Seit Jahrzehnten betrachte ich das Medientreiben über angeblich zunehmende Brutalität unter Kindern und Jugendlichen. In der Regel ist es aufgebauschter Unsinn. Über dieserart “Jugend” wurde bekanntlich in allen Menschheitszeitaltern lamentiert. Und in Kriminalstatistiken ist dokumentiert, dass es eine Lebensphase mit erhöhter Delinquenz – weit mehr bei Männern, als Mädchen, die sind dafür besser im Unterricht – tatsächlich gibt, die sich aber in den meisten Fällen zum Glück auch wieder rauswächst.
Zu meiner Schulzeit im Ruhrgebiet (1963-1976) gab es in der Tat nicht wenig Brutalität auf den Schulhöfen. Ich entwickelte eine individuelle Technik, mich davon fernzuhalten, weil meine körperliche Konstitution mich andernfalls zu beständigen Niederlagen verurteilt hätte. Diese Kindheitserfahrung führte ich sogar 1975 erfolgreich bei meiner Kriegsdienstverweigerungs-Gewissenprüfung an (ich gewann nur knapp mit 2:1 Richterstimmen).
Wenn ich zuhause über derartige Vorfälle jammerte, gingen die faktenermittelnden Fragen der Eltern immer in meine Richtung: was hatte ich falsch gemacht? Das war harte Realo-Politik. Denn Fehlverhalten meiner Mitschüler*innen oder Lehrer*innen konnten meine Eltern ja sowieso nicht beeinflussen. Heutige Mittelschichtseltern – meine waren erst im Begriff aus der Arbeiterklasse dorthin aufzusteigen, was sich auch in meiner Biografie dokumentiert – haben dagegen, ich weiss, das ist auch ein Klischee, nichts Eiligeres zu tun, als zum Rechtsanwalt zu laufen. und damit sich häufende Berufsunfähigkeit von Lehrer*inne*n und Erzieher*inne*n herbeizuführen.
Das Gute am gegenwärtigen Klischee ist gewiss die stärkere empathische Anteilnahme der Eltern zugunsten ihrer Kinder. In meiner Kindheit war die Prügelstrafe noch gesetzlich zulässig – und üblich, in Schulen und Elternhäusern. Darum war das Prügeln auf den Schulhöfen ebenfalls normal – und kein Grund für ausgedehnte Reportagen in lokalen Medien.
Und jetzt das.
Die von mir als Feministin wertgeschätzte Meredith Haaf/SZ meldet in einem digital vermauerten Text in einer Münchner Zeitung von Berliner Schulhöfen: “Wieder homophobes Mobbing an einer Berliner Schule – Nach der Carl-Bolle-Grundschule muss sich nun auch die Rütli-Gemeinschaftsschule in Berlin mit schwulenfeindlichem Verhalten ihrer Schüler auseinandersetzen. Der Partner eines Lehrers soll beleidigt und bedroht worden sein.”
Mobbing? In einer Schule? Wie ist das denn möglich? OK, zu meiner Zeit gab es all die asozialen digitalen Medien nicht. Und die Lokalredaktion des Monopolblattes WAZ war von faulen Säcken geleitet. Lokal-TV oder -Radio gab es überhaupt nicht. Nicht alles daran war besser so.
Aber boah ey, bin ich froh, dass ich aus der Schule raus bin.
Zum Gedenken an meinen langjährigen Schulleiter und Bündnispartner.
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