Wo kann ich in Köln und Bonn lateinamerikanische Lebensmittel kaufen?
Wer in Mexiko Tacos essen möchte, den Namen der Standbetreiberin aber nicht kennt, sagt: Lass uns zu „Doña Pelos“ gehen, zur „Dame mit den Haaren“. Kein Tacostand, sondern ein Geschäft für mexikanische Lebensmittel, das ist Doña Pelos im Kölner Agnesviertel. Dort bin ich zum Interview mit Edgardo und Esteban verabredet. Hinter dem einladenden Eingangsbereich mit Kunsthandwerk, Sombreros, Tequilagläsern, bestickten Blusen aus Oaxaca und Lucha-Libre-Masken erwartet die Kundschaft ein geräumiger, langgezogener Raum.
„Edgardo verspätet sich um ein paar Minuten“, begrüßt mich Esteban. Macht nichts, gucke ich mir mal die Produkte an. In der Mitte ruht eine Auswahl getrockneter Chilis, wesentliches Element der mexikanischen Küche. Mit verschiedenen Salsas, Dosenfisch, getrockneten Bohnen geht’s weiter. Als nächstes kommen Kekse und Süßigkeiten. Gegenüber von der Theke thronen in Porträts Frieda Kahlo und Emiliano Zapata über einem Regal mit bunten Tortillachips. Danach kommt die Abteilung für Wein und Hochprozentiges: Tequila, Aguardiente aus Kolumbien, klar, aber auch, hui, ein Likör aus Dulce de Leche! Weiter geht’s mit mexikanischem Bier, auch quietschsüße Limos wie Postobon dürfen nicht fehlen. Womit wir bei Kolumbien angelangt sind. In Kühltruhen lagern Queso Fresco Costeño sowie vorgefertigte Arepas und Pan de Bono. Im letzten Abschnitt die Tex-Mex-Abteilung: Dosenbohnen, Jalapeños und scharfe Soßen. Daneben das Lebenselixier vom Río de la Plata: Mate, Mate, Mate, außerdem Alfajores und das argentinische Nutella, Dulce de Leche. Schließlich Produkte aus Maniok, das brasilianische Farinha etwa, und aus Mais: nixtamalisiertes Mehl aus Mexiko, dass dank chemischer Prozesse eine erhöhte Nährstoffwertigkeit und Klebereigenschaften besitzt, und Mehl aus vorgekochtem Mais der Marke „Harina PAN“, ideal für Arepas.
Selbst ist der Koch
Esteban kommt aus Kuba. Er vergöttert die mexikanische Küche. „In Kuba gibt es wenig Produkte. Die Vielfalt an Chilis, Salsas und Maismehlsorten hat mich total beeindruckt. Hier habe ich so viel gelernt über die mexikanische Küche.“ Sein Kollege Edson kam während der Pandemie nach Köln. Er ist eigentlich ITler und lernte den Laden als Kunde kennen. Nun arbeitet er dort. „Mir gefiel die Idee, Lebensmittel anzubieten für alle, die weit weg von ihrer Heimat leben.“ Ich frage die beiden jungen Männer, ob sie zuhause landestypische Speisen zubereiten. „Ich muss jeden Tag kochen. Bei mir gibt’s immer eine selbstgemachte Salsa“, versichert Edson. „Mir hat Edson beigebracht, mexikanisch zu kochen und scharf zu essen“, lacht Esteban. „Was viel Training erforderte. Jetzt bin ich bei der Salsa Habanera angelangt.“
Anfangs kamen hauptsächlich Mexikaner*innen in den Laden. „Heute haben wir hier alles. Vor allem Deutsche“, erklärt Edson. „Deutsche reisen gerne und wollen die leckeren Sachen nachkochen. Dann gibt es diejenigen, die Videos auf Insta gesehen haben und neue Rezepte ausprobieren wollen, sowie die Betreiber von Restaurants oder Foodtrucks.“ Spiegeln sich in der Kundschaft gesellschaftliche Trends wieder, etwa, dass in den letzten Jahren viele Kolumbianer*innen und Argentinier*innen gekommen sind? „Wir haben jetzt einen ganzen Kühlschrank voll mit kolumbianischen Produkten“, sagt Edson. Esteban findet es berührend, wenn jemand das erste Mal den Laden betritt und sich darüber freut, was es alles gibt. „Manch einer fühlt sich einsam, kennt noch nicht die Orte mit Latinokultur. Deswegen würden wir gerne noch mehr dafür sorgen, dass eine Gemeinschaft entsteht. Mit Events, die nicht unbedingt mit Essen zu tun haben, Lesungen vielleicht“, meint Edson. Wie gut gehen die Non-Food-Produkte? „An Karneval werden Lucha-Libre-Masken gekauft“, erzählt Esteban.
