Jaja, die ARD. Im Kinderschutz will sie sich von niemandem übertreffen lassen. Und ein schwarz-weisses Gaunermärchen, das Berlin endlich mal so ähnlich zeigt, wie es ist, das ist Kindern, die bis 22 h aufbleiben müssen, nicht zuzumuten. Oder sie müssen halt bei ihrer Datenübergabe und Altersverifikation die ARD-Algorithmen austricksen. Den meisten wird das nicht schwerfallen. Wir dummen Erwachsenen, sofern wir nicht bis 22 h warten wollen, müssen die ebengleichen fachkundigen Enkelkinder konsultieren, um uns dieses fantastisch humorvolle und lakonische Gauner*innen*märchen zugänglich zu machen:

The Woddafucka Thing – Als die Afroberlinerin DJane Sweety von einem mächtigen Boss den Auftrag erhält, einen lukrativen Deal abzuwickeln, scheint ihre kleinkriminelle Karriere endlich in Fahrt zu kommen. Doch noch am selben Abend verwandeln sich Sweetys Zukunftsvisionen eines bequemen Lebens in einen einzigen Alptraum: Sie wird der gesamten Beute beraubt. Der Boss gibt ihr eine Woche Zeit, um ihre Schulden zurück zu zahlen. Nur noch Sweetys spießiger Freund Klaus könnte ihr dabei helfen. Doch als sie nach Hause kommt, ertappt sie ihn in flagranti mit einer Frau. Sweety ist außer sich, sie schlägt Freund und Liebhaberin k.o. und flüchtet aus der Wohnung mit der Gewissheit, die geschlagene Blondine ganz sicher dabei umgebracht zu haben. Sweetys Höllenfahrt durch Berlin beginnt! Ihre letzte Hoffnung sind der Italiener Gino und sein deutscher Halbbruder Ninja. Die zwei erfolglosen Karate-Lehrer bieten Sweety die Möglichkeit, zusammen einen richtig großen Coup zu landen. Das könnte Sweetys Leben retten und gleichzeitig Gino und Ninja helfen, die steigende Miete der heruntergekommenen Karate-Bude zahlen zu können. Oder diese sogar zu kaufen, um endlich dem Druck der fiesesten Immobilienhaie der Stadt zu entkommen. Die unkonventionellen Vorbereitungen des großen Raubüberfalls kommen ins Rollen. Damit beginnt für Sweety, Gino und Ninja jetzt das größte und gefährlichste Abenteuer ihres Lebens.” Verfügbar bis 19.12. U16-jährige zu Hilfe holen.

Ein politisches Bekenntnis von Filmregisseur Gianluca Vallero finden Sie hier. Das ist fast noch schlimmer als der Film. Verstecken Sie es also vor Minderjährigen. Nicht, dass die noch zu Revolutionär*inn*en werden.

Die Hauptdarstellerin Dela Dabulamanzi ist übrigens Kölnerin, kommt also aus einer Stadt, die mit Schwarz-Weiss-Filmen ebenfalls besser bedient wäre (hier z.B.: “die U-Bahn ist fertig”, zit. Jürgen Becker). Frau Dabulamanzi hat schon ein beachtliches Werkverzeichnis. Endlich habe ich Banause diese grosse Künstlerin auch mal kennengelernt. Ich bin ja auch schon über 16 (ganz schön lange).

Philosophie im Kinderprogramm

An den Vormittagen des Wochenendes senden die meisten TV-Programme das, was wir früher “Kinderstunde” nannten – allerdings viele Stunden lang. Die Eltern wollen ausschlafen, den Kindern ist langweilig. Da ist Glotzen immer eine wirksame Betäubung. Für die Kinder das, was für die Grossen der Alkohol ist. Und was macht 3sat? Das:

Künstliche Intelligenz – Ist der Mensch bald überflüssig? – Künstliche Intelligenz nimmt dem Menschen immer mehr Arbeit ab. Auch im Privatleben stehen Chatbots mit Rat zur Seite. Was kommt da auf uns zu? Und wie stark soll KI unser Leben und unsere Arbeit bestimmen? Yves Bossart im Gespräch mit dem Philosophen und KI-Experten Christian Uhle.” Verfügbar bis 21.3.26. Ist das etwa nicht jugendgefährdend? Inhaltlich unbedingt.

Der interviewte Herr Uhle ist Kölner. Aber einem westdeutschen TV-Sender würde es niemals mehr einfallen, mit solchen Typen eine Stunde lang zu reden – und das auch noch zu senden. Das ist nordrhein-westfälischen Zuschauer*inne*n – selbst als Farbfernsehen – intellektuell gar nicht zuzumuten. Die würden doch alle umschalten. “Ausschaltimpuls”, wenn länger als 30 Sekunden am Stück gesprochen wird. In der Schweiz dagegen hören sie noch ganzen Sätzen zu. Sogar mehreren hintereinander. Mann nennt es Gedanken. Liefe die “Sternstunde Philosophie” in schwarz-weiss, mann könnte sich glatt an den grossartigen und legendären Günter Gaus erinnert fühlen.

Kritisch anmerken würde ich zu Herrn Uhle, dass er seinen “Wir”-Begriff in solchen Gesprächen definieren müsste. Das wäre eine Aufgabe des Interviewers, ihn daraus nicht zu entlassen. Materialistische Analyse konnte ich in dem anregenden Gespräch leider nicht entdecken. Denn die reale Entwicklung von KI/AI ist in den USA – und auch in dem nicht wirklich konkurrenzfähigen EU-Europa – kapitalgetrieben. Die Interessen, die Uhle partiell durchaus benennt, haben hier ihre Wurzel. Und “wir” haben da ein Problem, wenn wir, wie auch Uhle, eine andere Entwicklung wollen. Die ist, wie er betont, “möglich”. Aber wie? Mit guten Argumenten? Scherz meinerseits.

Gegen Ende des Gesprächs geht es um “das Schreiben”. Gutes Beispiel. Gerade die kapitalgetriebenen Finanzierer des Schreibens in den Verlagskonzernen haben nicht den geringsten Skrupel, KI/AI schreiben zu lassen. Weil es funktioniert. Und weil es billig ist. Qualität des Schreibens ist ihnen egal. Abonnement- und Klickzahlen sind entscheidend. Dass sie damit ihrem Geschäftsmodell selbst das Grab graben, das merken sie, wenn überhaupt, erst, wenn es zu spät ist. Und wenn sie es merken, wollen sie möglichst viele Konkurrenzmedien und die Demokratie mit all ihren angeblichen Säulen mit ins Grab ziehen.

Aber welche TV-Sendung bringt heute noch auf solche Gedanken? Also danke in die Schweiz.

Die ahnungslosen 16 deutschen Ministerpräsident*inn*en würden 3sat übrigens gerne dichtmachen. Die brauchen das nicht.

Über Martin Böttger:

Avatar-FotoMartin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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