Heute findet drüben in Bonn die Trauerfeier für Mani Stenner statt. Mein Ex-Chef Roland Appel hat dazu einen Nachruf verfasst, der sehr weitgehend auch meine Erfahrungen mit Mani wiedergibt.
Ich möchte nur noch einen Gedanken ergänzen. Mani verkörperte eine Typus Politiker, den ich als sich politisierender Jugendlicher sehr veehrt habe, und von dem ich fürchte, dass er immer mehr verschwindet. Es ist der fähige Verhandler. Er kann sich in die Gegenseite hineinversetzen, ihre Interessen erkennen, analysieren und respektieren. Er vesteht die Befassung mit der Gegenseite als Prozess. Er kommt mit jedem neuen Kompromiss seinem eigenen Ziel weitere Schritte näher und nimmt die Gegenseite dabei mit, so dass sie die Furcht vor ihm verliert. Er treibt den Wandel durch Annäherung voran.
Günter Gaus war so einer, Egon Bahr sowieso, der Journalist Peter Bender einer ihrer wichtigsten Chronisten, und in meinen persönlichen Augen an ganz anderer Stelle und politisch viel radikaler auch Mani Stenner. Meine Wahrnehmung heute ist, dass diese Fähigkeit zum politischen Diskurs, zur Verständigung und Kompromissfindung immer mehr verschwindet: beim Nachbarschaftsstreit übern Gartenzaun, beim Streit im Sportverein, in der Kommunalpolitik (insbesondere auch innerhalb der jeweiligen Parteien) und auch in der “großen”, der Geopolitik.
Was ist der Grund für diese wachsende Kommunikationsunfähigkeit, die schwindnde Empathie? Mag sein, dass der technologische Wandel eine Rolle spielt. Ich glaube aber, dass wir hier auch eine langfristige Folge des Neoliberalismus sehen. Die Intensivierung der Belastungen des menschlichen Nervensystems, der Zwang zur Selbstoptimierung zwingt nicht nur zu Egomanie, die Wahrnehmungssinne gehen immer weiter nach innen, die Empfangskapazitäten für aussen sind ausgelastet durch “Kundengespräche”, durch Analyse, Bestimmung und Durchsetzung der eigenen Interessen.
Egon Bahr sagte heute im Deutschlandfunk, er habe Angst.
Mein Freund Volker Perthes muß sich in Berlin professionell mit diesen Unfähigkeiten herumschlagen. Er beschrieb diese Problematik heute mal am Beispiel des Irak. Von dessen Zuständen sind wir noch weit weg. Aber wenn wir keine Umkehr schaffen, könnten spätere Generationen in Europa auch wieder dort landen. Das ist vieleicht die Angst, die Egon Bahr heute meinte.
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