Es schallt und knallt. Die Ausbeute der Jagdzeit – Wildgerichte an Rotkraut mit und ohne Preiselbeeren an Kartoffelknödeln – zieren die Speisekarten vieler Ausflugsgaststätten, und so mancher Weidgenosse hat auch schon ein respektables Jägerschnitzel abgegeben. Es sind immer Festtage, wenn St. Hubertus seine Erschießungskommandos in den Wald schickt. Dann geben Millionen Mümmelmänner die Möhren ab, und Pilzsammler sind gut beraten, sich in grelles Orange zu kleiden: Der deutsche Weidmann schießt nicht auf Apfelsinen, es sei denn, es bietet sich kein anderes Ziel.
Die Jagd – das ist die Zeit des gesteigerten Heimatgefühls: Der deutsche Rhein, die deutschen Hügel und Täler, die deutsche Mutter, der deutsche Dackel. Der deutsche Wald – und darin: Der deutsche Förster. Nein, falsch: Der deutsche Oberförster. Ein breitbrüstiger Weidmann von altem Schrot und Doppelkorn, mit Kniebundhosen aus Iltishaut unterwärts und gewalkter Wolle oberwärts und dem Gamsbart zwischen den Zähnen. Eigentlich möchte er, wie jeder deutsche Oberförster, lieber ein Rothirsch sein – ein majestätischer Rothirsch mit einem prächtigen Geweih, am besten mitten auf der Stirn, der, angenagelt an der Kaminseite eines deutschen Landgasthauses, umgeben von einem großen Rudel von Alttieren, seinen Brunftschrei ertönen lässt.
Der Oberförster lebt, wie alle Waldmenschen, naturbelassen. Pirschmäßig hüllt er sich in echten Fichtelnadelduft und liegt nächtens bis kurz vor Sonnenaufgang im Schweiße seines Original-Jagdfiebers. Oh schönes Büchsenlicht! Oh lichtes Grün! Die Blattzeit ist vorbei, die Ricken haben’s inne. Nur einige Damhirsche sind noch in der Feiste, um sich den nötigen Speck auf die Brunftkugeln zu schaffen. Herauf zieht die Rauschzeit, in der die Keiler an die Bachen ranrauschen. Die Rollzeit, die die Füchse erfreut und die Ranzzeit zum Vergnügen der Rammler. Nur die Kümmerer sind’s, die dem Oberförster Sorgen bereiten, die schwach veranlagten Stücke. Holdrio, wenn sie getroffen im Wundbett liegen!
Horch, von ferne hört man Hämmern: Ein Hochsitz wird gebaut. Will man den alten Schadhirsch auf die Decke legen, ins feuchte Moos, weil er mal wieder hinterrücks geforkelt hat? Dann Weidmannsdank! Plötzlich knacken die Äste. Des Jägers Adrenalinspiegel steigt. Doch wieder kein Bock! Diesmal sind es drei Jungfüchse, die auf der frisch gemähten Wiese am Rande eines Grünkohlfeldes entlangschnüren. Er legt die Büchse an, nimmt den kräftigsten ins Visier. Sein Puls beschleunigt sich: Schussfieber. Jetzt wird er ihn gleich töten, schießt es dem Jäger ehrfurchtsvoll durch den Kopf. Jetzt ist der Fuchs auf 150 Meter heran – er drückt ab. Das Tier zuckt zusammen, überschlägt sich, liegt in der Ackerfurche. Weidmannsheil, ein glatter Lungentreffer, ein großer Jagderfolg! Achtung vor dem Geschöpf – auch das gehört für den Oberförster zur Jagd. Von ferne hört er Gewiff und Gewaff der anstürmenden Meute. Ein kapitaler Bock ist’s, der da durchs Unterholz streicht. Er legt an, der Zwilling knallt, Blattschuss ins Gekröse. Der Bock geht in die Knie – schon springt ihm ein bayerischer Gebirgsschweißhund an die Drossel, ein anderer an den Träger, wieder ein anderer sitzt auf seinem Aalstrich, weitere verbeißen sich in seinen Läufen. Er wird verbellt. Der Jagdherr fängt ihn mit dem Nicker ab. Dann der Jubel: es war kein Bock, es war der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, der da nun liegt mit glasigem Blick.
Trotzdem: Die Brüche aus deutschem Edelholz werden ihm zuteil – einer in den Äser als letzter Bissen, einer in den Einschuss als letzte Ehre, einer auf die Brunftkugeln als letzter Gruß. Dann wird er zur Strecke gelegt und herzlich verblasen. Halali mit Hörnerklang! Nun darf man gespannt sein, wann es dem deutschen Oberförster wohl vergönnt sein wird, den ersten bewaffneten Veganer mit einem Volltreffer vom Hochsitz zu putzen und ihn, gespickt und eingerahmt von Rosenkohl und Kartoffelkroketten, an die Wildschweine in seinem Vorgarten zu verfüttern.
(aus Summa Summarum, Westend Verlag) Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus dem Blog des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung.

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