Ist “Andere Eltern” als Comedy zu nah an der Wirklichkeit?

Ich weiss es doch auch nicht. Ich hole etwas aus, aber ich schweife nicht ab – versprochen. Bis vor wenigen Wochen brachte ich meine Tage in einer Post-Herzinfarkt-Reha an der schönen Mosel zu. In meiner 210-Betten-Klinik waren eine Abteilung für Kardiologie (Männerüberschuss) und eine für Psychosomatik (Frauenüberschuss) in einer gemeinsamen Mensa vereint. Während bei den Männern einige falsch zugeordnet waren – Scheidungskrieg oder Ahr-Hochwasser-Traumatisierung hätten in die Psychosomatik gehört – gab es bei den Frauen eine auffällig überrepräsentierte Berufsgruppe: Erzieherinnen.

Die Damen, die ich bei den gemeinsamen Mahlzeiten persönlich kennenlernte, hatten alle die gleiche “Frauenkrankheit”: sie waren selbst ihre schärfsten Kritikerinnen. Irgendwie kriegten sie Berufs-, Haushalts- und Familienstress einfach nicht perfekt gemanagt. Komisch, oder? Das muss ‘ne Krankheit sein. Meine Lieblingsgastronomin in Beuel ist ebenfalls im Hauptberuf Erzieherin. Den allabendlichen Service im Lokal – der Gatte ist der Koch – macht sie als mentalen “Ausgleich”. Ähnlich eine Lehrerin auf der anderen Rheinseite.

Beider gastronomische Leistungen bewundere ich. Ich wurde ihr Fan. Wenn sie jedoch auf ihren Hauptberuf angesprochen werden, wird es erstens überhaupt nicht lustig, und dauert zweitens ganz schön lang. Denn sie werden mit dem Aufzählen der Probleme nicht fertig. Und es sind nicht die Kinder. Es ist zu viel Arbeit für zu wenig Leute, die sie schaffen müssen. Krankheitsausfälle sind die Regel im Berufsalltag und verdichten den Stress für alle.

Und jetzt gucken Sie mal das

“Andere Eltern” gibt es als Streamingserie und als darauf folgender Spielfilm. Erst wird eine Kita gegründet, dann eine Grundschule “übernommen”, von ebendiesen Eltern.

Ich bin kinderlos und habe mich amüsiert. Die eingebaute kölsche Mentalität spricht mich stark sympathisierend an. Meine subjektive Distanz zum Geschehen ist gesichert. Das Ensemble aus der deutschen Schauspiel-Bundesliga hat offenbar grossen Spass am Spiel (Impro-Comedy), weil es nicht von Drehbuch und Regie gefesselt ist. Showrunner Lutz Heineking hat eine gute Spürnase für gesellschaftlichen Stoff mit Potenzial.

Ob eine Erzieherin/Lehrerin das gucken kann, ohne ein Fall für oben beschriebene Psychosomatik-Abteilung zu werden? Ich fürchte, da muss ich eher abraten.

Über Martin Böttger:

Avatar-FotoMartin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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