Der Freitagsclub
Der Onlineverkauf von Doña Pelos wird immer wichtiger. „Die Kundschaft bestellt aus Süddeutschland, aber auch aus Berlin oder Hamburg.“ Das überrascht, gibt es doch in westdeutschen Großstädten Geschäfte mit Latin Food. „Unsere Preise sind einfach besser“, grinst Edson, „und guter Service lohnt sich.“ Ebenso der Kundenkontakt. „Wir fragen, ob ihnen die Tortillas geschmeckt haben oder ob es mit dem neuen Rezept geklappt hat. Wir geben Kochtipps.“ Oder Beziehungstipps. Jetzt grinst Esteban: „Wir tauschen uns über unsere Erfahrungen aus, etwa über die Frage, wie die Deutschen so im Alltag ticken.“
Tortillas, Nacho-Chips und Salsas, das sind die drei Produkte, die am meisten gekauft werden, sind sich Edson und Esteban einig. Danach folgen Tequila, Bohnen und Bier. Dient der Laden als Treffpunkt? „Freitags trifft sich hier ein Grüppchen“, erzählt Edson. Esteban hat eine Anekdote parat: „Ein Mexikaner aus der Gruppe heißt Ramón. Eines freitagabends kam ein Spanier. ‚Ich bin auf der Suche nach Ramón‘. – ‚Ich bin Ramón. Warum?‘ – ‚Ich habe gehört, dass ihr euch hier trefft und nett seid. Kann ich einen mittrinken?‘“
Konkurrenz in Bonn
Partystimmung herrscht auch in der Bonner Maxstraße. Morgen ist Feiertag. Gegenüber von „Encanto Latino Kiosk-Shop“ hockt ein Grüppchen auf Bänken, hört Salsa und diskutiert lautstark. Es ist früher Abend, die meisten trinken – ihr bestimmt nicht erstes – Bier. „Ach ja, das Ordnungsamt“, seufzt José Luis aus Ecuador. Seine Frau Judith stammt aus Kolumbien und betreibt mit ihm seit knapp eineinhalb Jahren den Kiosk-Shop. „Nach zehn Uhr müssen die draußen leiser machen. Manchmal geht es aber bis in die frühen Morgenstunden.“ Der Bierverkauf läuft also gut. Auch Zigaretten und frisch gebrühten Kaffee bietet „Encanto“ an. Der Mix aus Kioskware und Lebensmitteln, darunter viele Produkte aus Kolumbien, ist offenbar eine gute Strategie. Die Kundschaft: zu 60 Prozent Kolumbianer*innen, gefolgt von Ecuadorianer*innen. Allerdings ist José Luis von seinen Landsleuten enttäuscht. „Am Anfang verkauften wir einige Produkte zu höheren Preisen. Die Ecuadorianer warfen mir vor, dass ich mich bereichern wollte, und kauften weiter im Afroshop ein. Wir fanden einen günstigeren Großhändler aus Spanien. Jetzt sind wir mindestens genauso günstig. Aber sie kommen nicht zu uns. Das ecuadorianische Restaurant in Bonn konnte sich auch nicht halten. Die Landsleute sagten, ‚bei dem Gourmet da ist es zu teuer‘. Sie unterstützen uns nicht.“ José Luis ist dankbar für seine kolumbianische Kundschaft, die teils bis zu zwei Stunden aus kleineren Städten anreist, um einen Großeinkauf zu machen. Sie arbeiten hier für ein bis zwei Jahre in Krankenhäusern in kleinen Orten. „Meistens bleiben sie, trinken ihr Pony Malta oder einen Kaffee und unterhalten sich mit uns.“ José Luis möchte sein Onlineangebot ausweiten und er träumt davon, guten Kaffee anbieten zu können sowie am Wochenende wechselnde Gerichte: Tamales, Tacos und frisch zubereitete kolumbianische Empanadas.
