Krieg schafft Aufmerksamkeit. Bombensicher. Aufmerksamkeit ist – neben der Anhäufung von Daten und Kapital – das, was den real existierenden Kapitalismus der Gegenwart antreibt. Wer Ausgrenzung und Abgehängtwerden fürchtet, stellt sich die Frage: wie schaffe ich Beachtung für mich (und mein Produkt, meine Leistung)? Ohne Lärm und Zuspitzung wird es nicht gelingen. Zur Not mit Penetranz. Kritik und Mobilisierung von Abneigung ist immer noch besser, als ignoriert werden.
Zu einem echten Krieg hat der Journalist Marcus Klöckner ein Buch geschrieben, zusammen mit dem US-Wissenschaftler Marc Trachtenberg. Im Rahmen der üblichen Begleit-PR gab er der Berliner Zeitung (Raphael Schmeller) ein Interview, das ich hier trotz seines schwer zugänglichen Bescheidwissergestus glatt verlinkt hätte. Wenn es der Verlag des Milliardärs Holger Friedrich nicht digital eingemauert hätte. Jede*r bemüht sich halt so um Aufmerksamkeit, wie sie*er will.
Bitter nötig haben diese Währung der Kölner Stadtanzeiger und das in seinem Verbreitungsgebiet koexistierende Erzbistum der Katholischen Kirche. Beider Anhängerschaft ist demoskopisch immer schwieriger aufzufinden. Also eine zünftige Rauferei inszenieren. Sogar die FAZ wurde zum Mitmachen animiert, und hat es nicht eigemauert! (Jetzt/So. aber doch – so wichtig ist es ja auch wieder nicht …)
“Journalist verunglimpft: Das Kölner Erzbistum rastet aus – Das Erzbistum Köln nennt die Berichte eines Journalisten des ‘Stadt-Anzeigers’ ‘menschenverachtend’ und will katastrophale repräsentative Umfragewerte für Kardinal Woelki nicht wahrhaben. Ein Offenbarungseid.” Manfred Güllners Forsa macht mit, und der Deutschlandfunk auch. Wow, das ist mal ein Hochsommerspektakel, wenn objektiv mal gerade wieder überhaupt nichts passiert.
Wie frau es richtig macht, das demonstriert eine Ersatzspielerin der gestern würdevoll aus der Fussball-EM ausgeschiedenen Schweiz, ebenfalls nach dem Prinzip viel Feind viel Ehr: “Schweizerin Alicia Lehmann: Die Frau, der 17 Millionen folgen”. Und die FAZ hat das Kapital, um mit Celine Chorus eine hinreichend intelligente Redakteurin zu beschäftigen.
Heute nun droht für die DFB-Frauen ein ähnliches Ausscheiden gegen Frankreich. Zu wünschen ist, dass sie es ähnlich sportlich-würdevoll hinbekommen, wie die Gastgeberinnen. Spiegel-Redakteur Danial Montazeri halte ich für einen der besseren Leser eines Fussballspiels in seiner von Banausen aufgefüllten Berufssparte. Er hätte durchaus ergänzend erwähnen dürfen, dass der Bundestrainer Wück die erfahrene und von mir verehrte Linksverteidigerin Sara Doorsoun kommunikationslos aussortiert hatte, wie es zuvor auch der Weltklassetorhüterin Merle Frohms (jetzt Real Madrid) ergangen ist. Merke: Torhüter*innen machen nicht nur TV-attraktive Paraden, sondern dirigieren – im optimalen Fall für inkompetente Medien unsichtbar – die Abwehr und ihr ganzes Team vor ihnen.
Lassen Sie sich nicht verdummen, auch beim Fussballgucken nicht.
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