Einer beisst die Hände, die ihn füttern

Es ist Peter Nowak/telepolis, mit dessen Schreib- und Denkweise ich nicht selten Probleme habe (Bescheid- und Besserwisserei), der aber über einen inneren roten Faden, eine respektable politische Haltung verfügt, die er offenbar nicht zu verkaufen bereit ist. Denn hier kritisiert er namentlich die taz und die Jungle World, in denen er selbst publiziert: Aufrüstung vs. Demokratie: Wie Militarismus zum öffentlichen Gut erklärt wird – Was gibt es für wen in einem gespaltenen, kaputt gesparten Land zu verteidigen? Das Wording bestimmt die Wahrnehmung. Sollte es aber nicht.” In dieser Sache gehe ich mit.

Der Siehste-Effekt ergab sich heute morgen bei diesem taz-Teaser zu einem Text ihres gewöhnlich fachkompetenten Ökologie-Redakteurs Jost Maurin: Flughafenblockade der Letzten Generation: Kontraproduktive Strategie – Die Blockaden der Letzten Generation schaden dem Klimaschutz massiv. Die Aktivisten sollten lieber im Internet Überzeugungsarbeit leisten.” Hier spricht eine Onkelhaftigkeit zum Fremdschämen. Ich atmete während dieser Blockade gestern auf. Sie war praktizierter Lärmschutz für alle Einwohner*innen unserer Region. Mein erster Gedanke gestern war: und wenn sie euch dort abgeräumt haben, zieht gleich weiter nach Hangelar! Der löst täglich in mir Gewaltfantasien aus – dagegen sind diese Blockadekinder geradezu evangelisch.

“Im Internet Überzeugungsarbeit leisten” – boah ey, für so einen Spruch sollte mann sterben gehen. Was die taz ja auch tut. Sie wird in Kürze als bedrucktes Papier eingestellt. Vernünftig. Einerseits. Politisches Gewicht wird sie dadurch nicht gewinnen. Der Medienmachteffekt ist: wer keinen Lärm macht, existiert auch nicht. So funktioniert die real existierende Politik. Die Kids wissen das besser als wir naseweisen Oppas.

Das Loch, in das dann alle fallen, Kids wie Politiker*innen und politikmachende Machtmedien, ist, dass in der wahren Welt die Mehrheit Krieg, Lärm, Ungerechtigkeit etc. ablehnt, keinen Lärm mehr um sich selbst macht, weder Talkshows guckt, noch in ihnen sitzt, nicht “zur Last fallen” will – aber trotzdem existiert. Dä. So entsteht eine Demokratiekrise.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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