von Rainer Bohnet

Das Scheitern der Jamaika-Sondierungen wird in vielen Medien als Verfassungskrise bezeichnet. Nein, sage ich. Es ist eine Politikkrise, aber keineswegs eine Verfassungskrise.

Unsere Verfassung, das Grundgesetz, gehört zu den besten Verfassungen der Welt. Darum beneiden uns viele Staaten. Und im Grundgesetz ist klipp und klar geregelt, was passieren muss, wenn es keine Mehrheit für die Wahl der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers gibt. Es ist im übrigen auch gut, wenn das Procedere nicht im Hau-Ruck-Verfahren ablaufen kann. Denn verfassungsrechtliche Hürden sind oftmals höchst sinnvoll, damit die Demokratie nicht zum Spielball von Despoten werden kann.

Die aktuelle Krise, die durch die FDP verursacht wurde und von Frau Merkel offenbar nicht wegmoderiert werden konnte oder wollte, ist eine glasklare Politikkrise. Wenn sich demokratische Parteien, die alle auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, nicht auf Koalitionsverhandlungen verständigen können, sind die Fehler und Unzulänglichkeiten bei diesen Parteien und den handelnden Personen zu suchen und niemals bei der Verfassung. Denn das Grundgesetz steht über den Parteien, die bekanntlich nur bei der Meinungsbildung mitzuwirken haben.

Die Unangreifbarkeit unserer Verfassung ist ein Glücksfall ohnegleichen. Ob wir mit der aktuellen Politik einen ähnlichen Glücksfall erleben werden, wage ich hingegen stark zu bezweifeln.

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