Das Ding stinkt erbärmlich! Aus alten WG-Tagen, kennt ihr das: einer muss den Dreck runtertragen! Klar, will das versiffte Ding keiner anfassen, auch weil an der Tonne vor der Tür wegen Überfüllung der Deckel nicht mehr zu schließen ist. Dann den eigenen Glibber noch irgendwie reindrücken? Widerlich! Hätte sich vor den Semesterferien nur jemand erbarmt. Besonders ärgerlich, wenn in der WG keine Frau dabei war, die machen es entweder selbst oder nerven so lange rum, bis jemand losrennt.

Und heute? Tun wir so, als hätte es diese frauenfeindliche Gedanken nie gegeben. Obwohl so frauenfeindlich ist das nicht, denn sie hätte Recht gehabt. Den eigenen Kindern erzählen wir das nicht, sondern schicken sie rechtzeitig raus, unseren Müll wegzubringen. Einzig müssen wir darauf achten, dass wir die Mülltonne rausstellen, wenn der nächste Abfuhrtermin droht. Da denkt in aller Regel Frau dran, sie hat alle Termine sorgsam im Familienkalender eingetragen. Der hängt in der Küche, wo alle ihn sehen können, besser könnten. Leider sieht Frau so wenig darauf, wie alle anderen auch – und am nächsten Tag fährt die Müllabfuhr an unserem Haus vorbei.

Besser wäre es, wenn wir es der Frau so einrichten, dass sie, die Frau, automatisch daran denkt und die Kinder rausschickt, die Tonne vor das Haus zu schieben – zur Not kann sie es auch selbst machen, so schwer ist der Kübel nicht, sind auch Rollen drunter.

Weil auch fast jede Frau so ein Smartphone hat, wäre es sinnvoll, ihr das so einzurichten, dass einen Tag vor dem entscheidenden Termin ihr das Smartphone sagt: „Die Tonne muss raus!“ Damit hätten wir zwei Probleme erledigt: Frau weiß, wann sie rumnerven muss und Frau wird automatisch daran erinnert.

Technikbegeisterte Digitalenthusiasten greifen sich das Smartphone von Frau und tragen alle Termine im smarten Kalender (mit Weckruf am Tag davor) genau ein – und weil wir dabei sind, auch gleich die Sperrmülltermine. Damit kommt der Müll rechtzeitig vor die Tür und wir müssen uns keine Gedanken mehr machen.

Und wo bekommen wir für Frau in Bonn die Termine her? Von BonnOrange unter Service, hier!

Für auswärtige Leser (auch Leserinnen, wenn der eigene Mann zu dämlich ist): das findet sich auf der städtischen Müllseiten der eigenen Gemeinde auch. Wir in Bonn geben den ersten Buchstaben unserer Straße ein, wählen hernach Straße, Hausnummer und mit „weiter“ landen wir beim Müll für unsere Straße.

Klar, der technikbegeisterte Digitalenthusiast (Markenzeichen: sofort klicken, kann ja nix passieren) schreibt entweder die Termine ab oder greift sich den ersten Link, der eine PDF-Datei zum Ausdruck hervorzaubert – gut, das könnten wir neben den Familienkalender hängen. Dann aber wäre Frau so weit wie vorher und könnte nicht Alarm schlagen.

Die Seite von BonnOrange bietet aber noch ein Highlight, findet sich in der dritten Zeile, vor den Terminen: „Leerungstermine in einer ical-Kalenderdatei“. In der Klicki-Bunti-Welt von Google und Windows wird hoffentlich ein Fenster aufgehen, das mir sagt, was zu tun ist – ansonsten liegt eine nutzlose Datei in meinem Downloadordner.

Nutzlos? Nein – und besser, wenn wir nicht das tun, was vorgeschlagen wird, sondern beherzt selbst Hand anlegen. Also, alles was angeboten werden sollte: ablehnen, abbrechen, nicht ausführen, nicht machen – weiß der Teufel, was für ein Zeug an der Stelle hochkommen kann – unter Windows und Android wird dem Nutzer jedwede Kompetenz abgesprochen, was den Vorteil hat, dass nur Funktionen genutzt werden können, die Google oder Microsoft für einträglich hält und durchweg kontrollierbar sind. Das kommt zwar einer Entmündigung gleich, aber daran haben sie Jahrzehnte gearbeitet – für ein besseres Nutzererlebnis, versteht sich.

Der nächste Schritt ist jetzt nix für den erfolgsverwöhnten Windows-Hobby-Admin, denn wenn etwas nicht automatisch sein soll, aber werden soll, dann müssen wir einmal mit akrobatischer Geschicklichkeit vorgehen – was aber wiederum nicht sonderlich schwierig ist, sondern sehr einfach, denn Google und Microsoft täuschen uns immer nur vor, dass es schwierig ist.

