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Deutsch-Amerikanische Feindschaft

Das Ende der transatlantischen Romantik

DAF – „Deutsch-Amerikanische Freundschaft“ hieß in den 1980ern eine deutsche NDW-Band. Der Name war ironisch gemeint – wie der größte Hit der Band: „Tanz den Mussolini“. Das Amerika des Ronald Reagan war damals in Deutschland nicht sehr populär. Auf der Bonner Demo gegen die Nachrüstung in der Beueler Rheinaue rappte Joseph Beuys leibhaftig. „Wir wollen Sonne statt Reagan.“

Keine Ironie war die Deutsch-Amerikanische Freundschaft damals für die transatlantische Gemeinschaft in CDU, FDP wie SPD. Trotz Vietnamkrieg, Iran-Contra-Affäre und Grenada-Überfall blieben die Amerikaner ihre Freunde. Sie hätten bei Bismarck nachlesen können, dass Staaten keine Freunde haben, sondern nur Interessen. Das gemeinsame Interesse der USA und Europas die Sowjetunion einzudämmen und global Märkte offen zu halten, begründete eine strategische Partnerschaft. Diese interessengeleitete Partnerschaft zur Freundschaft zu romantisieren, war schon damals naiv.

Jetzt hat Donald Trump diese Partnerschaft formell gekündigt. Das Scheidungsdokument ist die Nationale Sicherheitsstrategie des Weißen Hauses vom November 2025. Ziel der Strategie ist ökonomische und politische Dominanz über Europa. US-Tech-Oligarchen soll unregulierter Zugang zum europäischen Markt gewährt werden. Die US-amerikanische fossile Energiedominanz soll wieder hergestellt werden. Europa wird gedrängt, sich Russland anzunähern, das gemeinsame Europa zurückzubauen. Die EU soll sich vom Klimaschutz und Erneuerbaren verabschieden.

1945 hatte es Roosevelt geschafft, den Faschismus in Europa zu besiegen und Deutschland zur Demokratie zu befreien. 2025 kündigt Trump an, faschistische Parteien in Europa beim Kampf gegen die demokratische Institutionen zu unterstützen.

Die Strategie ist nicht überraschend. Sie fasst zusammen, was seit dem Amtsantritt Trumps bekannt ist: Von JD Vance Auftritt bei der Münchener Sicherheitskonferenz über die diversen Papiere der Heritage-Foundation bis zu unzähligen Truth-Social-Beiträgen.

Überraschend ist nur, mit welchem Realitätsverlust diesseits des Atlantik auf Trumps Ausrufung der Deutsch-Amerikanischen Feindschaft reagiert wird. Für die EU Außenbeauftragte Kaja Kallas sind die „die USA noch immer unser größter Verbündeter“. Ähnlich lässt sich Außenminister Wadephul zitieren. Nach Carl Schmitt ist die Unterscheidung zwischen Freund und Feind „der Beginn allen Politischen“. Den Test aufs Politische haben Kallas und Wadephul nicht bestanden.

Nachdem Europa erleben musste, dass es ohne die USA nicht in der Lage ist, die Ukraine gegen Russland wirksam zu verteidigen, ist es heute Konsens, dass es in seine eigene Sicherheit investieren muss. Wenn es dann noch so weit ist, die dafür nötigen Waffen nicht in den USA einzukaufen, wäre das ein Schritt hin zu mehr europäischer Souveränität.

Trumps Sicherheitstrategie ist mitnichten eine rein militärische. Es geht ihm um politische und wirtschaftliche Dominanz. Deshalb reicht es nicht, zu versuchen sich militärisch von ihm unabhängig zu machen.

Europa muss sich aus der fossilen Abhängigkeit befreien. Damit es nicht mehr 58 Prozent seiner Energie importieren muss. Dafür müssen Erneuerbare ausgebaut, Batterie- und Wasserstofftechnologien vorangetrieben werden.

Europa muss sich aus seiner digitalen Abhängigkeit befreien. Staatliche Stelle dürfen keine US-eigenen Clouds mehr nutzen, die Zeiten von Microsoft Office und Outlook müssen vorbei sein. Die EU-Regeln für digitale Monopolisten von X bis Google müssen uneingeschränkt durchgesetzt werden. Die Steuervermeidung von Amazon, Microsoft und Co. durch Lizenzgebühren muss beendet werden.

Der romantische Atlantiker wird nun einwenden: Sind wir denn keine Wertegemeinschaft mehr? Nein, Trump teilt unsere Werte ebenso wenig, wie Putin kein lupenreiner Demokrat ist. Kann man jetzt nachlesen in der Nationalen Sicherheitsstrategie.

Es ist Zeit für Realpolitik statt Romantik.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme von der Homepage des Autors, mit seiner freundlichen Genehmigung. Links wurden nachträglich eingefügt.

Über Jürgen Trittin:

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2 Kommentare

  1. Avatar-Foto
    Martin Böttger

    Auch hier täuscht sich der Autor: die “Hofgarten-Demo” aus Anlass des Reagan-Besuches 1982 in Bonn, zu der der grosse Künstler (und furchtbar schlechte Sänger) “gerappt” hat, war in der Beueler Rheinaue, auf der Sonnenseite Bonns, am 10.6., bei brütender Hitze und zahlreichen Badenden im Rhein. Der Hofgarten wäre zu klein gewesen … Autor Jürgen Trittin hat die entsprechende Stelle im ersten Absatz nach diesem Hinweis korrigiert.

  2. Avatar-Foto
    w.nissing

    wenn das mal die einzigste Täuschung wäre von diesem Autor: “1945 hatte es Roosevelt geschafft, den Faschismus in Europa zu besiegen”

    Kein Wunder das wir heute da gelandet sind wo wir sind 🙁

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