Starke Frauen – erschlaffte Männlichkeit

Wer bin ich, um beurteilen zu können, was Feminismus ist? Doch bei diesem Beispiel wage ich mich aus der Deckung.

Schyda Vasseghi/Kobalt/Arte: Re: Türkische Rentnerinnen auf Deutschland-Reise – Sie kamen als Kinder nach Deutschland und sind hier alt geworden: türkische Rentnerinnen und Rentner der ersten Einwanderergeneration. In Berlin hat sich eine Gruppe türkischer Seniorinnen zusammengetan und holt nach, wofür es in ihrem Arbeiterleben keine Zeit gab: Reisen und gemeinsam Deutschland erleben. Ihr Motto: ‘Solange wir nicht sterben, verreisen wir!'” Verfügbar bis 29.3.26.

Ich war vorsensibilisiert durch eine sehr gute Freundin aus Köln, die kürzlich ihre 90-jährige Tante in Izmir besucht hat. Eine Dame, deren individuelle Emanzipation durch die Errungenschaften des Kemalismus unterstützt wurde, die noch heute ihren Lebensalltag selbstständig zu bestreiten schafft. Nicht vielen gelingt das – hier wie dort. Darum rührt dieses Filmchen an. Und es macht mich stolz, in einer Gesellschaft leben zu dürfen, in der diese Damen sich das erkämpfen konnten.

Zu dieser Gesellschaft hatte in dieser Woche die kluge Isolde Charim/taz wieder Erhellendes beizutragen:

Veränderter Führungsstil in der Politik: Jede Zeit braucht ihre Heldenfiguren – Früher bewunderte man Regierungschefs als Vaterfiguren, heute herrschen Meister der Obszönität vor. Gefragt sind aber Helden des Pragmatischen.”

Gemessen daran hat das aktuelle deutsche politische Führungspersonal etwas tragikomisches. Hat die*der deutsche Wählerin nichts Besseres verdient? Offenbar nicht. “Bestenauslese” gibt es in der gegenwärtigen Parteienlandschaft nicht, weil die “Besten” dagegen eine Allergie haben.

Ein Hinweis Charims bleibt für die real existierenden Parteien bedeutsam: die öffentlich präsentierten Führungsfiguren sind nicht nebensächlich, sondern bleiben von zentraler Bedeutung. Wer nicht medienkompatibel und -affin ist, und zwar auch und gerade für die asozialen Medien, scheidet aus (also ich z.B. 😉 Die sich angeberisch “Die Linke” nennende Partei hatte bei der letzten Bundestagswahl damit z.B. mehr Glück als Verstand mit ihr und ihm. Die heutigen Regierungsparteien wirken dagegen unberatbar. Was macht er eigentlich den ganzen Tag?

Und damit zum Fussball

Gestern schrieb in der FAZ-Paywall eine Kollege namens Tammo Blomberg eine realistische Analyse des globalen Profifussballs (der Herren). Ich habe sie mir gesichert, und stelle sie auf Anfrage gerne, selbstverständlich “nur zum privaten Gebrauch” zur Verfügung. Sein Fazit: Europa ist ökonomisch abgehängt. Sein Fussball wird von US- und arabischem Feudalkapital beherrscht. Sie teilen das Entertainment und die damit verbundene Medienmacht unter sich auf. Das europäische Erwachen kommt zu spät und wird fürchterlich …

Damit könnte er rechthaben, und immer mehr Fussballfans wenden sich angewidert ab. Sogar in Liverpool, wo eine halbe Milliarde im Teamgefüge offenbar wie eine Bombe eingeschlagen ist. Ist dem investierten Super-Grosskapital egal. Es investiert nicht, weil Fussball Profit bringt, bringt er nämlich überhaupt nicht, sondern Macht, Medienmacht. Fragen Sie Leo Kirch (pleite und tot), Rupert Murdoch (ausgestiegen, noch am Leben, knapp) – die wissen was davon.

Erfreuen wir uns also am morgigen ersten Finalspiel der europäischen Nations League der Frauen. Die DFB-Elf hat es ins Finale geschafft, gegen das mutmasslich beste und revolutionärste Team der Welt, das feministische und sportliche Spitzenleistung kongenial zu verbinden weiss. Morgen nach der Tagesschau im ZDF. María Pilar „Mapi“ León Cebrián ist wieder dabei. Und ihr deutscher Wikipedia-Eintrag müsste dringend mal politisch und sportlich aufgefrischt werden.

Über Markus Reuter - netzpolitik:

Avatar-FotoMartin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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