Wikipedia: “Laura Dahlmeier war eine deutsche Biathletin, die nach ihrem Karriereende als Bergläuferin und Bergsteigerin aktiv war. Sie gewann sieben Gold-, drei Silber- und fünf Bronzemedaillen bei Biathlon-Weltmeisterschaften, 20 Weltcuprennen und den Gesamtweltcup der Saison 2016/17. Bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang gewann sie das Sprint- und das Verfolgungsrennen sowie die Bronzemedaille im Einzelwettkampf. Dahlmeier starb im Alter von 31 Jahren bei einem durch Steinschlag verursachten Bergunfall.” Was lernen wir daraus?
Mir liegt es fern, zu verdammen, wenn Menschen an ihre Grenzen gehen und das Abenteuer suchen. Sonst könnte ich nicht Politiker gewesen sein, Formel-1-Fan sein und Motorrad fahren. Aber der tragische Tod der Vorzeigeathletin ist für mich Anlass zu hinterfragen, welches System, welche Mechanismen Menschen wie die gute Laura Dahlmeier dazu bringen, nach Ende ihrer Karriere immer neue Herausforderungen zu suchen, die sie wieder und wieder an ihre Grenzen bringen oder sie überschreiten lassen. Und die natürlich nicht im Geheimen stattfinden.
Bergsteigen und gesellschaftlicher Ruhm
Bergsteigen umweht seit über einem Jahrhundert der Reiz des todbringenden Risikos und der Legenden. Ein wichtiger Begründer dieses Mythos war zweifellos Luis Trenker, der in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts begann, mit Bergsteigen und Filmen darüber dieses Genre bekannt zu machen. Er bestieg, drehte Filme darüber auch während der NS-Zeit, und setzte als einer der Wenigen nach 1945 seine Karriere als Filmemacher, TV-Star, bis hin zum Kinderstunden-Erzählonkel fort. Als Südtiroler war er von der Entnazifizierung nicht betroffen. Obwohl ihn Joseph Goebbels in den 40er Jahren vielfach erfolgreich instrumentatisieren konnte. Die Tatsache, dass dieser Sport immer wieder mit Katastrophen, z.B. an der Eiger-Nordwand, dem Matterhorn, dem Narga-Parbat oder dem Mount Everest verbunden waren, bietet bis heute einen fruchtbaren Boden für Märchen, Fabeln und Geschichten.
Unter welchen Bedingungen die Sherpas und örtlichen Bergführer, die den Erfolg der zumeist westlichen Seilschaften im Himalaya erst ermöglichen, leben, arbeiten, wie ihre soziale Sicherung aussieht – darüber ist fast nichts bekannt.
Die nicht aufhören können
Laura Dahlmeier gehörte offensichtlich zu der Kategorie von Extremsportler:innen, die nach ihrer Karriere nicht mehr ablassen können, immer neue Hypes und Herausforderungen zu suchen. Das hat eine gewisse Tradition, die insbesondere ihr Bergsteigerkollege Reinhold Messner begründet hat. Er war es, der immer neue Achttausender ohne Sauerstoff erklimmen und “besiegen” musste. Er wurde dabei von vielen Sponsoren “unterstützt”, die ihm die Abenteuer finanzierten. Einer dieser skupellosen Sponsoren ist Red Bull, der 2012 den kürzlich ebenfalls verstorbenen Felix Baumgartner zu einem Fallschirmabsprung aus dem Weltraum in 40 km Höhe außerhalb der Atmosphäre animierte und damit einen Rekord aufstellte. Auch Baumgartner kam vor einigen Tagen bei einem relativ trivialen Gleitschirmflug ums Leben. Laut Red Bull sind die Rekorde nicht der eigentliche Zweck der Mission gewesen. Stattdessen habe der “wissenschaftliche Nutzen” Vorrang gehabt, ebenso wie der Versuch, „Menschen zu inspirieren, Großes zu wagen“. Damit schaffte es die Molkeplörre des Herrn Mateschitz bis in die “Tagesschau”. Dass Baumgartners Rekord bereits 2014 von einem US-Privatmann namens Eustache – einem der Google-Eigner – weit übertroffen wurde, davon erfuhr die internationale Öffentlichkeit aber mangels Sponsorentamtam praktisch nichts.
Sponsoreninteresse und Öffentlichkeitsarbeit entscheidend
Auch bei Dahlmeier scheint dies eine Rolle gepielt zu haben. Ich bin viel zu fern der konkreten Szene, aber wenn ich lese, dass ihr “Management ein Statement abgegeben hat” und “ihre Kletterpartnerin sich nun erklärt hat”, klingt mir das doch nach kommerziell durchkapitalisierter Vermarktung des Produkts Dahlmeier, bei der ein bedauerliches Ableben durchaus professionell bearbeitet und im Repertoire des professionellen Umfelds als beherrschbar und kommunizierbar eingeschätzt und routiniert behandelt werden konnte. Offensichtlich hat der Kapitalismus Menschen, wie die sympathische Laura D., längst in seine Gewinn-/Verlustrechnungen einkalkuliert.
Bisher keine Schmierengeschichten
Was dieses Management bisher positiv erreicht hat, – vorbehaltlich dessen, was mir als Nichtnutzer von (a)sozialen Netzwerken verborgen bleibt – ist, dass sogar die Bild-Zeitung bisher keine Schmierengeschichten über Eltern, Verwandte, Exfreund:inn*e*n oder sonstige persönliche Details breitgetreten hat. Bleibt das so, wäre es die erfreuliche Ausnahme.
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