Zunächst eine Prise Realismus zur Ausgangslage. Die Herren Biden und Xi Jinping haben miteinander gesprochen. Das ist, wie schon Erich Honecker wusste, “besser als aufeinander zu schiessen”. Gleich drei FAZ-Korrespondent*inn*en liefern ein Protokoll dessen, was die Herren die Öffentlichkeit wissen lassen wollen. Das ist zunächst einmal beruhigend, sehr vorläufig. Florian Rötzer/telepolis bilanziert realistisch und passend zum heutigen 9/11-Jahrestag, aus welcher geschwächten Position Mr. Biden in das Gespräch gehen musste.
Mr. Biden und Herr Xi Jinping sitzen recht unterschiedlich organisierten Formen von Kapitalismus vor, letzterer derzeit auf der Überholspur. Beiden Systemen ist gemein, dass sie sich durch die Klimakrise in eine gemeinsame existenzielle Gefahr gebracht, und wofür sie noch keine systemische Lösung gefunden haben. Wenn sie sich und uns retten wollen, müssen sie es gemeinsam tun. Werden sie das? Das ist derzeit eine offene Frage, für deren Antwort es derzeit nicht gut aussieht.
Dem Kapitalismus ist systemisch eingeschrieben, dass er nur über ökonomisches Wachstum weiterleben kann. Die wenigen Reichen wollen nicht abgeben, sondern sind im Aufrüstungswettlauf gegen die Andern gefangen. Die Mehrheit lebt in Ausbeutungsverhältnissen, wenige komfortabel, viele am Rande ihrer Existenz; viele weitere sind “überflüssig”, können/sollen krepieren, werden als Kanonenfutter oder Kollateralschaden entsorgt. Das ist auch ohne Klimakrise schon recht explosiv, wie die Menschheitsgeschichte lehrt. Manche lernen lieber nicht, aus Angst, was sie dabei entdecken.
Den real existierenden Kapitalismus in seinem Lauf, das leihe ich mir erneut bei dem alten weisen Erich, hält weder Ochs’ noch Esel auf, und ist mindestens genauso starrsinnig, wie es Erich war. Beispielhaft, und mich unheilvoll an den Imperialismus ’14 und ’39 erinnernd, führen das die Grosskapital-Hampelmänner des Weltfussballs auf. Sie sind in Begriff in den Krieg zu ziehen. Hinter ihnen stehen nur scheinbar anonyme sehr grosse Kapitalinteressen. Es gibt einfach zu viel davon (Kapital) in sehr wenigen Händen. Es weiss nicht wohin. Die Aktien- und Immobilienmärkte sind schon aufgeblasen. Es bleibt nur noch Organisierte Kriminalität und das Entertainment-Business mit dem Fussball als Königsdisziplin des Opiumgeschäfts, um “akzeptable” Renditen zu erzielen. Und alles immer noch besser, als es direkt in Aufrüstung und Krieg zu investieren. Es geht dabei nicht um reale, produzierte Werte, sondern um Wertfantasien, die vom “Markt” hinreichend akzeptiert werden. Jedoch sorgt der “Markt” nicht für Frieden und Kooperation, sondern für eliminatorisch orientierte Konkurrenz, für Krieg. Der Fussball ist eine Avantgarde dieser ökonomischen Entwicklung, was zu existenziellen Sorgen und weit zahlreicheren Telefonaten veranlassen muss. Wenn uns unser Leben lieb ist.
Das führt direkt zu den Fantasien der bekloppten Kalifornier*innen, die selbstverständlich von ihren chinesischen Konkurrent*inn*en aufmerksam beobachtet werden (und z.B. in der soeben bei der Telekom einmarschierten Softbank direkt aufeinandertreffen). Rahel Lang/netzpolitik beschreibt die “Metaversum”-Fantasien des Mr. Zuckerberg sowie den Alternativentwurf Dynamicland. Im Gegensatz zu den Betreibern von Letzterem verfügt die netzpolitik-Autorin über Spurenelemente materialistischer Analyse, die sie zu einer angemessen gesund-realistischen Skepsis veranlassen. Dennoch ist es wichtig, emanzipatorische Gegenkräfte nicht zu übergehen, sondern zu identifizieren. Das Lernen muss weitergehen, auch für kalifornische Hippies oder Nerds. Dafür liefert Frau Lang eine gute Vorlage, Eine Praktikantin! Und davon gibt es zum Glück viele.
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