Es gibt sie. Und ihr Anfang ist immer, dass sie gedacht werden. Das bin ich bereit Meinhard Creydt/telepolis zuzugestehen, dessen logischer Gedankenführung ich gerne folge: Wenn Kühe in den öffentlichen Dienst wechseln: Eine radikale Idee für die Zukunft der Landwirtschaft – Wir bezahlen das Essen mehrfach. An der Kasse, über Steuern – und mit zerstörten Böden. Wie lange kann das so weitergehen?” Aber seit wann regiert in der Politik Logik?

Weiter weg von der gesellschaftlichen Wirklichkeit geht es wohl kaum. In Creydts Text selbst findet sich diese Einsicht. Zum Glück gibt es auch Alternativen im herrschenden System, wie ich sie in diesem schon ein paar Jahre alten aber mutmachenden, kämpferisch-optimistischen Film von Myriam Bou-saha aus Frankreich fand:

GEO Reportage: Frankreichs Winzer: Tradition trifft Passion – Frankreich, das Land des Weins: Sanfte Hügel voller Reben prägen die Landschaft in vielen Regionen, genauso vielfältig ist das Produkt. Aber mancherorts haben die Anbaumethoden die Weinberge erschöpft. Winzer wollen daher ihre Produktion umkrempeln, um dem Niedergang der Weinkultur zu begegnen – mit ungewöhnlichen Ideen, aber auch im Einklang mit der Natur.” Verfügbar bis 26.10. (53 min).

Während in diesem Fall die politische Fantasie aus Frankreich kommt, ist sie im nächsten Fall im industriellen Milieu Italiens angesiedelt, mit Wirkungen bis nach Osnabrück:

Giorgio De Girolamo/Jacobin: Vier Jahre Kampf für demokratische Konversion in der Toskana – Die GKN-Besetzung bei Florenz hat mit ihrer Vision einer demokratischen und ökologischen Konversion einer stillgelegten Autofabrik weit über Italien hinaus Arbeiter und Linke inspiriert. Jetzt haben die Beschäftigten einen wichtigen Etappensieg errungen.”

Und nun zu den Mühen der Ebene, Jutta Roitsch schreibt schon seit über 50 Jahren über das (WestBRD-)deutsche Bildungssystem. Gab es in dieser Zeit Fortschritt? Suchen Sie mal:

Jutta Roitsch/bruchstuecke: Jugendliche auf der Suche nach Sinn und Zugehörigkeit – Alarmierende Entwicklungen: Knapp drei Millionen junge Erwachsene im Alter von 20 bis 34 Jahren verfügen über keinen beruflichen Abschluss. Jeder vierte bis fünfte Schüler (seltener Schülerin), der jetzt die Schule verlassen hat, verzichtet auf eine Lehre und will – oder soll? – nur Geld verdienen. Und hinzu kommt: 56 000 Jugendliche (oder knapp über sieben Prozent eines Jahrgangs) haben die allgemeinbildenden Schulen ohne den niedrigsten Abschluss, den der Hauptschule, verlassen.”

Ich kommentiere ihren alarmierenden Befund mal persönlich, und lasse mich gerne mangelnder Sachkenntnis überführen: die befragten Jugendlichen sind ganz offenbar realistischer als die rumlabernden deutschen Bildungspolitiker*innen. Nicht sie sind die Dummen, sondern ihre Erziehungsberechtigten, die sie diesem die Klassengesellschaft reproduzierenden Schul- und Bildungssystem aussetzen. Das sehen wir ja auch in der Klimapolitik der letzten 50 Jahre. Was hat sich geändert? In Deutschland gibt es weit weniger Kinder und Jugendliche, d.h. die Fortschrittshoffnung potenzieller Eltern geht gegen Null – und etwas mehr Migrationshintergrund (Letzteres zum Glück; die haben – bzw. hatten? – noch Hoffnung auf eine Zukunft). Meine Empfehlung: mehr auf die Kinder hören. Dann bekommen Sie gespiegelt, was die Erwachsenen angerichtet haben.

Netzpolitische Alternativen für dieses malade System finden Sie im heise-Interview von Kristina Beer mit Caja Thimm und Markus Beckedahl: Missing Link: Tech-Monopole gegen digitale Souveränität an Schulen – Digitale Souveränität fängt in der Schule an. Offene Plattformen sollen Microsoft und Apple ersetzen. Und was ist mit Informatik-Unterricht?”

Über Martin Böttger:

Avatar-FotoMartin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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