Digitalcourage, die NGO, die jährlich den “Big Brother Award” verleiht, hat auf eine der größten Gefahren für die informationelle Selbstbestimmung in Europa hingewiesen. “Was derzeit im Hintergrund unter der Überschrift ‘Zollstreit mit den USA’ verhandelt wird, ist weit mehr als das – und es geht uns alle an. Das wichtigste europäische Gesetz zur Eindämmung der Marktmacht von Google, Apple, Amazon & Co. – der Digital Markets Act (kurz: DMA) – droht zur Verhandlungsmasse zu werden.”
Das Handelsblatt hat berichtet, US-Konzerne könnten künftig Mitsprache bei der Umsetzung der Gesetze erhalten. Die EU-Kommission bestreitet zwar offiziell, dass die Digitalgesetze – wie der Digital Markets Act, DMA – Teil der Verhandlungen sind, doch hat sie bereits stillschweigend einen ersten Rückzieher gemacht. Die geplante Digitalsteuer für große Techkonzerne soll nun nicht mehr kommen. Entsprechende Vorstöße des deutschen Digitalminiaters sind, diese EU-Recht betreffend, eher ein Ablenkungsmanöver. Die EU in den Verhandlungen lässt ein vorauseilendes Einknicken vor Donald Trump befürchten.
Zölle gegen Grundrechte?
In den Handelsgesprächen wird über weit mehr als Zölle verhandelt. Es geht auch um sogenannte „nicht-tarifäre Handelshemmnisse“. Diese vage Kategorie kann alles umfassen, was Konzernen irgendwie lästig ist. Datenschutz, Verbraucher*innen*schutz oder faire Wettbewerbsbedingungen – alles Werte, die uns wichtig sind und zum Teil – wie DSGVO und daraus abgeleitete EU-Verordnungen- Verfassungsrang haben. Aus Sicht von US-Konzernen wie Meta, Google oder Amazon aber ist der Digital Markets Act nur das: ein Handelshemmnis.
Zentrale Forderungen von Digitalcourage
Digitalcourage befasst sich seit vielen Jahren kritisch mit der Macht von Big Tech. Der Verein hat schon bei der Verleihung der Big BrotherAwards 2013 gefordert:
„Google muss zerschlagen werden!“ Big Tech nutzt derweil intensive Lobbyarbeit und wirtschaftlichen Druck, um jede Form von Regulierung zu verhindern oder zu entkernen.
Die aktuelle Übermacht der US-Tech-Konzerne gefährdet nicht nur den Wettbewerb, sie bedroht durch die enorme Meinungsmacht der Konzerne auch unsere Demokratie. Der Digital Markets Act allein wird diese Probleme nicht lösen, aber er ist ein Anfang. Deshalb darf die EU-Kommission nicht vor Trump einknicken! Und wir alle gemeinsam dürfen nicht zulassen, dass US-Firmen unsere demokratisch beschlossenen Gesetze torpedieren.
Keine Deals um EU-Gesetze gegen Erpressung von US-Oligarchen!
Für uns in Europa ist der Digital Markets Act ein dringend notwendiges Instrument gegen marktbeherrschende Plattformen. Und es gibt ein hoffnungsvolles Signal. Widerstand kommt nicht nur aus der Zivilgesellschaft, sondern auch von vielen kleinen und mittleren europäischen Tech-Unternehmen. Es wäre ein Verrat an der öffentlich erklärten Zielsetzung der EU, gegen ökonomische Angriffe und verteidigungspolitische Erpressungen durch alle potenziellen Ologarchien – auch die USA – resilienter zu werden, wenn die EU-Kommission an dieser Stelle einknicken würde. Es soll nach der Legende schon mal andere gegeben haben, die ihre Grundsätze gegen ein Linsengericht verscherbelt haben.
Was alles unter “Bürokratieabbau” getarnt wird
Leider ist der aktuellen Bundesregierung in dieser Sache nicht zu trauen. Denn einer ihrer Schwerpunkte betrifft den “Bürokratieabbau”, der angeblich unsere Wirtschaft lähmt, in Wirklichkeit aber unsere Grundrechte auf Datenschutz und Verbraucherschutz wahrt, indem er mit genau diesen EU-Verordnungen Verfassungsrecht gegen die internationalen Tech-Konzerne durchsetzt. Das ist Trump, Bezos, Musk, Zuckerberg und Co. ein Dorn im Auge und davor drohen sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung einzuknicken.
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