Deutsche sind die beste Kundschaft
Álvaro ist seit über 20 Jahren in Deutschland. „Damals wurden unsere Abschlüsse noch weniger anerkannt als jetzt. Ich musste mir eine Alternative überlegen.“ Der gelernte Bauingenieur öffnete 2004 seinen Laden „Tienda Latina“ in der Bonner Heerstraße. Ursprünglich wollte er ein Geschäft mit ausschließlich kolumbianischen Produkten. Schon bald weitete er seine Produktpalette aus, unter anderem hat er nun eine stabile Weinabteilung. Aber: „Hier in der Nähe sind vier Supermärkte. Wer kauft bei mir einen guten Wein für zehn Euro?“ In Zukunft möchte Álvaro verstärkt Kaffee anbieten.
In letzter Zeit hat die Zuwanderung aus Kolumbien zugenommen, vielleicht eine Chance für Álvaro? „Vor 20 Jahren kamen Leute zum Arbeiten, jetzt sind es viele Studenten. Und die kochen wenig. Eine Freundin sagte mir mal: ‚Die Deutschen werden deine beste Kundschaft sein.‘ Und ja, 50 Prozent meiner Kunden sind Deutsche.“ Wie sieht es mit kulinarischen oder sonstigen Events aus? „Alles schon ausprobiert, Lesungen oder Gesprächsabende. Vor 15 Jahren organisierte ich sogar ein Konzert mit einer berühmten Musikgruppe, Los Gaiteros de San Jacinto, hier in der Altstadt. Das war sehr viel Aufwand. Am Ende ist für mich wenig rumgekommen.“ Die deutsche Bürokratie tut ihr übriges. Für Veranstaltungen bräuchte Álvaro eine zweite Toilette, eine bessere Belüftung oder eine GEMA-Anmeldung, um Musik abspielen zu können.
Unsinnige Bürokratie
Mercedes aus Peru betreibt zwei Lebensmittelläden namens „Hola Mundo“, in Köln und Düsseldorf. Im Jahr 2007 eröffnete sie an der Luxemburger Straße in Köln ihren ersten Laden. „Ich brachte Ideen aus Spanien mit, denn etwas Vergleichbares fehlte hier.“ Jede Kundengruppe bekommt bei Mercedes ihre Lieblingsprodukte: Peruaner*innen kaufen gelben Ají, lila Mais und getrocknete Kartoffeln. Die Kolumbianer*innen sind süß unterwegs: Panela (aus Zuckerrohr) und Guaven-Happen sind begehrt und natürlich Harina PAN. Die Mexikaner*innen wiederum wollen Chilis und Tortillas. Ein Regal mit spirituellen Essenzen verspricht Abhilfe bei körperlichen oder mentalen Wehwehchen. „Die Leute fragen danach, ich bestelle es. Ich unterhalte mich gerne mit meiner Kundschaft. Früher blieben sie länger, aber mittlerweile kennen wir ja unsere Lebensgeschichten. Wer neu ist, hat ein größeres Bedürfnis, seine Sorgen loszuwerden.“ Online verkauft Mercedes nicht, mit den beiden Läden hat sie genügend Arbeit. „Ich bin zufrieden mit meinem Laden.“ Allerdings bereitet ihr die deutsche Bürokratie Kopfschmerzen. „Viele Regeln ergeben keinen Sinn. Letzten Samstag kam ein Mitarbeiter vom Ordnungsamt und verhängte eine Strafe von 35 Euro, wegen einem fehlenden Mülleimer am Eingang. Dort steht meine Inka-Figur. Der Plastikeimer zu seinen Füßen verdirbt das Bild“, seufzt Mercedes. „Aber es gibt auch tolle Begegnungen.“ Die Organisation Kulturklüngel bietet zum Beispiel kulinarische Stadtrundgänge und bringt regelmäßig bis zu 25 Leute in den Laden, die lateinamerikanische Kulinarik kennenlernen möchten. „Ich biete ihnen dann Causa Limeña an. 98 Prozent der Leute sind davon begeistert!“
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus ila 487 Juli/Aug. 2025, hrsg. und mit freundlicher Genehmigung der Informationsstelle Lateinamerika in Bonn.
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