und kann nicht zur bargeldlosen Zahlung von Konsumausgaben dienen. Nur ein Teil der Leistungen wird als Taschengeld/Bargeld gewährt. Geflüchtere sollen – so die Begründung – kein Geld ins Ausland überweisen, die Sozialleistungen sollen (nur) die hiesigen Lebenshaltungskosten decken. Gelegentlich wurde die Einführung der Bezahlkarte ausdrücklich damit begründet, Zahlungen ins Ausland zu verhindern. Zur Förderung des Lebensstandards in den Heimatländern sei die Entwicklungshilfe vorgesehen. Allerdings gibt es keine Belege, für welche Zwecke die staatlichen Zahlungen verwendet werden, weil die Heimatüberweisungen nicht erfasst oder gemessen, sondern nur geschätzt werden 

Zudem kann methodisch nicht zwischen Heimatüberweisungen von Flüchtlingen und solchen von Migrant/innen unterschieden werden, die einem Beruf nachgehen, Geld verdienen und Überweisungen aus ihrem Einkommen tätigen. Da hilft auch ein Blick auf die Entwicklung der Heimatüberweisungen nicht, die in die „typischen“ Asylherkunftsländer fließen. Zwar sind diese 2023 nach Syrien (- 12%), Irak (-10%) und Afghanistan (-15%) gesunken, doch muss dies nicht an der Bezahlkarte liegen. Ein Teil der aus diesen Staaten geflüchteten Personen hat nämlich in Deutschland einen Job gefunden und verdient Geld. Daher basieren auch die Schätzungen der Bundessbank über die Höhe der Heimatüberweisungen auf der Zahl der Beschäftigten. Die Bezahlkarte erfasst nur das Verhalten derjenigen, die öffentliche Mittel beziehen, und nicht die Vielzahl der ausländischen Arbeitnehmer/innen, die Lohn/Gehalt erwirtschaften.

Ziel der Bezahlkarte ist es, die Heimatüberweisungen von Asylsuchenden zu begrenzen oder zu verhindern und damit die Motivation einzudämmen, Asyl zu suchen. Offenbar ist dieses Argument nicht tragfähig, denn der Umfang der Heimatüberweisungen ist seit Einführung der Bezahlkarte weiter gestiegen. Ohnehin ist die Größenordnung der Zahlungen der Geflüchteten sehr gering. Der Großteil stammt Experten zufolge von Arbeitsmigranten oder von Geflüchteten, die einen Beruf mit Einkommen gefunden haben. Eine Studie zeigt, dass zwar 12% der Migrant/innen Geld ins Ausland überweisen, aber – vor Einführung der Bezahlkarte – nur 7% der Geflüchteten. Zudem bekommen überhaupt nur 14% der Menschen aus Asylherkunftsländern öffentliche Leistungen.

Inzwischen ist die Bezahlkarte außer in Berlin in allen Bundesländern eingeführt worden. Dabei gibt es je nach Land unterschiedliche Regelungen. Beispielsweise lässt Bayern quasi keine Barabhebungen zu, woanders gibt es Obergrenzen, zumeist bei 50 €/mtl., bzw vergleichbar hohe Auszahlungen von „Taschengeld“. Onlinekäufe per Bezahlkarte sind in Bayern nicht erlaubt, die meisten andere Ländern gestatten dies – ggf. nach vorheriger Prüfung. Überweisungen für Bustickets, Internetanschlüsse u.ä. bleiben zulässig. Überweisungen ins Ausland und vergleichbare Transfers sind generell ausgeschlossen. Innerhalb Deutschlands sind sie in einigen Ländern erlaubt, z.T. nach vorheriger Prüfung. Einige Länder haben Zahlungen an Glücksspielanbieter verboten. Nicht umgesetzt wurde die Ankündigung, den Kauf von Alkohol zu untersagen. In Bayern kann der Einsatz der Karte auf den Wohnsitz des Geflüchteten begrenzt werden. Dies erschwert jedoch die Arbeitsmarktintegration. – Einige Regelungen sind bereits vor Gericht gelandet und gestrichen oder angepasst worden.

Die für die Einführung der Bezahlkarte genannten „praktischen“ Gründe wirken nicht überzeugend. Andere Überlegungen dürften eher zutreffen. Die Bezahlkarte dient als Instrument, potentielle Einwanderer/innen vom Weg nach Deutschland abzuschrecken. Sie soll eine bessere Kontrolle über die ausgezahlten Leistungen ermöglichen und Missbrauch durch Heimatüberweisungen verhindern, vor allem die Finanzierung von kriminellen Schleppern und Schleusern unterbinden. Letztlich wird sogar behauptet, dass die Bezahlkarte das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erhöht.

