Zu einer Zeit, als eine materialistische Politik- und Gesellschaftsanalyse noch intellektuell präsent war – mitbegründet von einem weltberühmten Rheinländer ist sie heute ja noch nicht mal mehr “umstritten” – wussten nicht wenige Menschen aus den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, dass Kriege und Massenmord von herrschenden Klassen initiiert werden. Ausüben lassen sie das dann die fanatisierten Beherrschten. Die müssen dafür nur dumm genug sein. Paranoia ist dafür eine besonders geeignete Krankheit. Ich bin in diesem 20. Jahrhundert geboren, meine Eltern erlebten Krieg als Kinder und Jugendliche, meine Grosseltern (keine Nazis, auch keine Widerstandskämpfer) zwei Weltkriege. “Kriegstüchtigkeit”? Nicht mit mir. Im Fall des Falles sind wir sowieso tot. Soldaten sind Mörder.

Nahostexperte bin ich nicht, und will es in diesem Leben auch nicht mehr werden. Ich glaube schon länger, dass sich auch in diesem Weltkonflikt diverse Verbrecherorgansiationen gegenüberstehen, denen in relevanten Regionen und Staaten die Eroberung der Regierungsmacht gelungen ist. Um ihre Macht zu konservieren, kultivieren sie gruppenbezogenen Menschenhass/Rassismus und verbinden ihn mit ungezügelter eliminatorischer Propaganda = Mordlust. Wer sich in diesem Konflikt allen Ernstes und guten Gewissens für eine Partei entscheiden kann und gar in die politische Auseinandersetzung werfen will, hat in meinen Augen schwer einen an der Waffel, und benötigt “professionelle Hilfe”. Wer in dieser Konstellation Waffen und Rüstungsgüter liefert, tut das bei wachem Bewusstsein und aus strategischem Kalkül, u.a. um sich von seinem eigenen Antisemitismus freizukaufen. Das funktioniert so lange, so lange das Morden (noch) weit genug weg ist. Wer dagegen in dieser Hölle humanitäre Hilfe leistet, ist eine*e Held*in.

Manche Dinge sind so “einfach”. Was daran ist so schwer zu verstehen? Wenn Sie nun Verständnisprobleme haben – ich unterstelle: die Mehrheit hat die – dann empfehle ich Ihnen

Sylvain Lepetit, Miyuki Droz Aramak/Arte-TV: Libanon: Anatomie eines Krieges – Im September 2024 startete Israel eine Militäroffensive gegen die Hisbollah im Libanon. Zwei Monate lang wurden hisbollahfreundliche Viertel bombardiert. Über den militärischen Sieg hinaus beleuchtet der Dokumentarfilm die Folgen dieser ‘Strategie der verbrannten Erde’, die das Risiko birgt, dass die nächste Generation wieder zu den Waffen greifen wird.” Verfügbar bis 14.12. (70 min) Aber Vorsicht: “Dieses Programm enthält Szenen, die für junge oder empfindsame Zuschauer*innen nicht geeignet sind” Das stimmt in diesem Fall. Mehr als das. Es kann zu Wut, Zorn, Verzweiflung anstacheln. Für die “Clankriminaitäts”-Experten hierzulande sollte dieser Film ein Pflichtprogramm sein. Wie auch der folgende:

Ein filmischer Therapieversuch – Vorsicht, der geht ans Herz!

Sylvie Ballyot/Arte-TV: Green Line – Beirut: Rote Hölle, dunkle Zeiten – Fida wuchs in den 1980er Jahren in Beirut zur Zeit des libanesischen Bürgerkriegs auf. Als Kind kannte sie nichts anderes, und die Banalisierung des Sterbens weckte Zweifel am Wert des Lebens und am Sinn dieses Kriegs. Mit der Filmemacherin Sylvie Ballyot kehrt Fida zurück in den Libanon und trifft ehemalige Kämpfer beider Seiten.” Verfügbar bis 14.4.26. (150 min = 4 Therapiestunden). Hier ist die bei mir persönlich verhasste Presenter-Methodik von Madame Ballyot, eine modelschöne 50-jährige, mal angebracht.

Leider müssen wir ihr weitgehend beim Scheitern zusehen. Weil es Politik ist. Wird irgendjemand von den Verantwortlichen auch nur 5 Minuten dieser Filme sehen?

Über Martin Böttger:

Avatar-FotoMartin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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