Einen wunderschönen guten Morgen! Kaum hatte ich den krassen Fehlstart von Grêmio Porto Alegre (nach dem Weggang des Uruguayos Luis Suárez in die Major League Soccer) in Brasileirão und Copa Libertadores thematisiert, schon zuckte der sich vermeintlich im Sterben befindende Klub aus Rio Grande do Sul auch schon. Erst folgten zwei Heimsiege gegen Paranaense und Cuiaba (gut, letztere verteidigen punkt- und torlos auch eisern die Rote Laterne der Meisterschaft der Brasucas), dann überraschte der Tricolor Gaúcho in der Copa Libertadores auch noch die Argentinier von Estudiantes auswärts in La Plata, wo das vom Henker des HSV, Renato Portaluppi, dirigierte Team in Unterzahl mit 0:1 dominierte. Die ersten Punkte für Grêmio, doch daheim, in der Arena do Grêmio, dürfen Estudantes und The Strongest aus La Paz noch schaulaufen. Die Achtelfinals der Libertadores sind wieder in Reichweite. Eingeweiht wurde die Arena übrigens vor zwölf Jahren mit einem Match gegen den HSV, als Hommage an das Weltpokalfinale, das beide Klubs 1983 in Tokio als Klassenstreber ihres Kontinents bestritten (der HSV jetzt ohne Kaltz und Hrubesch, aber noch immer mit dem chronischen Finalverlierer Ernst Happel, siehe auch Buenos Aires 1978).

Einen Lichtblick für meine seherischen Fähigkeiten gibt es, am Weekend war Grêmio bei Bahia in San Salvador (dirigiert von Tormann-Bomber Rogério Muecke Ceni) beim 0:1 chancenlos. Der ehemalige Atlético Madrid-Star und Suárez-Nachfolger Diego Costa erhielt, längst ausgewechselt, sein Zenit ist lange überschritten, er faulte ab bei Chelsea, also er bekam die rote Fleppe auf der Bank, sowas erinnert mich immer an Claudio Paul Caniggia bei der Asien-WM 2002. Der Maradona-Zungenküsser spielte bei der schlechtesten WM der Argentinier aller Zeiten keine Minute, keine Ahnung, warum Bielsa den überhaupt mitgenommen hatte, vielleicht als Maskottchen. Den Brasileirão führt nach dem 2:0 im Maracanã gegen das von Adenor Bacchi (Tite) gecoachte Flamengo der Lokalrivale Botafogo an, gefolgt von dem von Ex-Barça Gabriel Milito trainierten Atlético Mineiro (3:0 bei Cuiaba) und dem Brauseklub Bragantino (1:1 bei Fortaleza) aus São Paulo.

Vasco da Gama aus Rio de Janeiro, stark mit einem Dreier gegen Grêmio in den Brasileirão gestartet, verlor zu Hause erdrutschartig mit 0:4 gegen den Criciúma EC aus dem Bundesstaat Santa Catarina, die dritte Niederlage am Faden, das war zu viel, der argentinische Trainer Ramón Díaz, der dort im Juli vergangenen Jahres anheuerte und den Cariocas noch milagroes die Klasse gesichert hatte, musste gehen. Díaz war 1979 in Japan der Torschützenkönig der zweiten U20-WM (damals noch U19), die Argentinien mit César Luis Menotti nach dem Finale gegen Titelverteidiger Sowjetunion in überragender Manier eintütete. Seitdem waren Diego Maradona und Ramón Díaz Todfeinde, weil der riojano dem Star der Argentinos Juniors die Show gestohlen hatte. Der Rauswurf bei Vasco für Díaz und seinen Assistentrainersohn Emiliano wurde Minuten nach Abpfiff über die sozialen Medien des Klubs zunächst auf Twitter/X verbreitet, war also vermutlich schon vor dem Match beschlossene Sache. Als Interimstrainer wurde Rafael Paiva bestimmt, der bis dato für die U20 des Vereins verantwortlich zeichnete. Das Match fand im Estadio São Januário statt, der Festung Vascos in Rio und endete mit Schmähchoeren gegen Team und Trainer.

Der Traditionsklub liegt aktuell auf einem Abstiegsplatz, nur einen Punkt davor stehen Klub-Vizeweltmeister Fluminense, der siebenfache Meister Corinthians, Klub von Staatspräsident Lula da Silva, und Pokalgewinner FC São Paulo. Auch Titelverteidiger SE Palmeiras hängt noch in den Seilen. Die südamerikanischen Ligen sind deutlich kompetitiver als die europäischen und also ausgeglichener, fast jeder kann beinahe immer jeden schlagen.

Autor Andrfé Dahlmeyer veröffentlicht seit Jahrzehnten die Fussballkolumne “Latin Lovers” in der Tageszeitung Junge Welt und wurde auf diese Weise mein Leitmedium zum lateinamerikanischen Fussball. Martin Böttger

Über André Dahlmeyer / Gastautor:

Unter der Kennung "Gastautor:innen" fassen wir die unterschiedlichsten Beiträge externer Quellen zusammen, die wir dankbar im Beueler-Extradienst (wieder-)veröffentlichen dürfen. Die Autor*innen, Quellen und ggf. Lizenzen sind, soweit bekannt, jeweils im Beitrag vermerkt und/oder verlinkt.