Jund, mutig, vielfältig — Sechs junge Mitglieder erzählen, was sie bewegt, was sie überrascht hat – und wie es sich anfühlt, plötzlich mittendrin zu sein statt nur nebenher zu scrollen.

Fast jedes zweite neue Mitglied ist heute unter 35. Die „Neuen“ bringen frische Perspektiven und neue Formen des Aktivismus mit – von Meme-Kampagnen, bis Reddit-Vernetzung und Boots-Protesten. Sie kamen aus Wut, Neugier oder Solidarität – und sind geblieben. Sechs junge Mitglieder erzählen, was sie bewegt, was sie überrascht hat – und wie es sich anfühlt, plötzlich mittendrin zu sein statt nur nebenher zu scrollen

Yannick (25), Krankenpfleger an der Medizinischen Hochschule Hannover

Ich bin seit mittlerweile sechs Jahren an der Medizinischen Hochschule in Hannover. Ich habe dort zuerst meinen Bundesfreiwilligendienst gemacht, danach meine Ausbildung und arbeite jetzt seit zwei Jahren als examinierte Pflegekraft auf der Infektionsstation. Wir versorgen dort auch hochinfektiöse Patientinnen und Patienten.

Mein erster Kontakt mit der Gewerkschaft war 2021. Damals kam eine Jugendsekretärin von ver.di zu uns in die Pflegeschule und hat über die bevorstehende Tarifrunde im öffentlichen Dienst gesprochen. Das klang cool und hat mich überzeugt. Da war ich 21.

Am Abend vor meinem ersten Streik war ich schon sehr aufgeregt. Wir haben uns im Gewerkschaftshaus getroffen, Banner gemalt, Flaggen gebastelt, Plakate beschriftet. Die hatte ich dann alle bei mir ins Auto gepackt und sollte die am nächsten Tag mit zum Betrieb nehmen. Eine meiner größten Herausforderungen war tatsächlich zu überlegen, was zieht man da an? (Lacht) Was muss man mitnehmen zu einem Streik? Muss man sich selbst versorgen? Was geht da eigentlich ab?

“Und dann kommt der Ministerpräsident rein, und plötzlich sitzt du da – 25, Pfleger, und redest mit ihm über Arbeitsbedingungen im Krankenhaus.”

Im vergangenen Jahr haben wir dann einen Tarifvertrag Entlastung erkämpft. Da geht’s nicht ums Gehalt, sondern um feste Personalbesetzungen und Entlastungstage. Also da war ich dann auch in der Tarifkommission und habe auch Spitzengespräche mit der Politik geführt und so.

Ich erinnere mich noch genau an den Termin bei Stefan Weil, unserem alten Ministerpräsidenten. Wir waren eingeladen ins Gästehaus der Landesregierung im Zooviertel – so eine alte Villa, fast wie ein kleines Schloss. Ich war todesaufgeregt. Ein Butler hat uns empfangen, die Jacken abgenommen, dann saßen wir in einem Warteraum, alles krass verziert. Später ging’s in einen superschicken Verhandlungssaal: Jeder Platz mit eigenem Porzellan-Teeservice. Und dann kommt der Ministerpräsident rein, und plötzlich sitzt du da – 25, Pfleger, und redest über Arbeitsbedingungen im Krankenhaus. Gut, am Ende hab’ ich gar nicht viel geredet, aber das war okay, weil ich war eh komplett überfordert mit der skurrilen Situation.

Heute bin ich Mitglied der Tarifkommission, ehrenamtlich für vier Jahre gewählt. Außerdem bin ich Teil der neuen Vertrauensleute-Leitung, die wir nach der letzten Tarifrunde aufgebaut haben – mit mehreren Leuten, damit das nicht auf einer Person hängen bleibt.

Ich sag heute oft zu Kolleg*innen: Wenn ihr es nicht selber tut, tut es niemand anders. Das meine ich ernst. Wir haben so viele Möglichkeiten – wir können uns an Politiker wenden, mit ihnen sprechen, Forderungen stellen. Für mich ist die Gewerkschaft eine echte Demokratieerfahrung.

Dieser Beitrag von Protokollantin Rita Schuhmacher ist eine Übernahme aus ver.di-publik, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Über Rita Schuhmacher - ver.di-publik:

Avatar-FotoUnter der Kennung "Gastautor:innen" fassen wir die unterschiedlichsten Beiträge externer Quellen zusammen, die wir dankbar im Beueler-Extradienst (wieder-)veröffentlichen dürfen. Die Autor*innen, Quellen und ggf. Lizenzen sind, soweit bekannt, jeweils im Beitrag vermerkt und/oder verlinkt.