Die EM gab dem Frauenfussball einen Push – weitere werden folgen. Wird das in Deutschland erneut verpennt?
mit Update 28.7.
“Gerade in Deutschland wird es nach der EM viele Mädchen geben, die in den Verein wollen”. sagt die 33-jährige Julia Losert in einem lesenswert-informativem taz-Interview von Alina Schwermer. “Zum Teil gibt es zu wenig Vereine für zu viele Mädels. Aber da sind wir ja wieder beim Thema. Auch reine Männervereine sollten den Mädels die Möglichkeit geben, erst mal Fuß zu fassen. Wenn es zu viel Nachfrage und zu wenige Angebot gibt, verlieren viele das Interesse.” Exakt so war es bei der Heim-WM 2011, als Deutschland im Viertelfinale knapp mit 0:1 n.V. gegen die späteren Weltmeisterinnen aus Japan ausschied. Wird sich das nun wiederholen? Die sich am Kassenhäuschen den Arsch breitsitzenden Männer des deutschen Vereinsfussballs werden es entscheiden.
Die EM in der Schweiz hat jedenfalls ihre Schuldigkeit getan. Sie war gut organisiert, bot ausgezeichnete sportliche Leistungen, viele sehr, sehr knappe Spielentscheidungen mit dem Finale der Besten am Schluss. Wie die Deutschen haben die Britinnen, mit niederländischer Teamchefin, den überlegenen Spielstil der Spanierinnen entschlüsselt, und dabei ein minimales Quentchen mehr Kondition, und vor allem psychologische Stärke gezeigt, die fast jedes Elfmeterschiessen am Ende entscheidet. Anders als bei den Jungs, die sich in ihrer von milliardengepamperten Premier League hinter den international eingekauften Superstars hinten anstellen müssen, profitieren die britischen Frauen von der exzellenten materiellen Ausstattung ihrer im Geld schwimmenden Spitzenvereine in London und Manchester.
In Europa läuft es gut für den Frauenfussball. Diese EM war dafür das Optimum.
In vielerlei individueller und gesellschaftlicher Hinsicht sind diese Spitzensportlerinnen ihren ein Vielfaches an Geld einsammelnden männlichen Gegenstücken überlegen. Nehmen Sie nur mal die Charakterbildung der Weltfussballerin der letzten beiden Jahre, die Deutschland aus dem Turnier geschossen hatte, Aitana Bonmati – hier in einem faktenreichen SZ-Porträt ohne Paywll. Und auch Augsteins Freitag liess einen Kommentar von Alina Saha durch die Mauer blinzeln: “Queere Liebe bei der EM: Wenn Königin Fußball die Welt regiert – Die Welt könnte so schön sein, wenn sie sich eine Scheibe von den Frauen bei der Europameisterschaft in der Schweiz abschneiden würde”.
Saha bringt mich auf einen aktuellen Tratschstand der hochwichtigen Frage “Wer mit wem?”, zu dem ich nach den von mir – in dieser Reihenfolge – hochverehrten Linda Bresonik, Inka Grings und Holger Fach, die von der einschlägigen deutschen Boulevardpresse durch jede Jauchepfütze gezogen worden waren, den Anschluss mutwillig verloren gab. Ein prominenter Bonner Kommunalpolitiker hat viele Jahre ein ähnliches Beziehungsmodell gelebt, wie diese drei es angeblich getan haben. What shalls? Dass Bresonik und Grings unter den dreckigen Medienumständen noch nationalmannschaftswürdige Leistungen zeigten – das möchte ich so mal von einem Vertreter meines Genders erleben. Aber ich schweife ab.
Wagen wir lieber noch einen Blick hinaus in die wahre Welt. Nicht überall scheint die Sonne des Fussballs so wie in der reichen Schweiz. Darauf weist der Kicker-Autor Henning Middeldorf hin: “Turniere in Afrika und Südamerika: ‘Surreale Unterschiede’: Warum der restliche Frauenfußball neidisch Richtung EM blickt – Die EM in der Schweiz ist ein voller Erfolg – aber für den globalen Frauenfußball nicht normal. Parallel kämpfen Teams bei den Kontinentalturnieren in Afrika und Südamerika um Ansehen, Geld und Zuschauer. Und treten unter teils unwürdigen Bedingungen an.” So ist die Lage, wenn sie nicht von Antimigrationsmauern vernagelt wird.
Update 28.7.
Mit den EM-Bewertungen von Tanja Dückers/DLF-Kultur (Audio 8 min) stimme ich überein.
Über 7 Mio. haben dem Finale ohne deutsche Beteiligung zugesehen. Das ist bemerkenswert viel und mehr, als bei manchem Männerspiel mit ebendieser. Frauenfussball ist somit für die Massenmedien im Kapitalismus Premiumware.
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