Befürworter verweisen auf Erleichterungen durch Nutzung der Bezahlkarte. So entfiele das monatliche Abholen der Unterstützung, und Flüchtlinge, die noch kein Bankkonto besäßen, könnten einfacher bezahlen. Ausschlaggebend  sind jedoch wohl die Einschränkungen, die mit der Karte verbunden sind. Selbstverständlich erschweren die Vorgaben, die mit der Nutzung von Bezahlkarten verbunden sind, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und damit auch die Mobilität und die Jobsuche.

Kritiker sprechen daher von einer Sonderbehandlung der Asylbewerber/innen, von Diskriminierung und Stigmatisierung. Warum soll man den Flüchtlingen vorschreiben, wofür sie ihr Geld verwenden? Die Behauptung, dass es an Schlepper fließt und nicht an Familienangehörige in der Heimat, konnte bislang nicht belegt werden. Die Wahrscheinlichkeit wird allein schon wegen der unter dem Existenzminimum liegenden Zahlungen als gering angesehen. Die Verwendung der Bezahlkarte als Instrument, um Asylbewerberinnen abzuschrecken ist demnach ein Missbrauch. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich bei der Bezahlkarte nur um Populismus handelt.

Migrationsforscher bezweifeln daher die Abschreckungswirkung der Bezahlkarte, andere Faktoren wie Schutz, Familie und Integration seien wichtiger. Befürworter weisen allerdings darauf hin, dass nach Einführung der Bezahlkarte eine größere Zahl von Asylbewerbern das Land verlassen habe. So sei in Bayern, Brandenburg und Hamburg die Zahl der freiwilligen Ausreisen spürbar gestiegen (die Zahlen stammen von der BILD-Zeitung). In Bundesländern mit weniger strengen Regulierungen sei die Abreisequote dagegen unverändert oder gar gesunken. Rückfragen ergaben indes, dass die Ursachen für die Änderung der Abreisezahlen nicht bekannt seien.

Wenn die Einführung der Bezahlkarte regelmäßig mit einem Rückgang der Asylantragszahlen und mit einer Zunahme von Ausreisen einhergeht, liegt eine Kausalität nahe. Die Bezahlkarte setzt dem grenzüberschreitenden Geldttransfer offenbar Grenzen. Mit Leistungsbetrug muss das nicht zu tun haben. Und ob die Wirkung zwingend ist, liegt an den Details der Handhabung in jenen Orten, wo die Karte im Einsatz ist. Die Kommunen müssen untereinander Daten austauschen, ihr Personal muss geschult sein, es muss klare Definitionen und Sanktionen bei Missbrauchsfällen geben und die begleitende Kommunikation muss Verständnis für Kontrollmaßnahmen wecken. Verschiedene Kommunen weisen darauf hin, dass die Umgehungsmöglichkeiten bei der Bargeldbeschaffung, wenn Überweisungen auf ein Zweitkonto möglich sind, das Regelwerk aushöhlen.

Die mit der Bezahlkarte propagierte Verwaltungsvereinfachung ist nach Ansicht von Kritikern nur vorgeschoben. So antwortete der Berliner Senat auf eine diesbezügliche Anfrage, dass Mehrausgaben durch personellen Zusatzbedarf, Schaffung technischer Schnittstellen, Bearbeitung von Überweisungsanträgen und Bedarfsprüfungen erwartet würden. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass die Höhe möglicher  Sozialleistungen keine bzw. nur eine untergeordnete Rolle für die Wahl des Ziellandes von Asylbewerbern spielen. Nur bei Asylbewerbern, die aus rein wirtschaftlichen Gründen kommen, könnte eine abschreckende Wirkung erzielbar sein. Überwiegende Ansicht ist, dass die Bezahlkarte kaum jemanden ernsthaft davon abhalten wird, Geld nach Hause zu schicken.

Wenn man mit der Bezahlkarte und mit strengen Kontrollen Heimatüberweisungen von erschwert, kann das zu Ausweichhandlungen führen, z.B. auf den Umweg auf Hawala-Systeme oder auf „Tauschaktionen“. Private Initiativen haben z.B. in Bayern und Hessen damit begonnen, Gutscheine, die mit Bezahlkarten erworben wurden, in Bargeld umzutauschen. Rechtlich scheint dies zulässig zu sein, es kann auch technisch nicht verhindert werden.

Offenbar hat die Stimmungsmache gegen Asylbewerber/innen und deren Finanzierung bereits gewirkt. Eine Umfrage vom März 2024 ergab nämlich, dass 77% der Bevölkerung der Einführung von Bezahlkarten zustimmen.

    Über Heiner Jüttner:

    Avatar-FotoDer Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.