Was wir haben, das ist eine Datei im Downloadordner und ein Programm, das damit gefüttert werden soll. Das Programm was wir haben heißt Kalender und dort suchen wir die Fütterungsstelle. Die finden wir in den Einstellungen und heißt „importieren“ – oder in einer Abwandlung davon, wie „Kalender importieren“, „ical/ics-Datei importieren“ – egal, Hauptsache wir sehen was mit „importieren“

Mit schlafwandlerischen Sicherheit wählen wir diesen Punkt und suchen im Downloadordner nach einer Datei, die beginnt mit „Abfuhrtermine…“ und die Endung „.ical“ hat – das sieht der gewöhnliche Windows-Nutzer nicht, sonst würde er ahnen, wie einfach alles ist.

Sobald unser Kalender beginnt die Termine der Müllabfuhr einzuatmen, stellt er erst sich und dann dir die Frage: wohin damit? Es gibt mehrere Möglichkeiten (Achtung, erst lesen, dann klicken!) Entweder in einen vorhandenen Kalender übertragen, was ehrlich gesagt Blödsinn ist, das wird der persönliche Kalender von Frau sein. Bleibt die Option, einen neuen Kalender anzulegen, das machen wir und nennen ihn „Bonner Termine“, denn in den Kalender kann ich vielleicht später noch andere Zeiten eintragen, wie Weihnachtsmarkt, Kirmes und was uns sonst noch treibt und woran uns Frau erinnern soll.

Bei Apple-Rechnern und unter Linux kann ich übrigens tun, was vorgeschlagen wird, das kommt an. Google und Microsoft lesen sowieso alles mit und werten Kalender wie Adressbuch aus, das lässt nicht verhindern, selbst dann nicht, wenn ich alles glaube nur lokal oder auf einem Server meiner Wahl (der eben nicht zu Microsoft oder Google gehört) – denn Kalender und Adressbuch sind zu wertvoll, um sie dem dämlichen Nutzer alleine zu überlassen. (Ach so, nur so nebenbei bemerkt, Samsung und Huawei nehmen das auch gleich mit, muss ich gar nichts für tun.)

Und Google hat auch schon dazu gelernt und verhindert automatisierte Kalendereinträge von Werbetreibenden, die mich regelmäßig daran erinnern, wieder eine neue Packung Viagra zu bestellen. Und: dass mir die Geburtstage von Freunden, Bekannten, Familie und von Frau aus meinem Kalender automatisch angezeigt werden, dem muss ich seit letztem Monat bei Google explizit zustimmen, Datenschutz, Sie wissen schon …. äh, reden wir nicht drüber, warum sie das können.

All diese klitzekleinen Zusatzfunktionen sind ohne das Zutun von Microsoft oder Google möglich, bei Apple und Linux ist das selbstverständlich, da erhalte ich Funktion, Programm und bei Apple auch die Hardware für meine Anforderungen, ohne meine persönlichen Belange weltweit streuen zu müssen. (Was mich privat zwar gruselt, aber keinen großen Schaden anrichtet. Bei Behörden wäre ich mir nicht ganz so sicher. Leider bleibt jede Intervention zur Digitalisierung – kompetenzbedingt – sinnfrei.)

Wer jetzt seinen Windows-Klapprechner oder sein teures Android-Supersmartphone in die Tonne treten will, nein, warte, ich will noch ein bissel damit spielen.

Für die Erstleser, das war der dritte Teil von „Mir ist übel, Ich will von Windows weg“, zuvor hatten wir schon „The Boiling Frog“ und „Ich glotz TV – alles Fingerübungen, für das, was wir bis zum Herbst schaffen müssen. Es wird ein kurvenreicher, unterhaltsamer Weg – aber nur sehr flach ansteigend. Ich könnte im September einen Volkshochschulkurs (auch für Frauen) dazu anbieten, aber ich denke, ich wäre alleine. Schade eigentlich.

Über Christian Wolf:

Christian Wolf (M.A.) ist Autor, Filmschaffender, Medienberater, ext. Datenschutzbeauftragter. Geisteswissenschaftliches Studium (Publizistik, Kulturanthropologie, Geographie), freie Tätigkeiten Fernsehen (RTL, WDR etc.) mit Abstechern in Krisengebiete, Bundestag Bonn und Berlin, Dozent DW Berlin (FS), Industriefilme (Würth, Aral u.v.m), wissenschaftliche und künstlerische Filmprojekte, Projekte zur Netzwerksicherheit, Cloudlösungen. Keine Internetpräsenz, ein Bug? Nein, Feature. (Digtalpurist)