mit Update 28.5.

Der hier zu lobende, zu preisende und in erster Linie (mal wieder) hervorzuhebende Autor Georg Seeßlen/Jungle World zitiert das Objekt seiner Analyse mit diesen pathostriefenden Ausführungen: »Das 21. Jahrhundert wird ein Zeitalter der Religion. Gott kehrt zurück, und zwar mit Macht im doppelten Sinne des Wortes. Nicht nur als philosophische Kategorie, revitalisierte Tradi­tion, theologische Erzeugung oder spirituelle Kraft. Er kommt mitten hinein in den politischen Raum. Dieses Traktat vertritt die These, dass sich der Säkularisierungsprozess umkehren wird. Wir gehen vom postmodernen ins neoreligiöse Zeitalter.« Lachen und weglegen? Wenn es so einfach wäre – oder Sie meinen, dass es das ist – können Sie hier mit dem Weiterlesen aufhören.

Ich rate zum Weiterlesen. Georg Seeßlen/Jungle World: Der neue Kulturstaatsminister soll vollenden, was Helmut Kohl nur vorschwebte: Bitte wenden: Wolfram Weimer und der Kulturkreis vom Tegernsee – Weg mit den Joints, jetzt wird die Ludwig-Erhard-Zigarre wieder angesteckt! Mit Wolfram Weimer als neuem Staatsminister für Kultur und Medien soll die Ära einer vermeintlich linkslastigen Förderungspolitik enden. Aber es geht um mehr: Die von Helmut Kohl eingeforderte »geistig-moralische Wende« kommt zu neuen Ehren. Und auch Gott kehrt in den politischen Raum zurück, verspricht Weimer.”

Wie der Autor schon richtig beschreibt, funktioniert diese dubiose Figur in erster Linie als öffentlicher Lautsprecher. Praktische Kulturarbeit wird von Ländern und Kommunen bezahlt. Zum Ausruhen ist das, das wissen alle, die damit zu tun haben, schon lange nicht. War es noch nie. Es ist immer, jedes Haushaltsjahr wieder, Gegenstand von Verteilungskämpfen. Und weil es sich um angeblich “freiwillige Leistungen” handelt, umso mehr.

Böswillige (und unfähige) Kommunalpolitiker*innen versuchen gerne, z.B. “Sport” und “Kultur” gegeneinander zu hetzen. Stadtgesellschaften, die nicht dumm genug dafür sind, sich spalten zu lassen, schliessen sich dann erst recht zusammen. Aber das ist einfach geschrieben, und schwere harte Arbeit für die abnehmende Zahl ehrenamtlich engagierter Bürger*innen.

Insofern braucht es für dieses Zerstörungswerk keinen Weimer. Der ist komplett überflüssig. Aber das zur Kenntnis zu nehmen, verkraftet der nicht.

Für wen der Kerl von Bedeutung ist

Die Incels, die ihren Schwanz mit ihrem Auto verlängern, die haben in ihm einen verlässlichen Partner. Sein Apologet bei Springer, dessen Name mir einfach nicht mehr einfällt, der aber bei Westend eine Buchverlegerheimat gefunden hat, der weiss, was ich meine.

Und wenn Sie meinen, dass diese Typen Sie nicht interessieren, dann lesen Sie vorher lieber nochmal, was Harald Gesterkamp/bruchstuecke dazu dem Ökonomen (!) Boris von Heesen entlockt hat: Aggressiv, rasend, betrunken – Mann am Steuer – Überdimensionierte Fahrzeuge, aggressives Verhalten, männliche Netzwerke in Konzernen, Parlamenten und Verbänden: Der Ökonom Boris von Heesen hat untersucht, wie patriarchale Strukturen eine nachhaltige Verkehrspolitik blockieren.”

Jederzeit begegnen Sie denen im öffentlichen Verkehr. Machen Sie sich also sachkundig.

Wohlbefinden für den Verstand

Heute 22.15 h im ZDF und dann auch hier: “Die Anstalt”.

Update 28.5.

Die Anstalt behandelte als Thema die deutsche Abfallwirtschaft. In Deutschland funktioniert die so: wir trennen den Müll sorgfältiger, als Gemeinwohl und Profitinteresse. Schon die legendären “Sopranos” (1999-2006) wussten, wie lukrativ Abfallwirtschaft ist, und wurden vom ZDF systematisch totgesendet (wie später auch “Better Call Saul”). Die Sopranos waren von Erfinder David Chase angesiedelt in Newark/New Jersey. So schliessen sich die Kreise.

Dass deutsche TV-Anstalten solche Zusammenhänge nicht oben in ihr Agendasetting nehmen, darauf immerhin ist Verlass.

Über Martin Böttger:

Avatar-FotoMartin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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